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Schweinfurt
Leiden Mauersegler und Schwalben unter dem Klimawandel?
Massenweise müssen Tierschützer in diesen Tagen Vögel retten, die eigentlich gemütlich im Nest sitzen sollten. Die Hitzewelle hat Spuren hinterlassen, auch in Schweinfurt.
Ganz schön selbstbewusst, die kleine Bachstelze - und vor allem sehr, sehr hungrig.
Foto: Katja Beringer | Ganz schön selbstbewusst, die kleine Bachstelze - und vor allem sehr, sehr hungrig.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:47 Uhr

Die 26 Mauersegler und Schwalben, die Susanne Zirkel aus Schweinfurt in den letzten Tagen bei sich versorgt hat, sind nicht ohne Grund bei ihr gelandet. Als sich die zweite große Hitzewelle über Stadt und Land gelegt hat, stürzten die Tiere massenweise aus den Nestern.  Bei Außentemperaturen von knapp unter 40 Grad wird es dort, wo beide Vogelarten brüten, unerträglich. "60, 70 Grad können es in den Nestern unter dem Dach locker werden", sagt Susanne Zirkel, die sich für die Wildtierauffangstation  des Vogelschutzbunds Schweinfurt engagiert. Die Lehmbauten der Schwalben werden regelrecht zum Backofen. Um der Hitze zu entkommen, nicht zu ersticken, recken sich die jungen Vögel nach außen, wollen Luft schnappen – und fallen in die Tiefe.

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Diejenigen, die Glück haben, werden gefunden und kommen zu Menschen, die sich kümmern. Wie Susanne Zirkel. Die gelernte Tierpflegerin hat nicht nur das Knowhow, sondern auch viel Erfahrung. Und die braucht man, vor allem bei der Pflege von Mauerseglern, wie sie sagt. Größere Tiere, die eigentlich kurz davor wären, flügge zu werden, akzeptieren die Fütterung durch den Menschen nicht. Sie müssen mit sanfter Gewalt das Futter – in diesem Fall ein Heimchen – in den Mund gestopft bekommen. Vorsichtig, denn wer das Zwangsfüttern nicht beherrscht, kann dem Tier leicht den Schnabel brechen. 

Was dem Neuankömmling, der am letzten Julitag von einem Finder gebracht und bei Susanne Zirkel einziehen wird, passiert ist. Derjenige, der in fand, hat es gut gemeint, wollte den Vogel füttern. Ob der Mauersegler überleben wird? Die Chancen stehen nicht gut, sagt die gelernte Tierpflegerin, die im Wildpark An den Eichen arbeitet.

Bis zu 26 junge Vögel hat Susanne Zirkel in den letzten Tagen versorgen müssen. Eine Aufgabe, die selbst die erfahrene Tierpflegerin an ihre Grenzen brachte. Inzwischen hat sich die Lage entspannt. Das quirlige Kerlchen ist ein Mauersegler, der als ganz kleines Küken kam.
Foto: Katja Beringer | Bis zu 26 junge Vögel hat Susanne Zirkel in den letzten Tagen versorgen müssen. Eine Aufgabe, die selbst die erfahrene Tierpflegerin an ihre Grenzen brachte. Inzwischen hat sich die Lage entspannt.

Warum Spatzen was für Anfänger sind

Zu helfen, ist also nicht immer einfach. Nicht so einfach wie bei Spatzen, wie Susanne Zirkel schmunzeln sagt. Die sind unkompliziert, "was für Anfänger." Weshalb die schwierigen Fälle wie die Mauersegler, die man nur freilassen darf, wenn das Gefieder perfekt ist, auch meist bei Zirkel selbst bleiben. Ansonsten kann sie sich auf ein ganzes Team von Helfern verlassen. Und doch wird es manchmal selbst der erfahrenen Vogel-Ziehmutter zu viel. So wie vor kurzem, als die Sonne unerbittlich über Schweinfurt brannte. Fast stündlich wurden neue Vögel gebracht, das Telefon klingelte ohne Unterlass, oft reichte schon eine Beratung, war es kein Notfall, oft aber auch nicht.

16 Mehl- und Rauchschwalben teilen sich aktuell einen Käfig. Demnächst wird die Truppe in einen größeren umziehen.
Foto: Katja Beringer | 16 Mehl- und Rauchschwalben teilen sich aktuell einen Käfig. Demnächst wird die Truppe in einen größeren umziehen.

Alle zwei Stunden heißt es: Antreten zum Füttern

Susanne Zirkel kam an ihre Grenzen, 26 Vögel, Mauersegler, Schwalben, Spatzen und eine winzige Fledermaus – alle wollten versorgt werden. Und zwar alle zwei Stunden. Nicht nur die Nerven, auch das Futter wurde knapp. Heimchen, eine Langfühlerschrecke die Zirkel als Haupt-Aufziehfutter für die Vogelkinder nimmt, waren kaum zu bekommen.  Ein Problem, das auch echte Vogeleltern kennen. Gerade wenn es so heiß wird, finden sie in der freien Natur nur wenig Insekten. Und dass deren Bestand generell immer mehr abnimmt, ist auch kein Geheimnis.

Inzwischen hat sich die Lage entspannt, zumindest in Susanne Zirkels Vogel-Kinderstube. Einige Tiere nahmen Helfer ab, andere konnte sie schon freilassen. Auch die kleine Fledermaus hat eine neue Pflegestelle gefunden. Jetzt sind es acht Mauersegler und 16 Mehl- und Rauchschwalben, die lautstark ihr Futter einfordern.

Alle zwei Stunden reißen die Kleinen die Schnäbel auf. In jedem verschwinden drei bis vier Heimchen. Die müssen auch noch sorgfältig vorbereitet werden, denn nicht alle Teile sind für die kleinen Vögel genießbar. Vogel für Vogel bekommt seine Heimchen. Bei den Schwalben muss jedes abgefütterte Tier kurz in eine Transportbox. Nicht, dass jemand gar nicht, ein anderer doppelt gefüttert wird – die Vögel sind nur schwer voneinander zu unterscheiden und wuseln zur Essenszeit auch noch aufgeregt durch den Käfig.

Erst wenn man das Silberhäutchen am Flügel nicht mehr sieht, ist das Gefieder des kleinen Mauerseglers perfekt. Dann kann er losfliegen.
Foto: Katja Beringer | Erst wenn man das Silberhäutchen am Flügel nicht mehr sieht, ist das Gefieder des kleinen Mauerseglers perfekt. Dann kann er losfliegen.

Jetzt, da die Tierpflegerin Urlaub hat, geht es trotz allem noch. Doch wenn sie wieder im Wildpark arbeitet, heißt es früh aufstehen: Um vier Uhr ist dann die Nacht für Susanne Zirkel zu Ende. Nicht nur Menschenbabys sind anstrengend. Zumindest gibt es eine Zeit, in der auch menschliche Ersatz-Vogeleltern Ruhe haben: nachts. Denn dann schläft auch jeder noch so hungrige Vogel.

Fünf Dinge, die Sie über Mauersegler wissen sollten

Sie sind echte Flugkünstler und dem Luftraum mehr angepasst als jeder andere Vogel. Auch wenn wir sie oft sehen, vieles wissen wir nicht über die rasanten Flieger.

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