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SCHWEINFURT
Motivationstrainer Höller: Zurück auf großer Bühne
Der Schweinfurter Jürgen Höller füllt mit seinen Seminaren und Power Days wieder die Hallen.
Foto: Jürgen Höller Akademy | Der Schweinfurter Jürgen Höller füllt mit seinen Seminaren und Power Days wieder die Hallen.
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:56 Uhr

Jürgen Höller lässt den Reporter ein wenig warten. Zeit fürs Studium der Ahnenwand. Höller neben den Fußballern Mario Götze, Paul Breitner, Matthias Sammer, Hasan Salihamidzic, Robert Lewandowski. Es gibt auch gemeinsame Bilder mit Starkoch Alfons Schuhbeck, dem britischen Milliardär und Ballonfahrer Richard Branson, dem Boxer Henry Maske oder Komiker Olaf Schubert. Fünf Meter Stars mit dem Motivator.

Dann kommt der Mann, der einmal Fußballtrainer Christoph Daum über Scherben laufen ließ. Weiße Hose, blaues Hemd, ganz sportlich. Er lächelt, noch ein wenig angestrengt, der Händedruck ist fest. Die vielen Fußballer an der Wand sind leicht erklärt: Er ist Fußballanhänger, hat Klubs wie Daums Bayer Leverkusen motiviert, um das Vizekusen-Image loszuwerden. Hat nicht geklappt. Die vielen München-Spieler an der Wand erklärt der 52-Jährige so: „Ich bin Bayern-Fan.“ Im VIP-Raum in München trifft man sich halt.

Letzte Begegnung im Gerichtssaal

Höller und der Autor kennen sich lange. Als er noch die „größten Hallen im deutschsprachigen Raum“ füllte, schrieb der Reporter über seine Erfolge. Später sorgten die Recherchen des Autors über Höllers Plan Ende der 1990er, mit Aktien reich zu werden, mit dafür, dass der selbst ernannte Adler abstürzte. Die letzte Begegnung war im Gerichtssaal im April 2003, als Höller wegen Untreue, vorsätzlichem Bankrott und falscher Versicherung an Eides statt zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Höller steht längst wieder auf der Motivationsbühne, ist erfolgreich zurückgekehrt. Er hat seine Millionenschulden zurückgezahlt, sagt er, verdient wieder so gut, dass er eine Stiftung gegründet hat, die vornehmlich in Afrika hilft. Das ist der Anlass fürs Wiedersehen nach 13 Jahren.

Mit 16 beginnt Höller eine Ausbildung zum Speditionskaufmann. Eigentlich will er Abitur machen, aber er sei „ein wenig lernfaul gewesen“, sagt er einmal. Mit 19 kauft er sein erstes Fitnessstudio, mit 21 das vierte und verliert den Überblick. Er scheitert das erste Mal, ist pleite, eine Million Mark Schulden.

Höller macht sich zur Marke

Die Lektüre von Motivationsbüchern hilft ihm aus der Krise. Er setzt wieder auf Fitnessstudios, betätigt sich auch als Unternehmensberater, 1993 erscheint sein erstes Buch: „Sicher zum Spitzenerfolg“. Ab jetzt vermarktet sich der Bestseller-Autor nur noch als Motivationstrainer. Jürgen Höller ist jetzt ein Produkt, ein Star.

Er verliert aber erneut den Überblick. Höller verkündet Anfang 2000 einen Börsengang seiner Firma Inline AG. Analysten sollen sein Unternehmen auf einen Wert von bis zu 550 Millionen DM, 270 Millionen Euro geschätzt haben. Aus dem Börsengang wird nichts und in der Folge auch nichts aus seinen Träumen, oder besser seiner Großspurigkeit.

Im Schweinfurter Industriepark Maintal in der Amsterdamstraße sollte sein neues Imperium auf einem 10.000 Quadratmeter großen Areal mit Motivations- und Seminarräumen und einer Lagerstätte für seine vielen Bücher und Kassetten entstehen. Der Motivationstrainer wollte bis spätestens 2010 Vorstand von Schweinfurts größter Firma sein. Das war damals Sachs mit 6000 Mitarbeitern. Er selbst beschäftigte zu diesem Zeitpunkt 120 Menschen.

Der Blick für die Realität geht verloren

Höller hatte den Blick für die Realität verloren. Das weiß er und er sagt es heute auch. „Ich war im Geldrausch, habe die Bodenhaftung verloren.“ Alles war eben nicht möglich. Im November 2002 wird er verhaftet, sechs Monate später verurteilt. Vor dem Knast hatte er „unglaubliche Angst“, vor allem, weil er seine Familie, Frau, zwei Söhne, zurücklassen musste.

„Im Gefängnis erlebt man alles“, Mithäftlinge, die ihm gegenüber aggressiv gewesen seien. Höller vermutet als Grund seinen Promi-Status. Es gab aber auch Mitgefangene, die den Kontakt gesucht hätten, weil „ich in den Medien, für sie vielleicht was Besonderes war“. Wärter ließen sich seine Bücher signieren.

Nach einem Jahr wird Höller Freigänger. Er ist jedes zweite Wochenende zu Hause. Nach der Hälfte der Strafe kommt er wegen guter Führung raus. „Der 1. Mai 2004 war mein erster freier Tag“, sagt er. Das Datum vergisst er nie. Schon 14 Tage später steht er wieder auf der Bühne, als Referent im österreichischen Saalfelden vor 150 Leuten.

Panik vor dem ersten Auftritt nach dem Absturz

Als er angekündigt wird, „habe ich wie Espenlaub gezittert“, erinnert er sich. Er wusste ja nicht: „Werde ich ausgepfiffen? Sind die Leute neutral? Das war mein schwerster Auftritt“, sagt er rückblickend. Obwohl er damals Applaus erhielt, viele sogar aufgestanden seien, weil er wie geplant seine Geschichte erzählt und vor allem seine Fehler eingesteht.

Höller hatte 2004 hohe Schulden, annähernd sieben Millionen Euro. „Ich musste Geld verdienen“. Seine Frau hatte mit der Firma Live Learning weitergemacht. Anfangs war Höller wegen der Bewährungsauflagen ihr Angestellter. Die Anlaufschwierigkeiten nach seiner Rückkehr seien enorm gewesen. „Wir haben damals keinen Handyvertrag bekommen, hatten Monate keinen Kopierer“, nennt er Beispiele für Ablehnungen.

Mit Höller, einst umringt von der High Society, wollte niemand mehr was zu tun haben. „Die ersten, die weg waren, das waren die Promifreunde“. Er lacht dabei, als wollte er sagen: Ja, das habe ich als Erfahrung auch gelernt. Dann fällt ihm noch ein, dass ein Promi seine Frau mal anrief, als er im Knast saß: Udo Jürgens.

Ein paar Freund helfen ihm finanziell wieder auf die Beine

Ein paar enge Freunde leihen ihm Geld, die wichtigsten Gläubiger verzichten nach langwierigen Verhandlungen auf rund drei Millionen Euro. „Dafür bin ich dankbar, ohne den Verzicht wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt er. Eingefädelt hatte den Deal sein Schweinfurter Rechtsanwalt Jürgen Scholl. Beim Gespräch sitzt er dabei. Aber er mischt sich nicht ein. Nur einmal am Ende meldet er sich zu Wort, als er Höllers Entscheidung lobt, dass er in Schweinfurt, in Deutschland geblieben ist, obwohl er „sein Geschäft auf der ganzen Welt betreiben könnte“. Schweinfurt habe er nach dem Knast nicht verlassen, „weil ich ein bisschen Masochist bin“, lacht Höller und sagt ganz ernst weiter: „Das ist meine Heimat.“ Er hätte auch ins Ausland gehen können, aber „Deutschland ist ein tolerantes Land und wenn wir das weiter so wollen, müssen wir auch unsere Steuern hier zahlen“.

Am 1. Januar 2013 gründet der Motivator die „Jürgen Höller Academy“. Sitz Schweinfurt Hafen Ost. Er firmiert jetzt nicht mehr unter Live Learning, ist in der KG wieder persönlich haftender Gesellschafter, Geschäftsführer, der Boss. „Auftreten! Reden! Begeistern!“, „Umsatz-Explosion“, ,„Management und Führung“ heißen die Mehrtagesseminare. Die „Power-Days“ gibt's auch noch. Zwei Tage für 1679,75 Euro.

Wer sind die Seminarteilnehmer? Viele Kleinunternehmen buchen, Verkäufer, Autohausbesitzer, Hotelbetreiber. Beim kleinsten Seminar motiviert Höller 120 Leute. Bei den letzten Power-Days im Congress Centrum in Würzburg kürzlich waren es 1600, in Hannover vor zwei Monaten 4000.

Jürgen Höller bietet vornehmlich in Interlaken in der Schweiz, im österreichischen Mayrhofen und in Schweinfurt an, dem „Hauptveranstaltungsort“. Die Seminare finden im Konferenzzentrum auf der Maininsel statt. 2016 gab es elf Veranstaltungen mit insgesamt 33 Seminartagen. In der Summe waren das rund 5000 Teilnehmer, bei drei Übernachtungen ein Wirtschaftsfaktor auch für die Heimatstadt, rechnet Höller vor. 15 Seminare mit 45 Seminartagen sind 2017 geplant. Die Gäste ließen schließlich auch in der Stadt einige Euro. Höller ist es trotz seines ruinierten Rufs gelungen, sich wieder zu etablieren.

Viele der Teilnehmer kennen seine Geschichte mittlerweile nicht mehr. Wenn sie heimreisen, wissen sie Bescheid. Er habe sich überlegt, sagt Höller, seine Pleite wegzulassen nach dem Motto: Wer erzählt schon gerne seine Fehler. Er habe sich aber anders entschieden, „weil das bei mir dazugehört, das macht mich auch glaubwürdig“. Als öffentliche Person, die er nun einmal sei, „kann ich das ohnehin nicht verschweigen“. Letztlich zeige seine Geschichte aber auch die Leistung: Er hat es wieder geschafft. Und sie sei die wichtige Botschaft, dass jeder eine zweite Chance verdient.

Geschockt von Eindrücken im Armenviertel

2012 reist Höller mit seiner Frau nach Nairobi. Der Gastgeber zeigt das Armenviertel Kibera in der keniatischen Stadt. „Das hat mich fertiggemacht“, sagt er. Er will helfen. Geld hat er ja wieder. 2013 wird die Jürgen-Höller-Stiftung gegründet, die sich zur Aufgabe macht, in Bildung zu investieren und Schulen in Afrika zu bauen.

2014 unterzeichnet die Stiftung einen Vertrag mit der Welthungerhilfe und stellt seither fast 600 000 Euro für insgesamt fünf Schulprojekte auch an anderen Standorten in Uganda und Kenia zur Verfügung. Der renommierte Partner Welthungerhilfe sei wichtig, sagt Höller unter Hinweis auf seine Lebensgeschichte. Und sein Rechtsanwalt ergänzt, dass diese Liaison „ein entscheidender Aspekt ist, weil die Welthungerhilfe die Erfahrung hat“.

Schulen-Bauer Höller

Erst kürzlich hat Höller mit Familie Kibera erneut besucht, wo eine Grundschule schon steht. Zur Zeit werden zwei weitere Schulgebäude gebaut, die bis Jahresende fertiggestellt sind. Besonderheit: Die sanitären Anlagen sind am Eingangsbereich untergebracht. Wenn die Schule am Wochenende oder in den Ferien geschlossen ist, werden die Toiletten und Duschen öffentlich zugänglich gemacht.

Jürgen Höller sagt am Ende des Gesprächs, dass es ihm wieder gut geht. „Immer wieder aufstehen“, lautet der Titel des im Knast geschriebenen Buches, das sich 20 000-mal verkauft hat. Ja, er sei ein zweites Mal aufgestanden. „Es klappt, Karriere ist wichtig, ich habe aber auch gelernt, dass es mehr gibt als Karriere und Geld.“ Er genieße mittlerweile auch das Leben, sagt er und verrät, dass dazu neuerdings auch Ausflüge mit dem Motorrad gehören. Eine Harley. Vor der Tür steht auch ein dunkler BMW mit den Initialen SW-JH. Früher musste es ein roter Ferrari sein.

Zum Gespräch erscheint Jürgen Höller (links) mit seinem Anwalt Jürgen Scholl. Hinter den beiden eine Galerie mit Prominentenfotos.
Foto: Hannes Helferich | Zum Gespräch erscheint Jürgen Höller (links) mit seinem Anwalt Jürgen Scholl. Hinter den beiden eine Galerie mit Prominentenfotos.
 
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Kommentare
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  • D. H.
    Ich kann dem Kommentar von hartwig.schweinfurt nur zustimmen. Eine Schande, dass solche Leute in der von uns mitfinanzierten Zeitung noch hofiert werden!!! Wer denkt eigentlich an die "Opfer" von Herrn Höller??? Vielleicht sollte man die auch wieder mal zu Wort kommen lassen.
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  • D. H.
    Anstatt dieses Artikels sollte man mal im Handelsblatt- auch online - nachlesen:
    OTIVATIONSCOACHING IM BERUF.

    Eine solchen kritischen Bericht hätte ich mir von der Mainpost mal erwartet
    Jürgen Höller – das Auf und Ab eines Gurus
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  • D. H.
    Wenn andere Gläubiger auf über 3 Millionen Euro verzichten nennt man das Erfolg.
    Klasse Erfolg auf Kosten anderer. Und so was bringen Sie noch als Artikel mit einem sehr postivien Unterton über die Leistungen des Herrn Höller. Hat die Mainpost kostenlose Seminarplätze erhalten oder warum dieser Werbeartikel?
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  • w. k.
    Höller kassiert immer noch Geld für so einen********
    Die Bekloppten sterben nicht aus
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  • U. H.
    Für zwei Tage 1680,- Euro? Liegt hier womöglich ein Schreibfehler vor? Das sollte doch wohl eher Power P A Y Days heißen. Also mich demotiviert das total solch eine Veranstaltungen jemals zu besuchen.
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  • A. F.
    Nur Scientology mit seinen Auditing und OT-Kursen ist noch teurer ...
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  • M. G.
    "Mache mit Dem der mit Dir will, mich erreichst du nicht"!
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