
Das Grundgesetz ist kein Vergnügen, sondern oft harte Arbeit: Das hat Georg Löhrlein, Mitorganisator der Kundgebung "Nie wieder ist jetzt – Gemeinsam für das Grundgesetz" gemerkt. Bei der Anmeldung musste klargestellt werden, dass die Jubiläumsdemo formal keine Vergnügungsveranstaltung werden sollte, berichtete der frühere Vorsitzende des Eine-Welt-Vereins am 3. Mai. Im Spitalgarten in Gerolzhofen ging es um 75 Jahre Grundgesetz – das "Lex Fundamentalis" der Bundesrepublik, wie eine staatliche Grundordnung im Juristenlatein genannt wird.
Am 23. Mai 1949 war das Grundgesetz durch den Parlamentarischen Rat in Bonn verabschiedet worden, gemäß mehrheitlichem Beschluss vom 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes. Ein breites Bündnis aus Parteien, Verbänden und Vereinen hatte in Gerolzhofen nun zur Lesung wesentlicher Artikel des "GG" eingeladen, ganz ohne Juristensprache. Der Klickzähler verzeichnete 219 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bereits im Februar war in Gerolzhofen gegen Fremdenfeindlichkeit demonstriert worden.
Georg Löhrlein und Herbert Kimmel stellten am "Tag der Pressefreiheit", zu Beginn der Woche der Meinungsfreiheit, noch etwas anderes fest: "Die Verfassung muss verteidigt werden". Gefordert wurde ein breites Bündnis gegen Extremisten aller Art, Stichwort "Prozess gegen die Umstürzler um Prinz Reuß".
Was die Geschichte uns gelehrt hat
Herbert Kimmel blickte auf die Lehren der Geschichte. Die Verankerung von Demokratie, Föderalismus und Menschenrechten, in Fortführung der Paulskirchen-Verfassung von 1849 und der Weimarer Verfassung, waren Konsequenz aus den Erfahrungen der massenmörderischen NS-Diktatur. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau wurde aus der DDR-Verfassung übernommen - und manch Sicherung eingebaut, gegen "Ersatzkaiser" etwa oder willkürliche Kanzlerstürze.

Die neue Jugendhausleiterin Johanna Kassner öffnete symbolisch ein leuchtendes Schatzkästlein, mit Artikel 1 obenauf: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Bürgermeister Thorsten Wozniak sprach von einer "großartigen Verpflichtung", die den Staat aber auch an Grenzen bringen könne, angesichts vielfältiger Gefährdungen: sei es Hass gegen Ausländer, Bodyshaming, Angriffe gegen Politiker, Hetze im Internet.
Von Glaubens- bis Pressefreiheit
"Ich bin gut so, wie ich bin – gerade, weil ich anders bin", fand Poetry Slammerin Ayla Zietlow als Kommentar zu Artikel 2, der freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert, im Rahmen des Rechts. Stadtbibliothekarin Anna Scharf befasste sich mit dem "Privileg" der Gleichberechtigung als Bewohnerin der BRD, im weltweiten Vergleich. Ebenfalls um Artikel 3 ging es bei Nele Wirth (von der in Gründung begriffenen "Grünen Jugend"), die sich mit dem Diskriminierungsverbot auseinandersetzte: Soll man weghören, bei N-Wort, frauenfeindlichen oder rechtsradikalen Sprüchen?
Für Brigitte Vogt, Vorstandsmitglied der evangelischen Gemeinde, ist Glaubensfreiheit (gemäß Artikel 4) keine Selbstverständlichkeit. Heute gebe es Ökumene, könne man in der Stadt Burkini, Kippa oder Bindi sehen, den Hindupunkt auf der Stirn. Stichwort Pressefreiheit, für die Artikel 5 steht: Main-Post-Redakteur Michael Mößlein berichtete von 41 Attacken auf Medienvertreter in Deutschland, im Jahr 2023, von Erfahrungen auf Coronademos, von Leitlinien der Presse und Schutz vor Zensur, sobald Berichte unbequem werden müssen.

Die Demokratie schützen – nicht nur gegen Angriffe von außen
Margit Endres, ehemalige Leiterin der Polizeiinspektion Gerolzhofen, befasste sich mit der Versammlungsfreiheit (Artikel 8): Im Jahr 2015 hat Stammheim erfolgreich gegen "Die Rechten" und deren Parteizentrale demonstriert. Doaa Anjak und Mohammed "Dante" Nur Naddaf erzählten von ihren Erfahrungen als Flüchtlinge aus Syrien, die (dank Artikel 16a) Asylrecht genießen. "Sicherheit" an Leib und Leben ist für die engagierten Mitglieder des Geo-Treffs alles andere als selbstverständlich. Sie hätte nie geglaubt, einmal selbst fliehen zu müssen, meinte Lehrerin Doaa, die sich heute um ukrainische Kinder kümmert.

Mit Artikel 20 zitierte Johanna Kassner den letzten Beispielartikel des Grundgesetzes: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat." Wer diese Ordnung beseitigen will, gegen den gilt das Recht auf Widerstand. Altbürgermeister Hartmut Bräuer rief dazu auf, die liberalen westlichen Demokratien nicht nur vor Angriffen von außen, aus Russland oder China, zu schützen. Alle "AfD-Mitläufer" sollten sich ihre Anführer genau anschauen, deren Verhalten, Verstrickungen und Verbindungen sowie Einstellungen zum Rechtsstaat.
Bräuer erinnerte an den ehemaligen Kolitzheimer Bürgermeister Franz Herbert, der den Nazis 1941 den Hitlergruß verweigert hatte. Der frühere Reichstagsabgeordnete der BVP, der es zu dieser Zeit längst bereute, für das Ermächtigungsgesetz gestimmt zu haben, endete als KZ-Häftling. Herberts Spur verliert sich 1945 auf dem Todesmarsch vom Lager Auschwitz-Monowitz nach Mauthausen.

Begleitet wurde die friedliche, etwa zweistündige Kundgebung durch "folkige" Freiheitslieder von Scotty Riggins, bekannt als "Freedom Advocat".
Vielen Dank an Frau Brigitte Vogt, die auch die anderen Religionsgruppen in unserem Land erwähnt hat.
Fast hätte man diese vergessen, da sie nicht das Bedürfnis haben, sich ständig als "darzustellen" oder eigene Gruppierungen zu gründen, sondern einfach nur friedlich und integriert in unserem Land, in unserer Region leben.
Sie sind, im Gegensatz zu anderen, so unauffällig, dass sich nicht einmal von der AfD erwähnt werden.
Vielen Dank, Frau Vogt, dass sie auch diese Menschen als Teil von Deutschland erwähnt haben.