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Der vorläufig letzte große Auftritt von Jürgen Höller
Würzburg/Schweinfurt - Wegen Untreue, vorsätzlichen Bankrotts und falscher Versicherung an Eides Statt hat die Fünfte Strafkammer des Würzburger Landgerichts den Schweinfurter Motivationstrainer Jürgen Höller (39) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Von unseren Redaktionsmitgliedern Gisela Schmidt und Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 17.10.2017 19:37 Uhr
Kerstin Höller, gehört zu den Ersten. Mit Freunden und Angehörigen steht die Frau von Jürgen Höller schon um acht Uhr vor dem noch verschlossenen Schwurgerichtssaal des Würzburger Landgerichts. Ihr Mann wird erst eine Stunde später gebracht: Mit einem Polizeiwagen aus der JVA Würzburg.

Auf den einstigen Medienliebling wartet ein Troß von Journalisten. Fünf Fernsehsender sind präsent, vier Radiostationen und zahlreiche Fotografen. Von der schreibenden Zunft ist von seriös bis Boulevard alles vertreten.

Höller wirkt ernst und gefasst. Seiner Frau, die kurz vor Verhandlungsbeginn ein paar Tränen vergossen hatte, kehrt er zunächst den Rücken. Dafür posiert er, von seinem Verteidiger Sven Oberhof (Nürnberg) dazu animiert, für die Kameraleute - bis die Vorsitzende der Fünften Strafkammer, Dr. Irene Singer, die Verhandlung eröffnet.

Der Prozess ist, wie erwartet, kurz. Gleich zu Beginn gibt Staatsanwalt Dr. Reinhold Emmert bekannt, dass seine Behörde und Höllers Verteidigung "Gespräche geführt" haben. Ergebnis: Gesteht Höller, beantragt die Anklage dreieinhalb Jahre, würde sich aber auch mit drei Jahren zufrieden geben. Höllers Anwalt findet zwar zweieinhalb Jahre angemessen, wäre aber auch mit drei Jahren zufrieden. Das ist eine vom Bundesgerichtshof abgesegnete Verfahrensweise.

Der Angeklagte ist geständig. Er wäre aber nicht Höller, wenn ihm eine Erklärung seines Verteidigers reichen würde. Höller will "etwas Grundsätzliches sagen". Und das klingt so: "Ich habe Fehler gemacht. Ich bereue bitter. Ich büße hart."

Schon bevor er verurteilt ist, fühlt sich der Motivationsguru "dreifach bestraft": Von der Justiz, durch den Verlust seines Rufs und durch den Schmerz, den seine "Familie erleiden muss". Das Gericht bittet er, ihm "die Möglichkeit eines Neuanfangs zu schaffen". Und "die Menschen, die ihr Geld verloren haben", tun ihm "sehr leid".

Insgesamt sind es rund 300. Ihr Geld haben sie verloren, weil sie an Höllers Börsengang geglaubt und 2,5 Millionen Euro in seine 1999 gegründete Inline-Motivations-AG investiert haben. Als der Traum von der Geldvermehrung 2001 platzte, forderten ein paar Anleger ihr Geld zurück. Der Rest ließ sich auf den Vorschlag ein, diese Gelder in die 2000 gegründete Höller-Vermögensverwaltungs GmbH fließen zu lassen. Gesellschafter dieses Unternehmens: Jürgen Höller zu 94, sein sechsjähriger Sohn zu sechs Prozent.

Anfang 2002 war die GmbH ebenso Pleite wie die AG. Bevor Höller allerdings Insolvenzantrag stellte, überwies er sich rund 750 000 Euro. Weitere 148 000 Euro gingen auf Grund einer Scheinrechnung an die Firma seines Schwagers im Taunus.

Höller, der einen aufwändigen Lebensstil pflegte, war in Finanznöten. Die Villa in Schwebheim (Lkr. Schweinfurt), die inzwischen vor der Zwangsversteigerung steht, ein paar andere Immobilien und der luxuriöse Fuhrpark wollten finanziert sein. Was der Motivationsguru brauchte, war mehr, als was er verdiente. "Sein monatlicher Geldbedarf überstieg die laufenden Einkünfte" um rund 7000 Euro, sagt Staatsanwalt Emmert.

Am 3. September 2002 leistete Höller am Amtsgericht Schweinfurt den Offenbarungseid und gab an, nur noch 155 Euro Bargeld zu haben. Das stimmte allerdings nicht so ganz. Die Kripo fand weitere 65 000 Euro. Und dann waren da auch noch angebliche Abtretungen, Verpfändungen und Darlehensrückzahlungen an Angehörige und ihnen verbundene Firmen. Ziel der Aktion: Sobald Ruhe eingekehrt ist, sollte Höller dieses Geld, an seinen Gläubigern vorbei, zurück bekommen.

"Ich hatte vielleicht ein wenig die Bodenhaftung verloren", sagt Jürgen Höller vor Gericht. Der 39-Jährige stammt aus einfachen Verhältnissen und hat Speditionskaufmann gelernt. Eigentlich wollte er Abitur machen. Allerdings musste er nach drei Schuljahren das Gymnasium verlassen. "Ich war ein bisschen lernfaul", sagt der Angeklagte. "Da hat's wohl an der Motivation gefehlt", sagt die Vorsitzende Richterin.

Mit 19 kaufte Höller sein erstes Fitneß-Studio, mit 21 das vierte - und verlor den Überblick. Die Lektüre von Motivations-Büchern half ihm aus der Krise. "Das war der Beginn meines autobiografischen Selbst-Lernens", sagt der gelernte Speditionskaufmann. Gemeint hat er natürlich "autodidaktischen". Aber Jürgen Höller ist halt nervös, wenn er statt auf der Bühne vor Gericht steht.

Von nun baute er nicht nur Fitneß-Studios auf, sondern betätigte sich auch als Unternehmensberater. 1993 erschien Höllers erstes Buch "Sicher zum Spitzenerfolg". Ab jetzt vermarktete sich der Bestseller-Autor nur noch als Motivationstrainer. Jürgen Höller war jetzt ein Produkt. Es gab Höller-Seminare, Höller-Bücher-, Höller-Videos, Höller-CDs.

Er leistet sich teure Berater, die ihn, so Anwalt Oberhof in seinem Plädoyer, "Millionen kosten". Ihr Ziel sei allerdings weniger Höllers Wohl gewesen. "Sie wollten mit ihm Geld verdienen." Der Motivationsguru war inzwischen nämlich zum Star avanciert. "Die Medien haben ihn hochgejubelt", sagt der Verteidiger. Und nach seinem "rasanten, schmerzhaften Absturz" hätten sie "kübelweise Hohn und Spott über ihn und seine Familie geschüttet".

Der Anwalt plädiert nicht an das Gericht. Er hat nur die Presse im Blick. Höller, die Beine übereinander geschlagen, die Hände im Schoß gefaltet, hängt an seinen Lippen.

Staatsanwalt Emmert ist sachlicher. Er lobt die Arbeit der Polizei, die Schweizer Bank, die einen Hinweis auf Höllers bis dato unbekanntes Konto gegeben hatte, und die Kooperation des Angeklagten bei den Ermittlungen. Er wundert sich aber auch über Höllers Dreistigkeit, der nicht nur bei seinem Offenbarungseid "wesentliche Vermögenswerte verschwieg", sondern auch noch weit über 140 000 Euro an seinen Schwager verschob, während bereits gegen ihn ermittelt wurde.

Für die Urteilsberatung braucht das Gericht eine Dreiviertelstunde. Um 1230 Uhr verurteilt die Fünfte Strafkammer Jürgen Höller zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Ohne Geständnis wären es mehr geworden. "Was Sie getan haben, war kein Kavaliersdelikt", sagt Irene Singer zu dem Angeklagten, aber wir nehmen Ihnen ab, dass Sie Ihre Taten bereuen".

Nach der Urteilsverkündung stürmt Kerstin Höller, vorher von ihrer Verwandtschaft abgeschirmt, zu ihrem Mann. Die Umarmung findet publikumswirksam vor laufenden Kameras statt. "Meine Familie hat mit meinen Straftaten nichts zu tun", hatte Höller in seinem letzten Wort gesagt. Die Vorsitzende Richterin allerdings hat von Strafverfahren gegen Höllers Familienmitglieder gesprochen. Es soll dabei auch um die offensichtlich fingierten Darlehensrückzahlungen gehen, die sie von Höller bekommen haben.

 
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