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SCHWEINFURT
Made in SW: Gartenstadt auf den Punkt gebracht
Mensch, das kenn ich doch: Bei der Eröffnung der Ausstellung „Made in SW – Schweinfurt und seine Gartenstadt“ im Bunker an der Blauen Leite gab es zahlreiche Aha-Erlebnisse für die Besucher.
Foto: Josef Lamber | Mensch, das kenn ich doch: Bei der Eröffnung der Ausstellung „Made in SW – Schweinfurt und seine Gartenstadt“ im Bunker an der Blauen Leite gab es zahlreiche Aha-Erlebnisse für die Besucher.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:21 Uhr

So schnell hat Oberbürgermeister Sebastian Remelé wahrscheinlich noch nie eine Ausstellung eröffnet wie die 16. „Made in SW“ unter dem Motto „Schweinfurt und seine Gartenstadt“. Als er und die zahlreichen Festgäste, darunter viele Bürger aus dem Stadtteil, sich vor dem Vereinsheim der Solidarität eingefunden hatten, dräuten pechschwarze Regenwolken über ihren Häuptern. Fünf Minuten später entluden sie ihre nasse Last in einem Schauer, flugs war die Ausstellung eröffnet, alles drängte sich in den Gastraum.

Ein großer Wurf

An der guten Laune und der Freude über die Ausstellung im Bunker an der Blauen Leite sowie dem Rundgang durch die Gartenstadt mit Tafeln an wichtigen Orten änderte dies nichts. Ausstellungsmacherin Daniela Kühnel, seit sechs Jahren für die von den Museen und Galerien der Stadt Schweinfurt unter Leitung von Andrea Brandl veranstaltete Ausstellung als Kuratorin zuständig, ist wieder ein großer Wurf gelungen.

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Das bisher größte „Made in SW“-Projekt war gar nicht einfach umzusetzen – es sind nämlich zwei Jubiläen und drei Ausstellungen auf einmal. 100 Jahre Bauverein Schweinfurt, gewürdigt mit der ebenfalls von Kühnel gestalteten sehenswerten Ausstellung im Haus des Bauvereins in der Georg-Groha-Straße 25 aus der Gründung der Gartenstadt Anfang der 1920er Jahre; 100 Jahre Stadtteil Gartenstadt, gewürdigt mit der „Made in SW – Schweinfurt und seine Gartenstadt“ im Bunker an der Blauen Leite und dazu ein die zwei Orte verbindender Rundgang mit informativen Tafeln an verschiedenen Orten, um die Siedlungs- und Architekturgeschichte der Gartenstadt zu illustrieren.

Im Bunker nicht wie in einem Bunker

Der Bunker an der Blauen Leite – im Gegensatz zum Spitalseebunker sehr gut geeignet für Ausstellungen – ist der größte in der Gartenstadt, wurde im Zweiten Weltkrieg gebaut und fasste bis zu 800 Menschen. Auf 210 fensterlosen Quadratmetern im Erdgeschoss hat Kühnel mit ihrer modernen Präsentation und viel Licht es geschafft, dass man sich nicht wie in einem Bunker fühlt.

16 Infotafeln und acht großformatige Fotos mit bis zu zweieinhalb auf drei Metern geben einen Einblick in die Entwicklung eines besonderen Stadtteils, der Teil einer aus England stammenden weltweiten Entwicklung in Zeiten der Industrialisierung ist.

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Unwürdige Verhältnisse Anfang des 20. Jahrhunderts

Diesem Ursprung wird Kühnel mit dem ersten Teil der Ausstellung gerecht, in dem die unwürdigen Lebensverhältnisse der Industriearbeiter Anfang des 20. Jahrhunderts in Schweinfurt im Vordergrund stehen, Viele Arbeiter waren sogenannte „Schlafgänger“, hatten keine eigene Wohnung, sondern mieteten sich ein Bett für einige Stunden. Kühnel fand einen Brief eines Schweinfurter Arbeiters um 1904: „Mir ist dieses Jammerleben ein riesiger Ekel. Arbeiten und kein Heim haben. Wahrlich lieber aufgehängt. Die Verhältnisse hier in Schweinfurt sind unter dem Hund…“

Bezahlbarer Wohnraum war das drängendste Problem, die Lösung die aus England stammende Gartenstadtbewegung, die nicht nur einfach Häuser zum Wohnen bauen ließ, sondern Siedlungen mit Infrastruktur wie Gasthaus, Läden, Schulen, Kirchen. In Schweinfurt war der 1917 gegründete Bauverein federführend für Planung und Ausführung der Gebäude zuständig, namhafte Architekten wie Theodor Fischer und Rudolph Metzger beteiligt. Diesen und anderen „Vätern der Gartenstadt“ können die Besucher während ihres Ausstellungsrundgangs nachspüren.

Viele Bilder von früher

Warum die Ausstellung aber den Nerv der Menschen trifft, war bei der Eröffnung schnell zu sehen: Es sind die vielen authentischen Bilder, die das Leben in der Gartenstadt in den vergangenen Jahrzehnten zeigen. Spielende Kinder, Schlittenfahrten im Winter, Frauengymnastik bei der FTS schon 1920, Faschingsbälle, Autokorso mit dem gebürtigen Gartenstädter, Ehrenbürger und Alt-OB Kurt Petzold – das Gartenstadt-Lebensgefühl auf den Punkt gebracht. Der wohl meistgehörte Satz der Besucher: „Mensch, das kenn ich noch.“ Auch Kurt Petzold fühlte sich wieder an früher erinnert und ließ es sich bei der Eröffnung nicht nehmen, Anekdoten zu erzählen.

Made in SW: „Schweinfurt und seine Gartenstadt“, Ausstellung im Bunker an der Blauen Leite, bis 10. September, Eintritt frei, Eingang über Gartenstadtstraße: Di-So 14 bis 17 Uhr, Do bis 21 Uhr.

100 Jahre Bauverein Schweinfurt: Ausstellung im Haus in der Georg-Groha-Straße 25 in der Gartenstadt, bis 30. September, Eintritt frei, Di-So 14 bis 17 Uhr, Do bis 21 Uhr.

Begleitprogramm: „Gartenstadtrunde“, Führung durch den Bunker und die Gartenstadt, Infos beim Museums-Service MuSe Tel. (09 72 1/51 47 44) bzw. friederike.kotouc@schweinfurt.de.

4. Juli (Maria Hilf, 19.30 Uhr): Klaus Gasseleder liest Geschichten rund um die Gartenstadt, begleitet von Mad Bob Bickel am Klavier.

12. Juli (Maria Hilf, 19 Uhr): „Zeitzeugen im Gespräch“ im Großen Saal Maria Hilf. Reservierung: Tel. (0 97 21) 37 05 662.

 
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