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Schonungen
Leitpfosten bei Schonungen blinkt, wenn Wild unterwegs ist
Im Polizeibericht sind die Wildunfälle des Vortages nicht mehr einzeln aufgezählt. Fast 1000 Hasen, Säue und Rehe verenden alljährlich auf den Straßen im Landkreis.
Mit Warnlichtern, die an Leitpfosten angebracht sind, werden Autofahrer vor Wildtieren gewarnt. Ein Testlauf erfolgt auf der B 303 zwischen Schonungen und Waldsachsen.
Foto: Josef Schäfer | Mit Warnlichtern, die an Leitpfosten angebracht sind, werden Autofahrer vor Wildtieren gewarnt. Ein Testlauf erfolgt auf der B 303 zwischen Schonungen und Waldsachsen.
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 19.10.2020 10:32 Uhr

Wenn es an den Leitpfosten der Bundesstraße 303 zwischen Schonungen und Waldsachsen gelb blinkt, gehört der Fuß vom Gas, weil Wildsau, Reh oder Hase unterwegs sind und ein Wildunfall droht. Bis zum 16. Dezember wurden im Landkreis Schweinfurt in diesem Jahr schon 893 Wildunfälle notiert  (gleicher Zeitraum im Jahr 2018: 859). Wichtiger noch als das Funktionieren des nach einer  einjährigen Testphase künftig hoffentlich an vielen neuralgischen Punkten installierten Warnsystems sei jedoch das Einschalten des eigenen Gehirns bei der Autofahrt durch Wald und Wiesen, hieß es auf der Pressekonferenz zu den aktuellen Ergebnissen aus der Testphase des Wildwechselwarnsystems.

Nach Unfall Fahrerflucht

Im Konferenzraum der Polizeiinspektion Schweinfurt informierten Staatssekretär Gerhard Eck, Sabine Dahl vom Entwickler "AniMot" (AnimalMotion, also Tierbewegung) sowie Vertreter der Polizei und des Bayerischen Jagdverbands über den Versuch, mittels moderner Technik das Ansteigen der Anzahl der Wildunfälle auszubremsen. Eck schilderte die "besondere Situation" an der Teststrecke zwischen Schonungen und Waldsachsen (eine von bayernweit vier Teststrecken auf Bundes- und Staatsstraßen). An den meisten dort registrierten Wildunfällen (16 Rehe, zwei Hasen und eine Wildsau in 2019) waren Lastwagen beteiligt, die selbst bei Dämmerung (80 Prozent der Wildunfälle) und auch nach den für die Tiere tödlich endenden Begegnungen unvermindert mit 80 bis 90 Stundenkilometern weiterrauschen würden.    

Eck setzt auf "AntiMot", da die blauen Reflektoren an den Leitpfosten (sollen das Wild zurückweisen) widersprüchliche Ergebnisse erzielt hätten und Wind oder Regen die Haltbarkeit von Duftmarken und Flatterbändern minimieren würden. Dahl und Eck stuften die Teststrecke auf der B 303 als besonders kritisch ein, weil dort die Sogwirkung auf der Straße durch die beidseitigen Hänge und das Gefälle besonders hoch sei und die Tiere auf dem schrägen Straßenbegleitgrün nicht stehen bleiben könnten.

So funktioniert "AniMot"

Wärme-Sensoren reagieren auf Temperaturunterschiede und werden nicht durch wehende Sträucher oder Bäume fehlaktiviert, was bei Bewegungsmeldern der Fall ist. Für eine Neujustierung während der Testphase sorgten allerdings die an der Steigung heiß gelaufenen Lkw-Motoren. Mittlerweile schlägt das patentierte System nur noch bei lebenden Objekten im Erfassungsfeld an, also auch bei Fußgängern am Straßenrand, die sich einer Gefahr durch den Verkehr aussetzen. Wichtig ist Sabine Dahl bei einem Alarm: "Nicht sofort eine Notbremsung einleiten, sondern runter vom Gas, den Straßenrand beachten und auch auf den Hintermann achten!"   

Für Staatssekretär Gerhard Eck ist "AntiMot" eine erfolgreiche unter vielen nötigen Maßnahmen. So seien etwa die Jäger aufgefordert, an den Straßen im normalen Umfang zu bejagen und keine Ruhezonen zu schaffen. An Hundebesitzer, Wanderer, Mountainbiker oder etwa an Pilzsammler ging die Aufforderung, in der Nähe von Straßen kein Wild aufzuscheuchen. 

Gefahr völlig unterbewertet

In und außerhalb von Deutschland hat "AntiMot" elf Teststrecken eingerichtet, darunter die Ortsverbindung von Marktsteinach nach Waldsachsen (im Auftrag des Landkreises Schweinfurt). Auf der B 303 mit vergleichsweise viel Fernverkehr (Autobahnzubringer) wurde festgestellt, dass die Fahrer hier besonders häufig auf die Warnungen nicht reagieren. Dass der Aufklärungsbedarf hoch sei, meinten dazu die Vertreter der Schweinfurter Polizeiinspektion. Die Gefahr für Mensch und Wild sei völlig unterbewertet.    

Dies sehen so auch Raimund Abele vom Schweinfurter Jagdschutzverein und Enno Piening vom Bayerischen Jagdverband. Deren Statistiken belegen, dass sich 80 Prozent der Wildunfälle in der Dämmerung am Abend und am Morgen ereignen. Vor allem in verkehrsarmen Zeiten würden viele Autofahrer die Gefahr nicht sehen und mit maximaler Geschwindigkeit unterwegs sein. Die Liste der Unfallschwerpunkte im Landkreis führen beim Jagdschutzverein die Staatsstraße von Schweinfurt nach Stadtlauringen und die B 303 (ab Schonungen, aber auch bei Wasserlosen) an.  

Dem Reh eine Chance geben

Einig waren sich die Teilnehmer der Pressekonferenz auch in dem Punkt, dass die Umwandlung von landwirtschaftlichen Nutzflächen zu Äsungsflächen am Straßenrand die Anzahl der Wildunfälle erhöht habe. Bei der Forderung nach beleuchtenden Warntafeln, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Geschwindigkeitskontrollen wurde darauf verwiesen, dass dieses nur punktuell und dosiert angebracht sei, da sich ansonsten ein Gewöhnungseffekt und ein Nichtbeachten einstelle. 

Erwünscht ist dagegen die allgemeine Erkenntnis, dass der Autofahrer auf Wild bei 100 Stundenkilometern oft nicht mehr reagieren könne, dass Autofahrer aber bei 60 bis 70 km/h dem "Reh noch eine Chance lassen".

 
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