Dem Mann fiel es sichtlich schwer, sich einzugestehen, dass er auf die Betrüger hineingefallen ist. Er habe Albträume, wache schweißgebadet auf, erzählte der 82-Jährige aus dem Landkreis Bad Kissingen vor Gericht, dabei kamen ihm die Tränen. Er müsse damit leben, im vergangenen September 200.000 Euro an Telefonbetrüger übergeben zu haben, weil er einem Anruf einer vermeintlichen Polizeibeamtin Glauben schenkte. Er übergab das Geld an den sogenannten Abholer, anschließend riefen seine Frau und er die Polizei. Eine Schweinfurter Polizeistreife schnappte den Mann – mit dem Geld.
Am Montag begann der Prozess vor dem Schweinfurter Amtsgericht gegen den mutmaßlichen Abholer, einen 18-Jährigen, der das Geld entgegen genommen hatte. Mit ihm saßen zwei weitere Personen auf der Anklagebank: ein 22-Jähriger, der in der Nähe von Stuttgart in einem anderen Fall mit einer Beute von 40.000 Euro auf frischer Tat ertappt worden war, und eine 31-Jährige, die an der Buchung von Hotels für die Abholer beteiligt gewesen sein soll. Weil ein Zeuge nicht vor Gericht erschien, wurde ihr Verfahren auf Wunsch ihres Verteidigers abgetrennt. Es wird demnächst weitergeführt.
Vorsitzender Richter: Eine "perfide, ganz fiese Methode"
Die beiden jungen Männer, die in Osteuropa in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen sein sollen, räumten die ihnen vorgeworfenen Taten weitestgehend ein. Der 18-Jährige sei auf einer Familienfeier angesprochen worden, ob er noch Arbeit suche, und ihm sei eine Telefonnummer gegeben worden, las seine Verteidigerin aus einer Einlassung vor. Weil er Monate später immer noch arbeitssuchend war, habe er die Nummer angerufen und sei daraufhin nach Deutschland gereist. Eine erste Geldabholung in Karlsruhe scheiterte, seine dadurch entstandenen Schulden innerhalb der Bande sollte er mit einer zweiten Abholung zwei Wochen später im Landkreis Bad Kissingen begleichen.
Der Vorsitzende Richter machte schnell Nägel mit Köpfen. Das Gericht verurteilte den 18-Jährigen wegen des erwerbsmäßigen Bandenbetrugs und des versuchten erwerbsfähigen Bandenbetrugs zu einer Haftstrafe von drei Jahren nach Jugendstrafrecht, den 22-Jährigen in seinem Fall zu zwei Jahren und sechs Monaten nach Erwachsenenstrafrecht. Eine Bewährungsstrafe lehnte das Gericht vehement ab, nachdem einer der Verteidiger dafür plädiert hatte.
"Wir haben eine klare Ansage für den Landgerichtsbezirk Schweinfurt: Wer hier erwischt wird, fährt nicht einfach wieder nach Hause", begründete der Vorsitzende Richter das als Abschreckung dienende Urteil. Es handele sich um eine "perfide, ganz fiese Methode", mit der Seniorinnen und Senioren um ihr Geld gebracht werden. Bei den Geschädigten handele es sich aufgrund ihres hohen Alters um besonders schutzbedürftige Personen.
Abholer verriet sich durch häufigen Schulterblick
Ihm sei klar, dass es sich bei den jungen Männern lediglich um "das kleinste, aber unverzichtbarste Rad in der Kette" handele, betonte der Richter. Die jungen Männer, denen für ihre Aktionen nur ein Bruchteil der Beute versprochen wird, agierten seines Erachtens nicht eigenständig, sondern in einer international organisierten Bande nur als Abholer. Die Hintermänner, die die Anrufe tätigen und die Betrugstaten planen, bleiben unbestraft. Der 18-Jährige kämpfte mit dem Urteil, ihm kamen bei der Verkündung die Tränen. "Es tut mir sehr leid", hatte er zuvor gesagt. Besonders die Aussage des 82-Jährigen habe ihm das Herz gebrochen.
Für ihn sei es "großes Glück gewesen, dass es gut gegangen ist", sagte der Senior vor Gericht. Seine Frau habe beobachtet, dass der vermeintliche Polizist immer wieder nach hinten schaute, als wolle er sichergehen, dass ihn niemand beobachtet. Nach der Übergabe sei das Paar misstrauisch geworden und habe die Polizei verständigt. Ihnen war zuvor von Hinterleuten des Mannes telefonisch vorgetäuscht worden, ihre Tochter habe bei einem Verkehrsunfall einen Fahrradfahrer getötet und komme nur gegen eine Kaution auf freien Fuß.
Der 18-jährige Abholer ließ über seine Verteidigerin fragen, ob er sich bei dem 82-Jährigen entschuldigen dürfe, doch dieser lehnte vehement ab: "Da gibt es keine Entschuldigung für, so etwas einem alten Mann anzutun." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.