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Werneck
Mahnen und Verantwortung übernehmen: Pflegeschüler reinigten Stolperschwelle in Werneck
Die Schülerinnen und Schüler übernehmen die Patenschaft für das Mahnmal, das an die Ermordung von Patienten in der Wernecker Psychiatrie erinnert.
Schülerinnen der Pflegefachschule des Bezirks reinigten die Stolperschwelle zur Erinnerung an die ermordeten Patienten der Wernecker 'Heil- und Pflegeanstalt' im Schloss. Matthias Reimers (rechts), Mitinitiator der Schwelle und Krankenpfleger im Schloss, unterstützte dabei.
Foto: Silvia Eidel | Schülerinnen der Pflegefachschule des Bezirks reinigten die Stolperschwelle zur Erinnerung an die ermordeten Patienten der Wernecker "Heil- und Pflegeanstalt" im Schloss.
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 30.01.2025 02:41 Uhr

Relativ unauffällig liegt die Gedenktafel für die ermordeten Patienten der damaligen "Heil- und Pflegeanstalt" Werneck im Boden. Noch dazu läuft das Messing dieser Stolperschwelle am südlichen Rand des Balthasar-Neumann-Platzes immer wieder dunkel an, die Inschrift wird nicht mehr lesbar. Zum deutschlandweiten Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar übernahmen jetzt die Schüler der Berufsfachschule für Pflege des Bezirks Unterfranken im Schloss Werneck die Pflegepatenschaft.

Gedenken, erinnern, das Leiden der Opfer würdigen und eine Brücke in die Gegenwart schlagen, sich auseinandersetzen mit heutigen Tendenzen gegen Menschlichkeit und vor allem Verantwortung übernehmen: Das wollen die Pflegeschüler, genauer der Mittelkurs mit den Auszubildenden des zweiten Jahres.

Mit Schülern des Examenskurses, mit Verantwortlichen der Schule, des Bezirks, der Gemeinde, der Menschenrechtsinitiative "Pax‘ an" und der Kirchen versammelten sie sich zum Gedenken an die Ermordung von 381 Psychiatriepatienten vor 85 Jahren um die Stolperschwelle, schräg gegenüber des Schlosseingangs am Oegg-Tor. Das Mahnmal, eine Variante der Stolpersteine, war im März 2023 ohne große Öffentlichkeitsbeteiligung im Auftrag der Gemeinde vom Künstler Gunter Demnig verlegt worden.

Stolperschwelle als Ergänzung zum Mahnmal im Schlosspark

Acht Jahre hatte es vom Antrag der Grünen im Gemeinderat Werneck bis dahin gedauert. Ein zunächst anvisierter Verlegeplatz auf gemeindlichem Gehsteig direkt am Schlosseingang war beim Bezirk auf wenig Gegenliebe gestoßen. Das Vorhaben war auf Eis gelegt, schließlich mit dem gegenüberliegenden Platz eine Alternative gefunden worden, erinnerte sich Bürgermeister Sebastian Hauck. Die Stolperschwelle sei eine Ergänzung zum Mahnmal im Schlosspark, das der Bezirk 1996 für die Opfer der "Euthanasie" aufstellen ließ.

Wieder lesbar ist die Inschrift auf der Stolperschwelle am Wernecker Balthasar-Neumann-Platz, die auf die Ermordung von Psychiatrie-Patienten während der Nazi-Zeit hinweist.
Foto: Silvia Eidel | Wieder lesbar ist die Inschrift auf der Stolperschwelle am Wernecker Balthasar-Neumann-Platz, die auf die Ermordung von Psychiatrie-Patienten während der Nazi-Zeit hinweist.

Unter den Akkordeonklängen von Klaus Baur von der Musiktherapie des Schlosses reinigten drei Schülerinnen den Messingstein, unterstützt von Matthias Reimers, Mitinitiator der Stolperschwelle und Krankenpfleger im Schloss. Er hatte sich bislang um die Schwelle gekümmert. Künftig sollen die Schüler dreimal im Jahr, zum 27. Januar, zum 3. Oktober – dem Beginn der Räumung des Schlosses 1940 – und im Sommer die Messingplatte säubern, erklärte Krankenhausseelsorgerin Margarete Schebler. Sie hatte die Pflegepatenschaft der Schüler initiiert.

Eindrucksvoll verlas der Auszubildende Nico Schreiner das Gedicht "Die Maßnahme" von Erich Fried. Es beschreibt drastisch, was passiert, wenn Menschen menschliche Schwächen nicht ertragen und "nur das Beste" wollen.

Die Unterscheidung von "gesundem" und "minderwertigem" Leben war bereits Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts eine dem Fortschrittsglauben verhaftete Einstellung in der Medizin und der Gesellschaft gewesen. Sie bereitete der systematischen Ermordung von Patienten durch die Nationalsozialisten den Boden.

Schmelter deckte mit Mitarbeitern des Krankenhauses die Verbrechen auf

Im Vorfeld der Gedenkfeier hatte der ehemalige Oberarzt der Wernecker Klinik, Dr. Thomas Schmelter, den Weg bis hin zur Räumung der Heil- und Pflegeanstalt im Oktober 1940 skizziert. Schmelter hatte Anfang der 1990er Jahre mit einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern des Psychiatrischen Krankenhauses die Verbrechen aufgedeckt. Zuvor hatte es geheißen, die Patienten seien lediglich nach Lohr verlegt worden. Tatsächlich waren 381 Menschen deportiert und in Tötungsanstalten umgebracht worden. 227 Patienten waren zwischen 1934 und 1940 zwangssterilisiert worden.

Rund um die Stolperschwelle am Wernecker Balthasar-Neumann-Platz versammelten sich die Pflegeschüler bei der Gedenkfeier für die ermordeten Psychiatrie-Patienten.
Foto: Silvia Eidel | Rund um die Stolperschwelle am Wernecker Balthasar-Neumann-Platz versammelten sich die Pflegeschüler bei der Gedenkfeier für die ermordeten Psychiatrie-Patienten.

Anschaulich schilderte Schmelter die Radikalisierungsschritte der Nationalsozialisten, die 1939 mit der "Aktion T4" in der systematischen Ermordung von körperlich und psychisch Kranken gipfelte. Sie war zudem der Probelauf für die Judenvernichtung.

Angesichts solcher Grausamkeiten hielten die Schüler für sich als Auftrag fest, sensibel zu sein, damit niemand aufgrund seiner Andersartigkeit diskriminiert wird.

 
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Kommentare
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  • Wolfgang Schöller
    Ohne Erinnerung keine Zukunft!

    Passend sind angesichts einer "nationalen und sozialen" Partei die Verse von Martin Niemöller:

    Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
    Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
    Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
    Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

    Der Initiatorin, Frau Schebler, und allen Mitwirkenden, kann nur gedankt werden.
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  • Klaus Schröder
    Tolle Aktion!
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