"Lass deine Reflexe raus, Selbstverteidigung fängt im Kopf an." Der Mann, der mir gegenübersteht und mit einem Messer aus Gummi "auf mich losgeht", weiß wovon er spricht. Denn Bert Bauer bewegt sich im Selbstverteidigungssystem "Krav Maga", das wir hier üben, auf dem hohen Niveau "International Instructor Level 2" und "Fighter Level 4".
Als Nahkampftrainer bei der Bundeswehr in Hammelburg für diese effektive und auf den Punkt gebrachte Form der Selbstverteidigung ist der Hauptfeldwebel regelmäßig im Training. Mit Messer, Schlagstock oder gar einer Pistole und dann auch noch mit üblen Absichten, sollte man ihm besser nicht gegenübertreten. Denn bei ihm kommen die Reflexe, dieses durch jahrelanges Training in Fleisch und Blut übergegangene blitzschnelle Abwehrprogramm, schneller als ich blinzeln kann.
Die Waffenhand abblocken, die Faust auf die Reise zu des Gegners Kinn schicken und dann noch ein Tritt dahin wo es wehtut. So in etwa lautet die Kurzbeschreibung dessen, was da im Ernstfall in Sekundenbruchteilen abläuft, was man tun sollte, um so einen "Verrückten" der es sich in den Kopf gesetzt hat, jemanden zu Überfallen, auszuschalten.
Training mit Expert-Level-Inhaber Itay Dannenberg
Diese Reflexe schulen, das gilt auch für die Teilnehmer des zweiten Xfighting-Germany Intensivseminars, die sich in dieser Woche in der Schweinfurter Kampfsportschule in der Johann-Georg-Gademann-Straße von Bert Bauer, Itay Dannenberg und Freya Geßner auf ihre künftige Rolle als Krav Maga-Instruktoren, also Ausbilder, vorbereiten lassen. Aus dem ganzen Land und selbst aus dem Ausland sind sie gekommen, um sich in dieser Methode der Selbstverteidigung den Feinschliff geben zu lassen. Die künftigen Krav Maga-Instruktoren sind vor allem auch wegen Itay Dannenberg nach Schweinfurt gereist. Der 37-Jährige Reservist der Israeli Defense Forces gilt als Meister seines Fachs, was ihm das seltene Expert-Level eingebracht hat und ihn zu einer Krav Maga-Koryphäe macht.
Keine Gürtel, keine Meisterschaften, kein Schnickschnack
Nicht nur in der israelischen Armee, sondern auch bei anderen Spezialeinsatzkräften hat sich diese Methode einen Angreifer in Sekundenbruchteilen zu entwaffnen und unschädlich zu machen, durchgesetzt. Eine Art der Selbstverteidigung, nicht des Angriffs wohlgemerkt und keine Sportart, denn beim Krav Maga gehört zum Beispiel auch der berühmte Tritt unter die Gürtellinie zum Standard-Repertoire, was bei einer Sportart nicht möglich wäre.
Im Vergleich zu anderen Kampfsportarten kennt man auch keine Gürtel oder Meisterschaften. "Selbstverteidigung ohne Schnickschnack" sozusagen, denn auch in seiner Form für den zivilen Bereich zeichnet sich Krav Maga, was übersetzt "Kontakt-Kampf" heißt, durch einfache Techniken aus. "60 Prozent kommen aus dem Boxen und Ringen", so Freya Geßner, die nicht nur in ihrer Heimat Ruhrgebiet in der Szene als "Valkyrie Krav Maga" bekannt ist. Der Rest ist eine Art "Best of" aus gängigen Kampfsportarten.
Gründer war ein jüdischer Boxer und Ringer
Krav Maga geht auf den 1910 in Budapest geborenen Imrich Lichtenfeld zurück. Der erfolgreiche jüdische Boxer und Ringer hat das System seinerzeit entwickelt, um seinen Landsleuten ein Instrument an die Hand zu geben sich gegen antisemitische Übergriffe zu wehren. Nach abenteuerlicher Flucht und einer Zeit bei der britischen Armee, gelang es Lichtenfeld nach Palästina einzureisen. Nach Gründung des Staates Israel wurde er Nahkampfausbilder in der israelischen Armee.
Doch ganz abgesehen von der militärischen Variante, die auch Griffe kennt, einen Gegner buchstäblich schlagartig außer Gefecht zu setzen und ins Reich der Träume zu schicken, setzt sich Krav Maga mehr und mehr als Selbstverteidigung für den zivilen Bereich durch. "Die richtige Reaktion unter Stress wird erlernt, und diese Art sich zu bewegen ist ein hervorragendes Fitnessprogramm", so Bert Bauer.
Freya Geßner unterrichtet schon Kinder ab vier Jahren, die so mehr Körpergefühl und Selbstvertrauen entwickeln. Und auch für Frauen ist es immer ein Thema Techniken zu erlernen, die es ermöglichen, gesund aus einer heiklen Situation herauszukommen. Womit wir wieder bei den Instinkten und Reflexen in Gefahrensituationen wären. Die hat jeder in sich, erklärt Itay Dannenberg. Krav Maga hilft diese nicht nur wiederzuentdecken, sondern zu intensivieren und auszubauen.
Auch ganz ohne Angreifer gut für die Fitness
"Schon besser", ruft mir Bert Bauer zu, als ich beim zehnten Versuch einen Angriff abzuwehren, langsam merke, wie nicht nur das Adrenalin in den Adern schneller kreist, sondern auch die Bewegungsabläufe aus Abwehr und Gegenangriff ganz langsam flüssiger werden. Bewegungen, die für sich alleine genommen und würden sie keine Angriffssituation simulieren, auch ein tolles Fitness-Programm wären. "Start strong, finish stronger", der Wahlspruch, den sich XFighting-Germany auf die Fahnen geschrieben hat, gilt für alle Altersklassen, denn Luft nach oben hat eigentlich jeder in Sachen Fitness – Hauptsache er tut etwas dafür.
"Krav Maga Franken" nennt sich die Gesundheits- und Kampfkunstschule e.V., die Bert Bauer in Mellrichstadt betreibt. Infos unter www.kravmaga.de.