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Gerolzhofen
Morbus Crohn: Die schmerzhafte Darm-Erkrankung wird eine 16-Jährige ihr Leben lang begleiten
Seit ihrer frühen Kindheit leidet eine Jugendliche aus dem Raum Gerolzhofen an Bauch- und Gelenkschmerzen. Heute kann sie zwar zur Schule gehen. Doch ihr Alltag ist oft eine Qual.
Anna Schmitt ist 16 Jahre alt. Die Jugendliche aus einer Gerolzhöfer Umlandgemeinde leidet seit ihrer Kindheit an Morbus Crohn.
Foto: Lea Sauer | Anna Schmitt ist 16 Jahre alt. Die Jugendliche aus einer Gerolzhöfer Umlandgemeinde leidet seit ihrer Kindheit an Morbus Crohn.
Lea Sauer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:37 Uhr

Es ist Montagmorgen, die Schulflure füllen sich. Immer mehr Schüler eilen gestresst von den Bussen in ihre Klassenzimmer. So auch Anna Schmitt. Sie trägt eine dunkle, weite Hose, einen grauen Kapuzenpulli und schwere schwarze Boots. Ihre Haare rappelkurz. Stöhnend steigt sie die vielen Treppenstufen zum Klassenzimmer hoch. "Es sind immer so viele Stufen! Danach tun mir meine Knie noch mehr weh", sagt die 16-Jährige.

Als Kind schon unerklärliche Bauchschmerzen

Bereits in der frühen Kindheit litt sie an unerklärlichen Bauch- und Gelenkschmerzen. Später schwollen ihre Körperglieder an. Sie konnte sich nicht bewegen, geschweige denn laufen. Jahrelang schwebte Annas Familie im Dunkeln. Im Mai 2022 dann endlich eine Diagnose: Morbus Crohn.

Morbus Crohn ist eine chronische Darmkrankheit, wobei Entzündungen im Magen-Darm-Trakt entstehen. Die meisten Betroffenen leiden unter Blähungen und Verstopfungen. Nicht nur der Darm, sondern auch andere Organe sowie Gelenke können sich in seltenen Fällen entzünden. Einer dieser seltenen Fälle ist Anna. Ihre Knie-, Hand- und Fußgelenke schwellen an. Manchmal auch die Ellenbogen. Sie leidet an starken rheumatischen Schmerzen.

Sehnsucht nach einem normalen Schulalltag

Die Jugendliche lebt in einer Gemeinde im Umland von Gerolzhofen und besucht eine Schule in der Gegend. Heute spaziert Anna ins Klassenzimmer. Sie begrüßt lachend ihre Mitschülerinnen und Mitschüler und kramt ihre Schulsachen aus ihrem Ranzen heraus. In den ersten beiden Stunden steht Mathe auf dem Plan. Ein Albtraum für viele. Nicht aber für Anna. Noch vor vier Jahren wünschte sie sich nichts sehnlicher als in den Schulalltag zurückkehren zu können.

Das Bild zeigt Anna Schmitt im Alter von zwölf Jahren. Damals hatte das Mädchen so starke Schmerzen, dass sie nicht mehr in die Schule gehen konnte.
Foto: Sylvia Schmitt | Das Bild zeigt Anna Schmitt im Alter von zwölf Jahren. Damals hatte das Mädchen so starke Schmerzen, dass sie nicht mehr in die Schule gehen konnte.

Es war im Jahr 2018. Das Schuljahr hatte gerade gestartet und alle sahen sich nach den langen Ferien wieder. Anna fehlte. Sie lag, von Kummer und Leid gezeichnet, zuhause. Sie trug ihren alten rosa Schlafanzug. Das Bild, das sie ihrer Familie bot, war entsetzlich. Ihr Haar ein Vogelnest. Ihre Fingernägel waren seit Monaten nicht geschnitten. Das lkag nicht daran, dass sie zu faul gewesen wäre. "Ich hatte so starke Schmerzen, dass ich mich zum Teil nicht mehr artikulieren konnte", sagt sie.

Mit zwölf Jahren schwollen bei ihr sämtliche Gelenke so stark an, dass sie sich nicht bewegen konnte. Laufen? Nicht möglich. Eine Gabel halten? Nicht möglich. Ihre Eltern trugen sie durchs Haus und fütterten sie. Nach drei Monaten endlich Besserung. Sie kehrte an die Schule zurück. Keiner ahnte damals, dass sie bereits zwei Monate später wieder schmerzerfüllt im Bett liegen würde. Am Ende des Schuljahres hat Anna 120 Fehltage. An etwa 190 Tagen hätte sie eigentlich zur Schule gehen müssen.

Manche Krankheitsschübe halten wochenlang an

Seitdem leidet sie immer wieder an Schüben. Manche dauern wenige Tage, andere mehrere Wochen. Sie ist froh, jetzt hier im Mathe-Unterricht zu sitzen. Schule ist aber immer noch eine Herausforderung für sie. "Ich habe nicht die Energie, die Schule jeden Tag zu bewältigen. Wenn ich nachmittags nach Hause komme, dann muss ich mich erstmal hinlegen. Zum Abendessen stehe ich meistens nochmal auf", berichtet sie.

Dann versuche sie, wieder zu schlafen. Doch meistens gelingt ihr das erst nachts um drei. "Täglich habe ich nicht mehr Schlaf als vier bis fünf Stunden", sagt Anna Schmitt. "Am nächsten Tag bin ich müde." Am Wochenende sei sie dann total kaputt und schlafe samstags schlafe zwölf Stunden. "Schulsachen mache ich da nicht. Das schaffe ich nicht. Erst am Sonntagabend kann ich versuchen zu lernen."

Die Ergotherapie soll Anna helfen, die Schmerzen in den Handgelenken zu reduzieren.
Foto: Lea Sauer | Die Ergotherapie soll Anna helfen, die Schmerzen in den Handgelenken zu reduzieren.

In eineinhalb Jahren wird sie ihr Abitur schreiben. Wie es danach weitergehen soll, weiß sie noch nicht. Sie denkt oft über ihre Zukunft nach. So auch jetzt. Ihr Blick wandert zum Tisch. Ihre Stimme senkt sich. "Eigentlich war es mein Traum, Tierärztin zu werden, aber das funktioniert nicht, da ich in meiner Bewegung und Dynamik zu sehr eingeschränkt bin." Sie überlegt, später vielleicht ein Fernstudium zu machen. Aber sie hat Angst. Angst davor, wieder bewegungsunfähig zuhause zu sitzen und auf die Hilfe der Eltern angewiesen zu sein.

Behandlungen bestimmen den Terminkalender

Die Schulglocke klingelt. Die Schülerinnen und Schüler stürmen aus dem Klassenzimmer. "Endlich geht es heim", jubeln sie. Für Anna nicht. Ihr Kalender ist voll: Termine beim Hausarzt, Rheumatologen, Gastroenterologen, Ernährungstherapie, Osteopathie, hin und wieder stationäre Aufenthalte im Krankenhaus. Jetzt kommt wöchentlich ein bis drei Mal Ergotherapie hinzu.

Heute ist dort ihr erster Termin. Das Ziel? Die Beweglichkeit ihrer Handgelenke zu verbessern. Sie betritt einen kleinen Raum. Der Geruch von Wachs und Teelichtern liegt in der Luft. Der Therapeut betritt den Raum und setzt sich gegenüber von Anna auf einen Stuhl. Er betrachtet ihre Hände und beginnt sie zu massieren. Er mustert sie und fragt: "Wie kann ich dir helfen?" Anna erzählt ihre Geschichte. Seine Reaktion: "Ach du Schande!"

 
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