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Schweinfurt
Mehr als nur ein Sternchen: Die Schweinfurter Frauenunion und die Gendersprache – ein Appell an die Toleranz
Im Rahmen der Frauenwochen gab es einen Vortrag einer Linguistikerin zum Thema Gendersprache. Warum das Wie wichtiger ist als das Ob.
Über 'Geschlechtergerechte Sprache' referierte auf Einladung der Frauen-Union Schweinfurt Prof. Dr. Carolin Müller-Spitzer, Professorin für Germanistische Linguistik am Leibnitz-Institut in Mannheim, in der Vinothek Don Rjoja.
Foto: TORSTEN LEUKERT | Über "Geschlechtergerechte Sprache" referierte auf Einladung der Frauen-Union Schweinfurt Prof. Dr. Carolin Müller-Spitzer, Professorin für Germanistische Linguistik am Leibnitz-Institut in Mannheim, in der Vinothek ...
Natalia Mleczko       -  Natalia Mleczko ist in Polen aufgewachsen und lebte dann in Rostock. Nach einer Ausbildung und diversen Jobs studiere sie auf dem Zweiten Bildungsweg Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen im Master an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit 2022 arbeitete sie als freie Journalistin. Natalia Mleczko ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Natalia Mleczko
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:48 Uhr

Es gibt viele Möglichkeiten zu Gendern: das Gendersternchen, das Binnen-I und Gendern mit Unterstrich oder mit dem Schrägstrich. Gendern ist in aller Munde. Auch die Schweinfurter Frauen Union beschäftigt das Thema. Im Rahmen der 31. Schweinfurter Frauenwoche veranstalteten die CSU-Frauen daher eine Informationsveranstaltung zum Thema "geschlechtergerechte Sprache".

"Es ist höchste Zeit, sich mit geschlechtergerechter Sprache auseinanderzusetzten", findet Stefanie Stockinger-von-Lackum. Denn die Thematik stößt auch in den eigenen Kreisen teilweise noch immer auf Ablehnung. Ermüdende Meinungsgefechte über die üblichen Pro- und Kontra-Positionen ist Stockinger-von-Lackum leid. Es gibt eine Brandbreite an Aspekten, die eine differenzierte Diskussion benötige.

Als Referentin wurde die renommierte Linguistin Prof. Dr. Carolin Müller-Spitzer eingeladen. Müller-Spitzer ist Leiterin des Projekts "Empirische Genderlinguistik" am Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache der Universität Mannheim.

Diskriminierungsfreie Kommunikation beschäftigt nicht nur Deutschland

Die Expertin stellt zunächst klar, dass es den Versuch einer geschlechtergerechten Sprache in vielen Ländern gibt. Diskriminierungsfreie Kommunikation beschäftigt nicht nur Deutschland. Allerdings gibt es viele Unterschiede, allein auf Grund der verschiedenen Grammatik der Sprachen. Im Deutschen wird das Genus, die grammatikalische Kategorie, genutzt, um die Identität zu spezifizieren.

Das ist auch das Ausgangsproblem in der deutschen Gender-Debatte. "Denn Genus ist nicht gleich Sexus", erklärt Müller-Spitzer. "Während das Genus eine innersprachliche grammatische Kategorie ist, ist der Sexus ein außersprachliches, biologisches Phänomen", fügt sie hinzu. Aber das Genus reflektiert oftmals die Geschlechtsidentität. Und das ist das Grundproblem.

Witze über das Gendern, wie zum Beispiel das oft genannte "Salzstreuerin" entbehren daher grammatikalischer Logik. Nur Lebewesen haben eine Geschlechtsidentität. "Das generische Maskulinum ist der Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung um die geschlechtergerechte Sprache", sagt die Expertin Müller-Spitzer.

Doch auch die die Verwendung von epizönen Substantiven, also denen, die das Geschlecht nicht spezifizieren, werden immer beliebter. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass Sprache nicht statisch ist, sondern sich mit der Zeit wandelt. Der Versuch einer geschlechtergerechten Sprache sei ein Prozess, der bereits länger andauere und stark mit der Frauenbewegung zusammenhänge, erklärt Müller-Spitzer in ihrem Vortrag.

Im Bundestag müssen seit 1991 beide Geschlechter genannt werden

Seit 1991 müssen im deutschen Bundestag beide Geschlechter genannt werden. Damals sorgte dies noch für viel Diskussion. Heutzutage ist der Mann nach wie vor eher die Norm. Das ist in vielen Bereichen zu merken. Ein Beispiel, das besonders erstaunt, ist das der Medizin. Die "typischen Symptome" eines Herzinfarkts entsprechen den Symptomen eines Mannes, nicht einer Frau. Endometriose, eine schmerzhafte Unterleibserkrankung bei Frauen, ist dagegen untererforscht. Beschwerden in den Wechseljahren sind nicht einmal Teil im medizinischen Lehrplan, obwohl sie die Hälfte der Bevölkerung irgendwann betreffen. Beschwerden, die Männer betreffen, sind dagegen in der Lehre tief verankert.

Die Kritik am generischen Maskulinum hat ihren Ursprung in den 70er-Jahren. Einen großen Beitrag dazu leistete die feministische Linguistik. Aber auch Aktivisten und die Queer-Community brachten die Diskussion aus der Universität in die breite Öffentlichkeit.

Die Zustimmung zum Gendern bei den Jüngeren ist Umfragen zu Folge höher als bei den Älteren. Das spürt die Professorin selbst in ihren Seminaren. Die Jugend sei am Gendern sehr interessiert. Doch sie warnt auch, dass dieses Thema gern zu bestimmten Zwecken instrumentalisiert werde. Deshalb appelliert die Wissenschaftlerin an die Toleranz.

Das ausschließlich weibliche Publikum bei der spärlich besuchten Versammlung, stimmte ihr geschlossen zu. "Sprache eleganter machen, anstatt geschlechtergerechte Sprache erst gar nicht versuchen", schlägt die Linguistin vor. "Das Wie ist wichtig und nicht das Ob."

 
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  • M. S.
    Zitat: "Sprache eleganter machen, anstatt geschlechtergerechte Sprache erst gar nicht versuchen", schlägt die Linguistin vor. "

    Schön gesagtz! Die Eleganz lässt zweilen sehr zu wünschen übrig, Hauptsache man setzt ein Gendersternchen oder kreiert besonders unelegante Wortschopfungen nur um der Sache gerecht zu werden.

    Mich freut es immer ungemein, wenn sich die Gesellschaft bis in die höchsten Kreise so verbissen mit der Genderschreibweise befasst. Das beruhigt mich und zeigt mir, dass es in diesem Land ganz offensichlich keine größeren Probleme gibt. Ironie aus.
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