Sean McMeekin, Professor für Geschichte am Bard College in New York, bekam in der Rathausdiele den Historiker-Preis der Erich und Erna Kronauer-Stiftung verliehen. Die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung wurde zum neunten Mal verliehen.
Erich Kronauer stellte den Preisträger kurz vor: Geschichtsstudium in Stanford, Paris, Berlin und Moskau studiert. Vor seiner Lehrtätigkeit in New York unterreichtete er am Zentrum für Russian Studies an der Universität in Ankara und am College of Sozial Sciences in Istanbul. Neben seiner Muttersprache spricht er noch Französisch, Deutsch, Russisch sowie Türkisch.
Intensive Studien in Russland
Auf der Basis intensiver Studien in Russland sei McMeekin auf bisher nicht beachtete Dokumente und auf erhebliche Protokoll-Lücken gestoßen, so Kronauer. Dies finde seinen Niederschlag in dem von der Stiftung ausgezeichneten Buch „Russlands Weg in den Krieg, Der Erste Weltkrieg – Ursprung der Jahrhundertkatastrophe“.
Kurz davor hatte der australische, in Oxford lehrende Historiker Christopher Clark sein Buch „Schlafwandler“ zum selben Thema auf den Markt gebracht. Die Rolle Deutschlands werde von beiden Autoren, Clark und McMeekin, durchaus auf unterschiedliche Weise gesehen. Clark betont laut Kronauer mehr den serbischen Nationalismus und vor allem den Blankoscheck Frankreichs für Russlands Balkanpolitik.
Freier Durchgang zum Mittelmeer
McMeekin sieht das das bestimmende Element in der Chance Russlands, die türkischen Meerengen sowie das Umland einschließlich der Stadt Konstantinopel, zu erobern. Dadurch hätte ein freier Durchgang für Russlands Kriegs-und Handelsflotte zum Mittelmeer erreicht werden können.
Oberbürgermeister Sebastian Remele betonte, er sei aber nach den Kontroversen anläßlich der Preisverleihung an Stefan Scheil (wir berichteten) vor zwei Jahren sehr entspannt bei seiner kurzen Ansprache. Als Jurist sei er jedoch nicht befugt, das Buch von McMeekin fachlich zu beurteilen, sei aber beeindruckt, wie McMeekin seine Thesen darstellt und begründet.
Danach eilte, nicht programmgemäß, sondern zu früh, der Preisträger vor der Laudatio an das Pult und entschuldigte sich zunächst für sein angeblich schlechtes Deutsch – das aber gar nicht so schlecht war. McMeekin ging kurz auf seine Studien der Quellen zum Kriege ein und bedankte sich sehr für den Preis, der ihm noch gar nicht überreicht worden war. Das Publikum nahm es mit Humor.
Lob für quellensatte Methode
Die Laudatio hielt Prof. Dr. Horst Möller, langjähriger ehemaligen Direktor des Deutschen Historischen Instituts Paris und des Instituts für Zeitgeschichte München/Berlin. Themenvielfalt und Umfang des Werkes von McMeekin seinen beeindruckend, so Möller. Er lobte dessen akribische Art und „quellensatte" Methode.
Möller ging auf die so genannte „Fischer-Debatte“ ein, ausgelöst durch die Arbeiten Fritz Fischers, der eine besondere Verantwortung Deutschlands für den Ersten Weltkrieg sieht. Fritz Fischer hatte allerdings laut Möller selbst eingeräumt, man könne das umfassend erst nach der Recherche in Quellen der anderen kriegsteilnehmenden Länder klären.
Diese Berücksichtigung habe aber, so Möller, in Deutschland und im allgemeinen internationalen Forschungsdiskurs bis heute nie stattgefunden. McMeekin habe hier Pionierarbeit geleistet.
Die Veranstaltung wurde umrahmt vom „Vivo Quartett“ mit Haeun Jang (Klavier), Hyunbee Kim (Violine), Josef Janda (Viola), Yimeng Xi (Violoncello), einer Gruppe Studierender der Musikhochschule Nürnberg.