Bewegung ist mehr als Sport. Zum Beispiel auch Rucksäcke tragen, Luftmatratzen aufpumpen, Bänke aufstellen und Kartons voller Lebensmittel schleppen. Solcherart Bewegung war reichlich angesagt, als am Mittwochabend die Aktiven des Landesturnfestes ihre Quartiere in den Schulen bezogen. So zum Beispiel mehr als 30 Studenten der Universität Eichstädt-Ingolstadt die es sich im Alexander-von-Humboldt-Gymnasium gemütlich machten. Erfahrene Turnfestgänger, wie Klaus Lutter sagte, der die Studenten begleitete, zumal die Uni regelmäßig ihre Studierenden zu Events dieser Art schicke.
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Nicht nur in den Klassenräumen war Bewegung. Ehrenamtliche Helfer - von ihnen sind während der vier Landesturnfest-Tage gut 1400 im Einsatz - verwandelten die Aula des Gymnasiums mittels Tischen und Bänken in eine riesige Frühstücks-Arena. Insgesamt werden mehr als 13 000 Frühstücke für die Turnfest-Tage gebraucht. Allein 900 Übernachtungsgäste, so Schulleiter Klemens Alfen, finden im größten Gymnasium der Stadt eine Unterkunft. Mit Frühstück alleine ist es nicht getan, auch in der "Stabsstelle"des Schulhauses ist viel los: Sabine Feuerbacher und Harald Rost vom "Main-Handballverein Schweinfurt" sortieren Schokoriegel in die Fächer, "damit die jungen Leute abends noch eine kleine Stärkung haben, wenn sie von den Wettkämpfen kommen".
"Keine besonderen Vorkommnisse in der ersten Nacht", sagt ein Helfer, der am Haupteingang steht und darauf achtet, dass nicht etwa Unbefugte das Schulhaus betreten. Auch beim Frühstück gab es kein Gedränge. Von sechs bis neun Uhr wurde sozusagen ganz sportlich in Staffeln gefrühstückt. Um halb neun sind die meisten schon damit durch und längst auf dem Weg zu ihren Wettkampfstätten oder in die Innenstadt zu ihren Auftritten auf einer der Showbühnen oder andernorts.
Vatertag im Zeichen von Turnvater Jahn
Die Innenstadt füllt sich, gefühlt jeder zweite Passant trägt ein blaues Turnfest-Teilnehmer-Band, auf den Parkplätzen sind die SW-Kennzeichen in der Minderheit. Die große offizielle Eröffnung des Landesturnfestes an diesem Vatertag im Zeichen des Turnvater Jahn, ist erst für den Abend geplant. Schirmherr Ministerpräsident Söder kommt,die Turnfestwarte werden offiziell begrüßt. Eine kleine Eröffnungsfeier gibt es dennoch schon am Vormittag. Im alten Rathaus haben rührige Turnersenioren aus ganz Bayern eine turnhistorische Ausstellung zusammengetragen. Historische Fahnen, die vom Glanz der Turnbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts künden und viele weitere Erinnerungsstücke sind zu sehen.
Turnen als Kulturgut
Der Präsident des bayerischen Turnverbandes, Alfons Hölzl, und Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé erklären im historischen Ambiente die Spiele für eröffnet und blicken zurück auf die Ursprünge der Turnbewegung. Zeiten, in denen dem Turnsport noch etwas proletarisches, ja geradezu revolutionäres anhaftete. Waren es doch die Arbeiter, die sich in den Jahren nach 1848 besonders gerne auch in sportlicher Hinsicht befreien wollten. "Turnen ist mehr als nur ein Sport, sondern auch ein Kulturgut", betont Hölzl, der aber auch die dunkle Seite der Turnerbewegung nicht unter den Teppich kehren will. Waren es doch in den Zeiten des Nationalsozialismus vor allem auch die Turnvereine, die jüdische Vereinskameraden besonders eifrig aus ihren Vereinen verbannten.
Doch Hölzl belässt es nicht bei der theoretischen Turnfesthistorie. Der 50-Jährige tauscht den Turnfestanzug mit dem Sportdress und tritt bei den 4XF Games an, die inzwischen auf dem Rathaus-Innenhof in vollem Gang sind. Wie es der Zufall so will, sind es die oben erwähnten Studenten aus Eichstätt, die dieses anspruchsvolle Krafttraining vor ihm absolvieren. Klimmzüge, Bauchmuskeltraining, schwere Kanister schleppen und gemein schwere Bälle werfen, sind einige der Aufgaben, die bei stündlich steigenden Temperaturen gemeistert werden müssen. Hölzl ist gut, macht auch bei den gefürchteten Klimmzügen eine gute Figur, muss sich aber dennoch seiner Gegnerin geschlagen geben. Janine List heißt die sportliche junge Frau vom Bayerischen Sportministerium, die eine glänzende Leistung hinlegt.
Stimmung auf den Showbühnen
Auch an den anderen Plätzen und auf den Bühnen hat das Landesturnfest an seinem ersten Tag inzwischen mächtig Fahrt aufgenommen. Das Wetter, das wie ein Damoklesschwert über solchen Veranstaltungen schwebt, spielte glücklicherweise mit und ließ die Sonne über dem Landesturnfest scheinen. Die Mädchen von der "Kleinen Nestler Schule" aus München, einer Berufsfachschule für Gymnastik, wirbeln über die Showbühne am Marktplatz. Obwohl es gerade erst Mittag ist, sind die Zuschauerbänke schon vollbesetzt. Viel Beifall auch für die "ABBA -Mamma-Mia-Show" der SV Höhenberg, die gleich im Anschluss ganz im 70er-Jahre-Look über die Bühne geht. Bis 18 Uhr geht es auf beiden städtischen Showbühnen Schlag auf Schlag. Die Stadt ist voller Mädchen, auch ein paar Jungs sind darunter, die in fantasievollen Kostümen ihren Auftritten entgegenfiebern, oder diesen schon hinter sich haben und nun eine Bratwurst essen.
Die Jungs in der Überzahl sind zum Beispiel beim Schweinfurt Kyokushin e.V., der auf der Bühne nicht nur eindrucksvoll seine Karate-Spielart vorstellt, sondern auch 17 Europäische, Deutsche und Bayerische Meister aller Altersklassen in seinen Reihen hat. Am frühen Nachmittag zeigt sich "Das Landesturnfest ist angekommen in Schweinfurt". "Wenn man wie ich aus München kommt, ist es erfreulich wie schön kurz hier die Wege zu den einzelnen Events sind", sagt eine Teilnehmerin. Und in der Tat: Die Laufwege zwischen Vitalzone, Kinderturnwelt, Mainlände, Showbühnen und Hallen, auf denen vorzugsweise fröhliche junge Menschen mit blauen Turnfest-T-Shirts unterwegs sind, sind kurz. Schweinfurt war auch in dieser Hinsicht eine gute Wahl für das Landesturnfest 2019.