
Eine neue Produktionshalle im Schweinfurter Maintal ist der jüngste Expansionsschritt der Euerbacher Madinger-Gruppe, die seit 2015 dort eine Niederlassung hat. Eine Halle mit 1800 Quadratmetern, in der bis 2023 diverse Geschäftsbereiche der Gruppe vereint werden sollen.
Madinger ist in gut 23 Jahren vom Zwei-Mann-Betrieb zur großen Firma mit fünf Standorten in Deutschland (Zentrale in Euerbach, Schweinfurt, Kitzingen, Bad Neustadt und Fürth) und Tochtergesellschaften in der Slowakei, Rumänien und China gewachsen. Mit 600 Beschäftigten werden etwa 70 Millionen Euro Jahresumsatz gemacht.
Die beiden Brüder fingen im Keller mit Rissprüfungen an
Die Geschichte der Firma ist denen legendärer amerikanischer Start-ups nicht unähnlich, die mit begabten Tüftlern in einer Garage klein anfingen und heute Global Player sind. "1999 haben mein Bruder Jürgen und ich im Keller angefangen", so Oliver Madinger (47), der Industriemechaniker bei Sachs gelernt hat. "Wälzlager demontieren, Rissprüfung durchführen und die Lager wieder zusammenbauen", war der erste Auftrag, weitere kamen durch "Mund-zu-Mund-Propaganda" rein.

"Wir sind Dienstleister für die Industrie mit verschiedenen Geschäftsbereichen", skizziert Oliver Madinger das Firmen-Portfolio. Er und Sven Geyer als angestellter Geschäftsführer führen seit 2022 die Firma alleine, nachdem Bruder Jürgen seine Anteile an Oliver übertragen hatte.
"Produktionsnahe Dienstleistungen" bedeutet, dass fremde Produkte bei Madinger weiterverarbeitet, veredelt oder wieder brauchbar gemacht werden. "Wir kommen dann ins Spiel, wenn beim Kunden Teile auftauchen, die beispielsweise so nicht verbaut werden können, wie sie geliefert wurden", so Oliver Madinger.

"Innerhalb einer Stunde sind wir beim Kunden und helfen das Problem zu lösen. Das kann auch mal um 23 Uhr sein. Bei uns liegen ganz viele Handys auf den Nachttisch-Kästchen von Mitarbeitern", skizziert Madinger die Rolle der Firma als "Helfer in der Not", wenn irgendwo die Produktion stillsteht. Ein erster denkbarer Schritt wäre zu sortieren, was vor Ort verwendet werden kann, was der Nachbearbeitung bedarf und was an die Lieferanten zurückgeschickt wird.
Ein Sorglos-Service für die Industrie
Dass so ein Sorglos-Service für die Industrie zur Aufrechterhaltung, Erleichterung und Optimierung ihrer Produktion gebraucht wird, hat Madinger früh erkannt. Probleme in der Fertigung haben viele Gesichter. Wie man die schnell und effektiv angehen und so lösen kann, dass die Produktion möglichst wenig leidet, war der Grundgedanke für diese Art der produktionsnahen Dienstleistungen.

Eine Dienstleistungs-Palette, die mit dem, was die Kunden brauchen, gewachsen ist. So kam 2007 zur zerstörungsfreien Materialprüfung und den produktionsnahen Dienstleistungen aus den Anfangstagen das Säge- und Logistikzentrum mit dem dazugehörigen Lager für 6000 Tonnen Stahl dazu. Dort werden die Stähle der Kunden bedarfsgerecht geschält, gesägt, portioniert und für deren Produktion vorbereitet. In Deutschland ist Fläche kostbar, weshalb sich viele Unternehmen keine eigene Stahl-Vorratshaltung mehr leisten und sich lieber von Euerbach aus beliefern lassen.
2013 wurde am Firmenhauptsitz in Euerbach das Messzentrum eröffnet, in dem vereinfacht ausgedrückt, Bauteile auf ihre Maßhaltigkeit überprüft werden. 2017 wird die Firma "MK-Kalibrierlabor", ein akkreditiertes Prüflabor, gekauft und als Tochterfirma ins Boot der Firmengruppe geholt, wodurch auch die komplette Dienstleistung rund um das Thema Prüfmittelüberwachung angeboten werden kann.
Auch Randschicht-Härtetechniken für Metalle werden geboten
Ebenfalls 2013 wurden diverse Randschicht-Härtetechniken für Metalle ins Portfolio mit aufgenommen und das Metallographie-Labor erweitert. Alles in allem "so eine Art Firewall im Hinblick auf die Qualität der Komponenten und Bauteile", umschreibt Oliver Madinger die Dienstleistungen, die sich aus den Produktionsabläufen bei den Kunden ergeben. So entstehen Freiräume für Sonderwünsche oder die Spezialbehandlung kleinerer Margen, für die in der Massenfertigung der Großkunden keine Kapazität mehr ist. So haben zum Beispiel einige Maschinenbau-Unternehmen keine eigenen Härterei mehr und lassen etwa Spindeln für Drehmaschinen bei Madinger härten.

Ein wichtiger Geschäftsbereich ist auch der Supply chain Support. Mit Unterstützung der Lieferketten lässt sich dieser Anglizismus gut übersetzen. "Wir übernehmen für unsere Kunden die Produkte, führen die Wareneingangskontrollen durch und erledigen nachgelagerte Arbeitsgänge wie zum Beispiel Umpacken, Feinstreinigen oder Sandstrahlen", so Oliver Madinger. "Wir und unser Maschinenpark sind bedarfsorientiert gewachsen. Nur im Dienstleistungsbereich zu bleiben hätte bedeutet, stark von Konjunkturschwankungen abhängig zu sein."
Der Arbeitskräftemangel ist in der Branche angekommen
"Ungelernte, Quereinsteiger, Facharbeiter, wir können alle gebrauchen", sagt Oliver Madinger, der einräumt, dass nicht nur der Fachkräftemangel, sondern allgemein der Arbeitskräftemangel auch seine Branche erreicht hat. "Wir sind auch Ausbildungsbetrieb, bilden Mechatroniker, Industriemechaniker, Informatiker und kaufmännische Berufe aus." Als energieintensives Unternehmen unternimmt die Madinger-Gruppe derzeit große Anstrengungen, Energie selbst zu produzieren. Man setzt auf den Ausbau der eigenen Fotovoltaik-Anlagen und forciert den Bau einer Pipeline zur Biogasanlage Oberwerrn.