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Geldersheim
Nach Raketeneinschlag auf Bahnhof von Kramatorsk: Anker-Einrichtung bei Geldersheim nimmt 150 Geflüchtete auf
Als Innenstaatssekretär Sandro Kirchner die Anker-Einrichtung besucht, ist ein Sondertransfer aus der Ostukraine im Anrollen. Ärzte und Psychologen stehen bereit.
Besuch in der Anker-Einrichtung: Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (von links) informiert sich mit Regierungspräsident Eugen Ehmann beim Leiter der Anker-Einrichtung, Benjamin Kraus, über die Unterbringung und Registrierung der Ukraine-Flüchtlinge. Im Hintergrund Schweinfurts Polizeichef Markus Hack.
Foto: Anand Anders | Besuch in der Anker-Einrichtung: Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (von links) informiert sich mit Regierungspräsident Eugen Ehmann beim Leiter der Anker-Einrichtung, Benjamin Kraus, über die Unterbringung und ...
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:06 Uhr

Der Blick in das leer geräumte Gebäude 92 in der unterfränkischen Anker-Einrichtung ist beklemmend: 150 neue Ukraine-Flüchtlinge sollen hier einziehen. Es wird ein Sondertransfer aus Kramatorsk erwartet, jener Stadt in der Ostukraine, in der am Freitagvormittag zwei Raketen am Bahnhof einschlugen. Tausende Zivilisten warteten dort auf ihre Flucht. Die Nachrichtenagenturen melden über 50 Tote, darunter auch Kinder, und zahlreiche Verletzte.

Der neue Innenstaatssekretär Sandro Kirchner besichtigt am Tag des Raketeneinschlags in Kramatorsk die Anker-Einrichtung bei Geldersheim. Der Besuch ist seit langem geplant. Der Nachfolger von Gerhard Eck im bayerischen Innenministerium will sich ein Bild machen, wie Ukraine-Flüchtlinge in der Anker-Einrichtung aufgenommen, untergebracht und registriert werden. Seit Ausbruch des Krieges ist sie zur Drehscheibe für die in Unterfranken ankommenden Flüchtlinge geworden.

Innenstaatssekretär Sandro Kirchner besichtigt ein Zimmer im Gebäude 92 der Anker-Einrichtung, das für Flüchtlinge aus dem mit Raketen beschossenen Kramatorsk hergerichtet wurde.
Foto: Anand Anders | Innenstaatssekretär Sandro Kirchner besichtigt ein Zimmer im Gebäude 92 der Anker-Einrichtung, das für Flüchtlinge aus dem mit Raketen beschossenen Kramatorsk hergerichtet wurde.

"Hoffentlich ist das kein Fingerzeig, was uns und den Menschen in der Ukraine noch bevorsteht", zeigt sich Regierungspräsident Eugen Ehmann entsetzt über die Brutalität dieses Krieges. Er begleitet Staatssekretär Kirchner beim Rundgang, der auch durch die kargen Unterkunftszimmer führt: Ein Schrank, drei Betten, ein Tisch, vier Stühle und ein Kühlschrank stehen in dem Raum.

Die Flüchtlinge aus der Ukraine bleiben hier meist nur eine Nacht, längstens eine Woche. Sie werden in der Anker-Einrichtung registriert und dann in dezentrale Unterkünfte oder Privatwohnungen gebracht. Ihre Zahl wechselt täglich. Am Freitag waren es 100, zusätzlich zu den 1000 Asylbewerbern aus anderen Ländern.

Psychologisches Team steht für die Flüchtlinge aus Kramatorsk bereit

Für die 150 Flüchtlinge aus Kramatorsk hat Anker-Leiter Benjamin Kraus besondere Vorsorge getroffen: "Wir haben unserer ärztliches und psychologisches Team alarmiert." Die Menschen werden stark traumatisiert sein. Sie hatten zwar einen Tag vor dem Raketenangriff flüchten können, aber Verwandte, Bekannte, Freunde, Nachbarn standen da noch am Bahnhof. Die ukrainische Regierung hatte die Bürger von Kramatorsk ja wegen eines erwarteten Großangriffs explizit zur Flucht aufgerufen. "Die Sorge um die Zurückgebliebenen führt zu starker psychischer Belastung", weiß Kraus.

Innenstaatssekretär Sandro Kirchner lobt den Einsatz aller Ämter, Behörden und Ehrenamtlichen bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme aus der Ukraine.
Foto: Anand Anders | Innenstaatssekretär Sandro Kirchner lobt den Einsatz aller Ämter, Behörden und Ehrenamtlichen bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme aus der Ukraine.

Das Gebäude 92 liegt etwas abgeschieden. "Hier können die Menschen erst einmal zur Ruhe kommen", sagt der Anker-Leiter. Seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine hat ein großer Zustrom mit Menschen aus dem Kriegsgebiet eingesetzt.

Die Anker-Einrichtung ist inzwischen zur Drehscheibe für die Ukraine-Flüchtlinge geworden. Tag und Nacht fahren Busse mit Flüchtlingen vor. Gerade kommt ein Bus aus Kitzingen. Die Menschen werden nicht hierbleiben, sondern werden hier nur registriert. "Wir helfen den Kolleginnen und Kollegen aus, weil wir gerade etwas Luft haben", erklärt Kraus.

Rundgang durch die Anker-Einrichtung (von links): Innenstaatssekretär Sandro Kirchner, Regierungspräsident Eugen Ehmann und Benjamin Kraus, der Leiter der Anker-Einrichtung.
Foto: Anand Anders | Rundgang durch die Anker-Einrichtung (von links): Innenstaatssekretär Sandro Kirchner, Regierungspräsident Eugen Ehmann und Benjamin Kraus, der Leiter der Anker-Einrichtung.

Vor drei Wochen sah das ganz anders aus: Die Anker-Einrichtung war Mitte März mit insgesamt 1200 Asylsuchenden voll belegt und hatte aufgrund des Zustroms an Ukraine-Flüchtlingen kurzfristig 700 zusätzliche Schlaf- und Wohnplätze schaffen müssen. 400 in stationären Wohnblocks und je 100 in drei großen Thermohallen, die auf dem weiträumigen Gelände als Materiallager stehen. Im Moment sind diese Hallen wieder leer. Doch die Situation kann sich schnell ändern.

Kinder erhalten Online-Unterricht aus der Ukraine

Es sind vor allem Mütter und viele Kinder, die aus der Ukraine flüchten. Fast die Hälfte aller Ankommenden sind im Kindergarten- oder Schulalter. "So etwas hatten wir noch nie", sagt Regierungspräsident Eugen Ehmann, das sei eine völlig ungewöhnliche Situation.

Die Anker-Leitung hat sich schnell darauf eingerichtet. Den Kindern stehen Spielmöglichkeiten im Kinderhaus und auf dem Spielplatz zur Verfügung. Die Älteren sitzen in der Unterkunft und lernen für die Schule. "Viele Schülerinnen und Schüler bekommen Online-Unterricht aus der Ukraine", weiß Anker-Leiter Kraus. Dank WLAN in den Unterkunftsgebäuden ist das möglich.

Blick in den Warteraum für die Registrierung: Innenstaatssekretär Sandro Kirchner im Ankerzentrum Geldersheim.
Foto: Anand Anders | Blick in den Warteraum für die Registrierung: Innenstaatssekretär Sandro Kirchner im Ankerzentrum Geldersheim.

Dankbar ist er für die Unterstützung von Deutsch sprechenden Erwachsenen, die bei der Registrierung dolmetschen und wichtige Informationen weitergeben. "Das hilft uns enorm." Zwei Geflüchtete aus der Ukraine erhalten jetzt sogar befristete Arbeitsverträge in der Anker-Einrichtung.

Apropos Registrierung: Vor den sechs sogenannten PIC-Stationen im Verwaltungsgebäude warten an diesem Freitagnachmittag viele Menschen. Ein Kind weint, ein anderes quengelt. Es geht nur langsam vorwärts, weil es wieder einmal technische Probleme gibt. "Meist fällt das System mittags aus", sagt eine junge Polizistin, die für einen Monat hier aushilft.

Von jedem Flüchtling werden die Fingerabdrücke genommen.
Foto: Anand Anders | Von jedem Flüchtling werden die Fingerabdrücke genommen.

Von jedem Flüchtling werden die Fingerabdrücke genommen und ein Passfoto gemacht. Dann wird ein sogenannter Ankunftsnachweis ausgestellt, mit dem die Flüchtlinge Behördengänge erledigen können. "Wenn's gut läuft, dauert das 15 Minuten", sagt die Polizistin. Bei Systemproblemen aber könne sich die Registrierung schon mal über eine Stunde lang hinziehen.

Bayerische Polizei unterstützt bei der Registrierung von Flüchtlingen

"Es ist unbestritten, dass es für alle Ämter und Behörden ein immenser Kraftakt ist, die schiere Größe des Fluchtgeschehens zu bewältigen", sagt Innenstaatssekretär Kirchner. Um die Registrierung zu beschleunigen, unterstütze deshalb auch die Bayerische Polizei die Regierungen und Ausländerbehörden mit Personal. Kirchner betont, wie wichtig die Registrierung sei. Nicht nur für die Behörden, sondern auch zum Schutz der Geflüchteten. "Wir müssen vermeiden, dass Schleuser, Menschenhändler oder andere Straftäter die Situation insgesamt ausnutzen."

Um die Registrierung der Flüchtlinge aus der Ukraine zu beschleunigen, unterstützen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Polizei die Regierung und Ausländerbehörden. Im Bild Innenstaatssekretär Sandro Kirchner im Gespräch mit einer Beamtin bei seinem Besuch in der Anker-Einrichtung bei Geldersheim.
Foto: Anand Anders | Um die Registrierung der Flüchtlinge aus der Ukraine zu beschleunigen, unterstützen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Polizei die Regierung und Ausländerbehörden.

Kirchner lobt den Einsatz aller Beteiligten: "Staat und Gesellschaft tun Hand in Hand alles Menschenmögliche, um die Kriegsflüchtlinge bestmöglich zu unterstützen." Sein Eindruck: "Der Anker ist eng beim Menschen."

 
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