Sie hat ein bisschen was vom Charme des Politischen Aschermittwochs in Passau. Aber nicht so derb und laut, sondern eher fränkisch zurückhaltend. Zwar mit viel CSU, Traditionsbewusstsein und Bratwurst, jedoch auch mit schweren Traktoren vor dem Saal. Die Eröffnung der Landtechnik-Messe beim Unternehmen Müller wandelt auf dem Grat, Politik, Wirtschaftsinteresse, Unterhaltung und Bodenständigkeit zu einer Mischung zu verschmelzen, die es kaum woanders in der Region gibt.
Der Eröffnungsfreitag lebt seit Jahren von den gängigen Ritualen. Wer sich zum lokalen politischen Establishment zählen will, darf den Termin nicht versäumen. Das erste Drittel der Hallenplätze ist von geladenen Gästen belegt. Janker und Dirndl stechen heraus. Zum Defiliermarsch schreiten die Hausherren und die CSU-Prominenz der Gegend durch 800 restlos besetzte Plätze; Landrat Florian Töpper ist zwar ein Roter, darf aber auch mitmachen. Nicht nur weil er eben der Landrat ist, sondern weil man ihn hier gut kennt. Holzhausen gehört zu Töppers Heimatgemeinde Dittelbrunn.
Das Prozedere versucht Gastgeber Karl Müller straff zu halten. Die namentliche Litanei der Ehrengäste darf dennoch nicht fehlen, ebenso wie die Grußworte. „Es soll ja kein Kommersabend werden“, ruft Staatssekretär Gerhard Eck dem Publikum zu und packt seine Lobesrede auf den Bauernstand in vier Minuten. Töpper (SPD) lobt im gleichen knappen Zeitbudget den Tatendrang der Unternehmerfamilie. „Das hat er super gemacht“, raunt einer zu seinem Nachbarn nach des Landrats Abgang.
Die Blaskapelle ist noch zu einem ungewöhnlichen Einsatz gefragt, bevor sie die Bühne räumen muss. Bundestagsabgeordnete Anja Weisgeber hat 40. Geburtstag. Blumensträuße und „Happy Birthday to you“. Die Jubilarin freut sich sichtlich.
Für die Nockherberg-Note ist der Bauernverband zuständig, der Politiker zu Mitmachaktionen zwingt oder ein Kabarett-Stück aufführt. Die Auswirkungen der Agrarpolitik der vergangenen 50 Jahre am Beispiel einer Familie, heißt diesmal das Stück. Zerrissen zwischen Produktionserweiterung, Flächenstilllegungen, Spezialisierung, Agrarreformen, Milchquote und Stromerzeugung. In der Hauptrolle der Bauer als Spielball der Politik, der viel investiert, wenig erlöst und am Ende seines Generationenwerkes mit Burn-out von der Bühne geschleift wird.
Während auf dem echten Nockherberg gerne die Granden der Staatsregierung kritische Verse um die Ohren bekommen, sind es beim Bauerntheater in Holzhausen die Roten und vor allem Grünen, die man ob deren Ahnungslosigkeit vom Bauerndasein vorführen will.
Den Ball nimmt Hauptredner Joachim Rukwied an manchen Stellen gerne auf. Der Präsident der deutschen Bauern unternimmt 45 Minuten lang einen rasanten Ritt durch die Problemzonen der Landwirtschaft. „Ohne Landwirtschaft hat das Land keine Zukunft. Ausrufezeichen! Das muss man den Leuten auch sagen.“
Rukwied betreibt eine schlüssige Ursachenforschung der Situation, schließt die Bauern selbst nicht aus, die den Weltmarktpreis durch gute Ernten und steigende Milchproduktion selbst negativ beeinflussen. Natürlich geht es auch um Politik: Das Russland-Embargo koste die deutschen Bauern eine halbe Milliarde Euro. Es müsse wieder Geld aus Brüssel zurückfließen.
Rukwied setzt sich nicht nur mit dem Verbraucherverhalten auseinander, sondern geißelt die Politik der Molkereien und Lebensmittelkonzerne. Vehement kritisiert er Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) für sein Okay zur Übernahme von Kaiser's/Tengelmann durch den Edeka-Konzern. Sie erhöhe die Konzentration im Lebensmittelhandel, die zu Lasten der Landwirte gehe. Dabei gebe es weitere, kleinere Kaufinteressenten, die auch die 15 000 Tengelmann-Jobs erhalten könnten.
Faktenreich und mit vielen Details geht Rukwied in die Tiefe, landet schließlich bei Glyphosat, Azolen und Ammoniakemissionen. Der Präsident redet gegen die stetig lauter werdende Kulisse an, was Bezirkspräsident Bernhard Weiler später zu einem Rüffel des Publikums nutzt. Der Vortrag habe mehr Aufmerksamkeit verdient. Rukwied erntet nochmals Applaus für seine Hoffnung, dass die Landwirtschaft künftig nicht nur im Herzen, sondern auch wieder im Portemonnaie Spaß machen wird.
Ende des offiziellen Teils. Die Ehrengäste räumen ihre Plätze für die Nachdrängenden, die zum Mittagessen und wegen des Unterhaltungsprogramms mit Stefanie Hertel gekommen sind. Die Prominenz hat ohnehin noch eine Verpflichtung: das Erinnerungsfoto. Vor dem größten Traktor auf dem Hof. Selbst Passau kann das nicht bieten.
Vielleicht darf in Zukunft doch einmal ein Hauptredner aus dem Oppositionslager auftreten...
Wer hat die Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte seit 1949 bestimmt: Überwiegend Minister der CSU, CDU und FDP.
Die Landwirtschaftsvertreter in Holzhausen, überwiegend bei der CSU, sollten sich deshalb an die eigene Nase fassen, statt mit dem Finger auf Rote und Grüne zu zeigen.
Thomas Vizl, Mitglied im Kreistag, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen