Der Ruf der unterfränkischen Justiz ist durch diesen Fall ähnlich angekratzt wie der Lack jener 1700 Autos, um die es geht: Nach fast zwei Jahren soll sich jetzt ein Student aus Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) als der Lackkratzer in Schweinfurt vor Gericht verantworten – jedenfalls teilweise.
Nur ein Bruchteil der Anklage zugelassen
Das Gericht hat nur einen Bruchteil der Fälle, die dem Verdächtigen zugeschrieben werden, zur Verhandlung zugelassen. Entsprechende Informationen dieser Redaktion bestätigt Thomas Fenner, Sprecher des Landgerichts Schweinfurt, am Freitag auf unsere Anfrage.
Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt habe in ihrer Anklageschrift dem Angeklagten zur Last gelegt, in 37 Tatserien über 1.700 Fahrzeuge (Gesamtschaden mehr als 2,3 Millionen Euro) beschädigt zu haben. "Das Landgericht Schweinfurt hat mit Beschluss vom 18. Oktober entschieden, dass wegen sieben dieser Tatserien das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird," bestätigt der Sprecher.
600 Fälle von 1700
Diese sieben Tatserien umfassen etwas mehr als 600 Fahrzeuge und eine Schadenssumme von etwas mehr als 900.000 Euro. Fenner bestätigte auch Informationen dieser Redaktion, denen zufolge in den übrigen 30 Tatserien mit 1100 Fällen die Beweise nicht ausreichen, einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten zu begründen. Diese Taten könnten auch von Nachahmern verübt worden sein.
Der Lackkratzer hatte vor mehr als zwei Jahren für erhebliche Unruhe unter Autobesitzern in Würzburg, Schweinfurt und dem Landkreis Main-Spessart gesorgt. In mehreren Wellen hatte er mit einem spitzen Gegenstand tiefe Furchen ins Blech der Autos geritzt - teilweise bei Dutzenden von Wagen in einer Nacht.
Auf frischer Tat ertappt
Monatelang hatte eine Sonderermittlergruppe der Polizei - sogar mit Unterstützung eines Profilers - den Unbekannten gejagt - ohne heiße Spur. Vor eineinhalb Jahren war aber in Schweinfurt ein Verdächtiger auf frischer Tat ertappt worden. Er wurde zunächst in einer Klinik untergebracht, kam aber nach einem halben Jahr wieder auf freien Fuß.
Im Oktober 2018 erhob die Staatsanwaltschaft in Schweinfurt Anklage. Doch fast ein Jahr später war ein Prozesstermin noch nicht einmal in Sichtweite. Hinter den Kulissen gab es Gespräche, wie man das Verfahren mit Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss gestalten könnte. Schließlich müsste man ansonsten einzeln jeden von 1731 Fällen von Sachbeschädigung nachweisen - "eine Sisyphusarbeit mit zweifelhaften Erfolgsaussichten," sagt ein damit befasster Jurist.
Auf ein Drittel abgespeckt
Verteidiger Bernhard Löwenberg sagte auf Nachfrage der Redaktion: „Wir sind zuversichtlich, im Januar mit der Anklageverlesung beginnen zu können. Auch mein Mandant ist froh, wenn er das Verfahren endlich hinter sich hat.“ Nach einer ersten Einschätzung werden mindestens 25 Verhandlungstage benötigt.