Nach 46 Jahren schließt Sylvia Müller ihre Kosmetikpraxis in der Friedrichstraße in Schweinfurt. Zuerst als Drogistin, dann als medizinische Fachkosmetikerin tätig, kennt Müller die meisten ihrer Kunden schon seit mehreren Jahrzehnten. Ihre Kunden kommen nicht nur wegen Kosmetika zu ihr, sondern auch für spezielle Behandlungen, wie medizinische Fußpflege bei Diabetes oder für Begleitbehandlungen während einer Chemotherapie. Die Kosmetikpraxis sei nicht nur für Müllers Kunden ein Ort zum Wohlfühlen, sondern auch für die Schweinfurterin selbst. "Das ist immer ein Ort gewesen, der mich aufgefangen hat", sagt sie. Noch bis Oktober ist der Laden geöffnet.
Bevor sie sich mit ihrer Kosmetikpraxis selbstständig machte, absolvierte Müller die Ausbildung zur Drogistin und arbeitete danach in der "Marien-Drogerie" ihrer Familie. Die Drogerien seien damals ganz anders gewesen als heute, berichtet Müller, beispielsweise in Bezug auf Tee. "Damals gab es die Produkte offen, die hat man lose verkauft und abgewogen." Das Sortiment des Familienbetriebs, welches 1958 gegründet wurde, sei breit aufgestellt gewesen. Egal ob Reinzuchthefe für Winzer aus der Region, Babynahrung oder Kosmetik –"Das alles war bei uns vorhanden."
Für die jetzt 68-Jährige sei es bereits als Schulkind ein Traum gewesen, die Freizeit im Laden der Eltern in der Bauerngasse zu verbringen. "Ich bin da reingeboren worden", sagt Müller. "Da stand für mich im Vordergrund, dass ich den Beruf dann auch ergreifen werde." Nach ihrem Schulabschluss machte Müller in Bad Kissingen die Ausbildung zur Fachdrogistin. 100 Deutsche Mark bekam sie im ersten Lehrjahr, berichtet sie. Trotz der täglichen zwei Stunden Pendelzeit mit der "Bimmelbahn", hat ihr die Ausbildung Spaß gemacht.
Ausbildung zur Kosmetikerin
Botanik ist damals ihr Lieblingsfach gewesen, berichtet sie. "Das war mein Steckenpferd." Für die Zulassung zur Drogistenprüfung musste sie ein Herbarium anlegen. Über 150 Heilpflanzen sammelte sie damals dafür, erinnert sie sich, um alle Details zu den Gewächsen auswendig zu lernen.
Danach arbeitete Müller einige Zeit als Drogistin im Familienbetrieb der Eltern, bis sie sich entschloss eine Berufsfachschule für Kosmetik und medizinische Fußpflege in München zu besuchen. 1972 wagte Müller dann den Sprung ins kalte Wasser und eröffnete in den Geschäftsräumen der zweiten Familiendrogerie am Hochfeld ihre eigene Kosmetikpraxis.
"Das war ein sehr schöner Start", berichtet sie. Bereits vor der Eröffnung ihrer Kosmetikpraxis hätten Müllers Eltern deren Kundschaft auf den neuen Salon hingewiesen. "Da musste ich dann nicht groß die Werbetrommel rühren", erzählt die medizinische Fachkosmetikerin. "Die meisten Kunden kannten mich schon aus der Drogerie." Die Kenntnisse aus der Drogistenausbildung hätten ihr auch in den Jahren danach als Kosmetikerin weitergeholfen. "Dadurch konnte ich viele Rezepturen von Kosmetika nachvollziehen und meinen Kunden genaueres dazu sagen."
Konkurrenz durch Drogerieketten
Über zehn Jahre bestanden Drogerie samt Kosmetikpraxis am Hochfeld. Doch dann bekam das Geschäft der Eltern Konkurrenz durch die Drogerieketten, erinnert sich Müller. "Von ursprünglich 17 Drogerien in Schweinfurt blieben am Ende nur zwei übrig. Das ging dann Schlag auf Schlag." Mit Schließung der Drogerie am Hochfeld zog es auch Müller zurück zum Ursprung – zur Drogerie in die Bauerngasse. Bis zur Schließung des Geschäfts 1985 durch den Ruhestand ihrer Eltern, führte Müller ihre Kosmetikpraxis im Hauptgeschäft weiter.
Zwei Jahre dauerte es danach, bis Müller neue Geschäftsräume fand und im Februar 1987 ihren Laden in der Friedrichstraße eröffnete. "Mir sind viele Kunden aus Hochfeld-Zeiten treu geblieben", erzählt sie, "die die Umzüge in die Bauerngasse und die Friedrichstraße miterlebt haben." Im Laufe der Jahre sind enge Beziehungen zu den Kunden entstanden. "Das wird mir extrem fehlen."
Geschäftsschließung im Oktober
Im Oktober wird Sylvia Müller nach 46 Jahren in ihrer Kosmetikpraxis das letzte Mal die Ladentüre hinter sich zu ziehen. Einen fixen Termin gibt es aber noch nicht. Der Gedanke an die Schließung des Ladens schmerze sie. "Das tut einfach weh, keine Frage. Das ist schon ein schwerer Schritt." Trotzdem ist die 68-Jährige zufrieden. "Ich würde alles wieder so machen, ich würde genau diesen Weg wieder gehen", ist sie überzeugt. "Und das finde ich sehr schön, denn das ist nicht jedem vergönnt."
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