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SCHWEINFURT
Landgericht Schweinfurt: VW muss Diesel zurücknehmen
Volkswagen       -  Der VW-Konzern muss einen Audi Q5 zurücknehmen und der Eigentümerin 25 600 Euro erstatten, urteilte das Landgericht Schweinfurt. Das Verhalten des Konzerns sei sittenwidrig, die Abschalteinrichtung gesetzwidrig und bedeute einen Mangel.
Foto: Julian Stratenschulte, dpa | Der VW-Konzern muss einen Audi Q5 zurücknehmen und der Eigentümerin 25 600 Euro erstatten, urteilte das Landgericht Schweinfurt.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:40 Uhr

Gegenüber dem Wolfsburger Autobauer wird die Richterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts in ihrer Urteilsbegründung sehr deutlich: „Das Verhalten der Beklagten ist sittenwidrig“, die „vorgenommene Optimierung der Motorsteuerungssoftware ist gesetzwidrig.“ Und weiter: „Es verstößt auch gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn ein Hersteller eine Software einsetzt, die die Einhaltung der gesetzlichen Umweltstandards bewusst ,vorspielt', um damit ein dem gesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug zu vermarkten.“

Verstoß gegen die guten Sitten

Im Urteil vom 9. Oktober dieses Jahres heißt es, dass die Eigentümerin (Erbin) eines Audi Q 5, gekauft von ihrem verstorbenen Vater im Jahr 2012 für 34 200 Euro, den mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestatteten Wagen zurückgeben kann und – unter Abzug des Nutzungsanteils – 25 600 Euro plus fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit 11. August 2017 erstattet bekommt. Dies gilt auch für die außergerichtlichen Kosten von knapp 1360 Euro. (Az: 13 O 18/18). Seit dem 11. August 2017 befinde sich der beklagte Wolfsburger Autokonzern in „Annahmeverzug“, das heißt: das Geld wurde der Klägerin bislang nicht.

Dem Urteil zufolge ist der Anspruch auf Schadensersatz nicht verjährt, wie VW geltend gemacht hatte. Das Verhalten des Konzerns verstoße gegen die guten Sitten. Die im Fahrzeug verbaute unzulässige Abschalteinrichtung mache dieses mangelhaft. Ein „Durchschnittskäufer“ dürfe erwarten, „dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert bleiben“.

„Keiner würde so ein Auto erwerben“

Laut Gericht geht es im vorliegenden Fall auch nicht nur um geringfügige Abweichungen der Realwerte von den Testwerten. Vielmehr habe „der simulierte Fahrbetrieb mit dem realen Fahrbetrieb aufgrund der Abschalteinrichtung nahezu nichts mehr zu tun“. Es komme gerade nicht darauf an, dass das Fahrzeug „nutzbar“ sei und die Beeinträchtigung mit geringen Kosten in kurzer Zeit behoben werden könne.

Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung: „Hätte der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses Kenntnis gehabt, dass eine Betriebsuntersagung drohen kann, steht für das Gericht außer Zweifel, dass kein Käufer ein solches Fahrzeug erwerben würde.“ Also müsse der VW-Konzern Schadensersatz leisten. Berufung zum OLG Bamberg wurde zugelassen. Nach Einschätzung der Düsseldorfer Anwaltskanzlei, die die Klägerin vertreten hatte, sind mit dem Landgerichtsurteil, die Chancen der Betroffenen, ihre software-getunten Dieselautos an den VW-Konzern zurückzugeben, „in der Region Schweinfurt deutlich gestiegen“.

Zwölf OLG-Urteile im Sinne von VW

Laut VW-Pressesprecher Christopher Hauss hat der VW-Konzern Berufung gegen die Schweinfurter Entscheidung eingelegt. Für Kunden-Klagen gebe es „aus unserer Sicht keine Rechtsgrundlage“. Die Kunden hätten weder Verluste noch Schäden erlitten. Die Fahrzeuge seien sicher und fahrbereit. Mittlerweile seien rund 9000 Urteile in der Diesel-Thematik ergangen. Vor Land- und Oberlandesgerichten blieben „Klagen von Volkswagen-Kunden überwiegend erfolglos“. Es gebe aktuell „zwölf Urteile von Oberlandesgerichten, die allesamt im Sinne von Volkswagen beziehungsweise im Sinne der Händler ausgefallen sind“.

Klagerücknahme nach Würzburger Urteil

Im Februar dieses Jahres hatte bereits das Landgericht Würzburg VW verurteilt, wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“ einen „Tiguan Sport“ mit Zwei-Liter-Dieselmotor zurückzunehmen und dem Käufer über 24 000 Euro zu erstatten. Berufung zum OLG Bamberg wurde zugelassen. Doch wenig später nahm der Kläger, der gerade gegen VW so spektakulär gewonnen hatte, seine Klage zurück mit dem Ergebnis, dass die Wirkung des Urteils „beseitigt“ war, so ein Pressesprecher des Landgerichts Würzburg. Damit hatte sich auch eine etwaige Berufungsverhandlung erledigt.

Weder der Anwalt des Klägers, noch ein VW-Pressesprecher wollten sich damals hierzu erklären. Mit dem Dieselthema befasste Anwälte vermuten, dass VW sich die Klagerücknahme „ordentlich was hat kosten lassen“ und den Kläger mit der Vereinbarung einer hohen Vertragsstrafe zum Stillschweigen verpflichtet habe.

 
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Da reibt man sich ja glatt die Augen

    wenn mal ein Gericht zu einem ähnlichen Ergebnis kommt wie man selber...

    MMn wäre zwar alles andere eigentlich eine Einladung, seine (gutgläubigen) Kunden nach Strich und Faden darüber zu täuschen, ob die gekaufte Ware den gesetzlichen Vorgaben entspricht, aber in diesem Land scheint man sich öfter fragen zu müssen, ob nicht die Gesetze schon lange so hingetrimmt worden sind, dass der Betrug (bzw. der Betrüger) nur groß genug sein muss, damit man mit so einer vorsätzlichen und gegen alle Grundsätze des vernünftigen menschlichen Zusammenlebens verstoßenden Tat ungeschoren davonkommt. traurig !
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  • Arcus
    Da betrügt nicht nur die Autoindustrie schamlos, nein sie bekommt auch noch von den CSU Bundesverkehrsministern Rückendeckung.
    Während uns China in Sachen zukunftsweisender Elektomobilität und die USA beim autonomen Fahren die Wurst vom Brot nimmt, bastelt die deutsche Autoindustrie mit einem riesigen Aufwand am sterbenden Verbrennungsmotor herum.
    Diese Technologie ist soweit ausgereizt, dass die vom Gesetzgeber (übrigens weltweit) vorgegebenen Abgaswerte nur durch Schummelsoftware und zum Teil handfesten Betrug eingehalten werden kann.
    Unsere letzten 3 Bundesverkehrsminister (alle CSU) schauen bewusst weg und machen den Autokonzernen mit laxen Vorgaben und bewusstem Wegschauen das Leben leicht.
    Statt in zukunftsorientierte Mobilitätskonzepte zu investieren, hält die dt. Autoindustrie begünstigt durch staatliches Wegschauen am obsoleten Verbrennungsmotor fest. Das schadet nicht nur der Umwelt gewaltig, sondern ganz massiv auch den Arbeitsplätzen am Industriestandort Deutschland.
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  • mainpostgw
    Arcus,
    die EU5 Norm mit all ihren Hintertüren und möglichen Abweichungen zw. Prüfstand und Straße wurden im Dez 2006 von der EU beschlossen.
    Wann wurde die Norm also verhandelt?
    Von der Vorgängerregierung --> Von RotGrün vom Umweltminister Tritin!

    Da sie es vergessen haben, hier der Link zum Nachlesen Spiegel 14.01.2005 :
    http://www.spiegel.de/auto/aktuell/diesel-eu-plant-schaerfere-abgasnorm-a-336678.html

    Übrigens fast schon "witzig" das sich auch ein gewisser Jürgen Resch zu der Zeit für eben die EU5 Norm eingesetzt hat. Übrigens der gleiche Jürgen Resch der sich jetzt als der große Retter der Menschheit vor eben dieser EU5 Diesel gibt.

    Wer´s nicht glaubt (übrigens auch lesenswert für Journalisten!):
    Einfach mal bei der Suchmaschine der wahl "tritin eu5 norm" eingeben.
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  • schneiderassa
    Nun welchen Schaden haben die Erben? Man kann doch das Erbe ablehnen. Gerade in den Katastrophengebieten hat sich der Verbrenner ob Diesel oder Benziner als unverzichtbar gezeigt. Die Deutsche Umwelthilfe muss mal rechtlich überprüft werden.
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  • hansi07
    "Welche Schaden haben die Erben" - das ist doch nicht das Thema. Durch die Erbschaft treten sie in Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Die Frage ist also, welche Rechte hätte der Verstorbene gegenüber VW gehabt, wenn er nicht verstorben wäre. Und selbst wenn die Gesundheitsgefährdung Dritte aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen bislang außer Betracht gelassen wird, hätte er einen Schaden. Der Wiederverkaufswert des Fahrzeuges fiel seit Bekanntwerden des Themas beträchtlich und die kommenden Fahrverbote in vielen Städten hätten auch bei ihm die bestimmungsgemäße Verwendung des Fahrzeuges erheblich eingeschränkt. Man setzt das Fahrzeug ja nicht nur zwischen Wohnort und Arbeitsstätte ein, sondern will auch in andere Städte damit fahren dürfen.
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  • chrihand
    Mir ist unverständlich, dass immer noch Menschen bei Volkswagen ein Fahrzeug kaufen.
    Und warum die deutsche Politik und Justiz nicht einmal ein Machtwort spricht. Vgl. USA...
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
    Mercedes, BMW, Opel, Porsche und...und...und sind doch auch betroffen!!! Und was meinen Sie, warum sich die ganzen ausländischen Autohersteller so ruhig verhalten und nicht über die deutschen Hersteller herfallen? zwinkern zwinkern zwinkern
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  • schneiderassa
    Mack, GM, Peugeot, Renault, sogar Harley Davision und noch viele mehr haben auch mitgespielt in dieser Liga, die Strafen waren harmlos. Die Deutsche Industrie ist dem Trump zu stark. Wenn wir nicht aufpassen werden wir sehr schnell dad Armenhaus Europas. Nur uns wird dann keiner helfen.
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  • hansi07
    Nun, ich hatte einen Ford, der schon seit 2004 mit einer Harnstofflösung zur NOx-Reduzierung gearbeitet hat. Jahre lang ging das gut. Dann ging der Ärger los. Eine teure Reparatur nach der anderen.
    Die Anderen haben das Problem also auch nicht im Griff.
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
    Übrigens kennen Sie nicht das Sprichwort: "Wessen Brot ich ess´, dessen Lied ich sing´"!
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  • Uncle-Sam@kabelmail.de
    Weil es einfach richtig gute Autos sind. Und weil das, was hinten aus dem Auspuff . kommt, so ungefähr an 57. Stelle bei der Kaufentscheidung eine Rolle spielt.

    Und jetzt macht weiter mit eurem VW-Bashing.
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  • jhuller@gmx.de
    @Mainpost:

    In eurem Headliner auf der Startseite die Fahrzeuge als "Schummeldiesel" zu bezeichnen, halte ich für eine nicht gerechtfertigte Verharmlosung und Verniedlichung.

    Hier geht es um absichtlichen Gesetzesbruch in großem Stil mit ebenso großem finanziellen Schaden der gutgläubigen Käufer im Speziellen und Gesundheitsrisiken für alle im Allgemeinen. Da wäre die Bezeichnung organisiertes Verbrechen zutreffender.

    Wären sie der Meinung, Al Capone hatte damals in der Prohibition ein bisschen mit kanadischem Whisky geschummelt? Vermutlich gab's da weniger Schaden als durch unsere Vorzeige "Schummler".
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  • Super An alle VW Audi Käufer macht weiter so und last euch nicht von VAG verarschen.
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