
Mohammed Ghadab hatte in Damaskus eine eigene Schneiderei mit 17 Angestellten. Sein Geschäft lief gut, bis eine Bombe alles zerstörte. Fünf Jahre ist es nun schon her, dass der junge Syrer mit seiner Ehefrau Rawaa vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland geflüchtet ist. Nur das Nötigste hatten sie damals ins Auto gepackt und sich auf den gefährlichen Landweg über die Türkei in Richtung Europa gemacht. Mit dabei war Schwägerin Amina mit ihren zwei kleinen Kindern. Bei Schärding überquerten die Fünf die Grenze, kamen in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften in Bayern und Baden Württemberg unter, bis sie ihre Anerkennung hatten und eine Wohnung in Sennfeld fanden. Das war im Sommer 2015.

Heute betreiben Rawaa und Mohammed ihr eigenes kleines Restaurant in Schweinfurt, in bester Lage nahe dem Busbahnhof am Roßmarkt. Am 19. Dezember, mitten im Lockdown, haben sie "Yalla Yalla" eröffnet. "Yalla Yalla" heißt so viel wie "Hopp, Hopp" und ist gerade jetzt Programm. Denn vorläufig gibt es nur Essen zum Mitnehmen, das Restaurant mit seinen 35 Sitzplätzen muss wegen der Pandemie noch geschlossen bleiben. Eigentlich sollte es "Schawarma" heißen. Das ist die Spezialität des Hauses, ein mit gegrilltem Hähnchenfleisch belegter Fladen, sozusagen der arabische Bruder des Döner. Weil das für Deutsche nicht so leicht auszusprechen ist, prangt "Yalla Yalla" in großen Lettern über der Eingangstür.

Rawaa ist die Küchenchefin. In Damaskus war sie Köchin in einem Restaurant und später in einem Krankenhaus. "Ich liebe das Kochen", sagt die 30-Jährige. Sie hat auch die Speisekarte zusammengestellt. Darauf finden sich neben so bekannten arabischen Gerichten wie Baba Ghanoush, Hummus oder Falafel auch ausgefallene Spezialitäten wie Sish Taouk, eine fruchtig marinierte Hähnchenbrust, oder besagtes Schawarma in verschiedenen Variationen. Auch die Gewürze stellt die junge Köchin selbst zusammen, um ihren Speisen einen unverwechselbaren Geschmack zu geben.

Früher wurden in der Wolfsgasse 9 Brot und Brötchen verkauft. Doch an die ehemalige Bäckerei erinnert jetzt überhaupt nichts mehr. Rawaa und Mohammed haben den Laden komplett umgekrempelt und von Grund auf saniert. Fast zwei Jahre haben sie geschuftet: Wände aufgeklopft, Rohre ausgetauscht, Haustechnik erneuert, Fliesen verlegt, Räume gestrichen, Toiletten modernisiert, Lüftungsanlage eingebaut und vieles mehr. "Sie waren ungemein fleißig, haben sich vor keiner Arbeit gescheut", lobt der Vermieter das Engagement des jungen Ehepaares. Fast alle handwerklichen Arbeiten haben sie in Eigenleistung gemacht. "Ich muss immer was arbeiten, kann nicht einfach herumsitzen", meint Mohammed lachend.

Auch die Wohnung über dem Restaurant haben die Eheleute saniert und sich dort nun ein schönes Zuhause eingerichtet. Dankbar sind Rawaa und Mohammed, dass ihnen "viele Freunde" geholfen haben. Sei es der Vermieter, der immer mit Rat und Tat zur Seite stand, oder der befreundete Ingenieur Samir Gahanm, der bei der Planung des Umbaus half. Oder Friedbert Schmitt, der bei der Neuinstallation der Haustechnik Hand anlegte. Oder Martina Volkmar, die Mohammed Arbeit verschaffte. Auch das städtische Bauamt war hilfsbereit bei den vielen bürokratischen Angelegenheiten, die es beim Umbau eines Ladens in eine Gaststätte zu berücksichtigen galt.

Einer Person sind Mohammed und Rawaa besonders dankbar: Christa Drescher von der Nachbarschaftshilfe Sennfeld. Sie hatte das junge Ehepaar unter ihre Fittiche genommen, als sie vor fünf Jahren nach Sennfeld kamen, kein Deutsch sprachen, keine Kontakte hatten, niemanden kannten. Sie half im Alltag, beim Deutsch lernen, bei der Suche nach Wohnung und Arbeit und bei der Verwirklichung des Lebenstraums. Dafür hat das syrische Paar fleißig gespart. Rawaa arbeitete in Sennfeld in einem Restaurant und Mohammed in verschiedenen Hotels in Schweinfurt. "Er war sich für keine Arbeit zu schade", lobt Christa Drescher den Eifer des jungen Mannes. Seit einiger Zeit hat er eine feste Stelle im Autohaus Vossiek. Nach Feierabend steht er dann im "Yalla Yalla" hinter der Theke, macht die Einkäufe oder kümmert sich um das Organisatorische.

Ob mittags oder abends, vom ersten Tag an standen die Kunden Schlange vor der Tür. Von 12 bis 21 Uhr hat das "Yalla Yalla" geöffnet, an sieben Tagen in der Woche. Nach Geschäftsschluss beliefert Mohammed noch bis 23 Uhr Kundschaft zuhause. Freizeit gibt es im Moment für das junge Paar nicht. Das Restaurant ist ihr Leben, und es gefällt ihnen. "Wir sind glücklich", sagen Rawaa und Mohammed. Nach Syrien wollen sie auf keinen Fall zurück. Ihre Heimat ist jetzt Deutschland. Hier haben sie inzwischen viele Freunde und ihre "Mamm" – So nennen sie Christa Drescher, die für die beiden wie eine Mutter ist.
Der gelungene Start trotz des Corona-Lockdowns hat Rawaa und Mohammed motiviert. Sie schmieden bereits neue Pläne. Bis zum Sommer wollen sie im überdachten Hof neben dem Restaurant eine Außenterrasse herrichten, um ihre Gäste dann inmitten von Blumen bewirten zu können.
