Wenn nichts mehr geht, flieh! Das israelische Selbstverteidigungssystem Krav Maga setzt unter anderem auf Fluchtreflexe – und gewinnt im Südwesten immer mehr Anhänger. Die Krav Maga Union (KMU) aus Tamm (Kreis Ludwigsburg) ist eine von drei großen Vereinigungen, die diese Technik in Deutschland vertreten. Sie bietet in Baden-Württemberg etwa im Großraum Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg mehrmals wöchentlich Trainingseinheiten an. Mehr als 1000 Menschen im Südwesten trainieren laut KMU bereits regelmäßig Krav Maga und die Zahl wächst um bis zu 20 Prozent jedes Jahr.
Unter den rund 20 Teilnehmern im „Jumps“ in Ludwigsburg sind viele Anfänger. „Nach dem ersten Training war ich überzeugt und bin wiedergekommen“, sagt einer. Nach dem Warm-Up beginnt die Trainingseinheit zu einem Thema wie Fuß-Tritt-Kombinationen. Vor allem bei den Drills sollen Stresssituationen simuliert werden, in denen der Körper hoher Belastung ausgesetzt ist. Die Teilnehmer erwartet neben Angriffs- und Abwehrübungen eine Lektion zum Fluchtergreifen. Ein Aspekt, der bei Selbstverteidigung häufig vernachlässigt wird. „Es geht zuallererst um das Einfordern von Distanz“, sagt Ausbildungsleiter und KMU-Mitbegründer Bogac Demirer. Er empfiehlt, laut zu werden, um Zeugen zu alarmieren.
Sollte das nichts helfen, lehrt Krav Maga für einen Angriff vorbereitet zu sein und reagieren zu können. Dann hilft nur eine Regel: Selbsterhaltung durch Abwehr und Weglaufen. Gefahren sollen möglichst schnell und mit wenig Gewaltanwendung überwunden werden.
Der 37-jährige Demirer fand einen ungewöhnlichen Einstieg in die Kampfkunst. Als Dummy bei einem Selbstverteidigungskurs für Frauen spielte er den Angreifer - und die Damen lernten, ihn unschädlich zu machen. Der Sozialpädagoge entdeckte dann 1998 Krav Maga für sich.
Die Bewegungen, die ein Mensch reflexartig ausführt, wenn er bedroht oder angegriffen wird, bilden die Grundlage für Abwehrtechniken im Krav Maga. Diese Methode sei das „Überführen von Schreckreaktionen in Bewegungen“ und einzigartig im Krav Maga, erklärt Demirer. Und das sei auch unter großem Stress abrufbar. Das System baut auf instinktive Abwehr auf und kann laut dem Trainer mit einem intensiven Programm innerhalb weniger Monate erlernt werden.
Da Krav Maga ein reines Selbstverteidigungssystem ist, gibt es weder Wettkämpfe, noch offizielle Trainingsanzüge. „Identifikation muss durch Leistung erfolgen“, sagt Ausbilder Demirer. Er hält es für unpassend, sich im Abwehren von Gefahren zu messen.
Alle großen Organisationen des Krav Maga sind sich einig, dass seine Geschichte mit Imrich Lichtenfeld begann, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Bratislava lebte. Er entwickelte aus Jiu-Jitsu, der Kampftechnik japanischer Samurai, und Boxen ein leicht erlernbares Selbstverteidigungssystem. Seine ersten Schüler waren in der Slowakei unterdrückte Juden, die sich mit Krav Maga zu wehren lernten.
Heute gehört Krav Maga zur militärischen Grundausbildung in Israel. Der Begriff kommt aus dem hebräischen und bedeutet Kontaktkampf, der bei Soldaten mit speziellem Waffentraining ergänzt wird. Im zivilen Training werden Gegenstände aus dem Alltag eingesetzt. Spezielle Einheiten bereiten Teilnehmer darauf vor, sich beispielsweise mit einem Regenschirm zu verteidigen.
Von prominenten Krav-Maga-Schülern wie den Schauspielern Matt Damon und später Jeremy Renner berichtete die britische „Times“ zum Kinostart der „Bourne“-Filmreihe, deren vierter Teil am 13. September in den deutschen Kinos anläuft. Bei der Premiere sollen in 20 deutschen Kinos Krav-Maga-Demonstrationen gezeigt werden. Die KMU organisiert die Aufführungen und informiert Interessierte vor Ort.