
Der Schwebheimer Kräuteranbau ist etwas Besonderes. Und seit Jahrzehnten erlauben die Behörden den Kräuterbauern auch etwas Besonderes. Sie dürfen Grundwasser abpumpen und in den vorbeifließenden Unkenbach leiten, um es wieder herauszupumpen und damit ihre Felder in den Sommermonaten zu bewässern. Doch damit soll bald Schluss sein. Ab 2027 darf der Unkenbach nicht mehr als Wasserspeicher und Wasserleitung genutzt werden. Einen entsprechenden Bescheid hat das Landratsamt Schweinfurt erlassen. Auf Anordnung des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen, das sich auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie beruft, die eine Entnahme von Wasser aus solchen Fließgewässern nicht erlaubt.
Die Aufregung bei den Kräuterbauern ist groß. Denn ein Drittel des zur Beregnung genutzten Wassers kommt aus dem Unkenbach. Wenn dieser nicht mehr genutzt werden darf, "wird's schwierig und kostspielig für uns", sagt Bio-Kräuterbauer Christian Hennings. Er steht gemeinsam mit Altbürgermeister Hans Fischer dem Beregnungsverein vor, der die künstliche Bewässerung der Kräuterfelder organisiert. Fischer, früher selbst Kräuterbauer, sieht die Folgen drastischer: "Wenn die Nutzung des Unkenbachs ab 2027 verboten ist, wird der Kräuteranbau in der Gemeinde gefährdet." Fischer hat deshalb dem bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber persönlich einen Brief geschrieben und um "politische Unterstützung zur Erhaltung des Heilkräuteranbaus in Schwebheim" gebeten. Die Antwort war ernüchternd: Im Schreiben aus dem Ministerium wurde auf die gesetzlichen Vorgaben verwiesen, der Minister hat nicht einmal selbst unterschrieben.
Pilotprojekt für ganz Bayern
Um zu verstehen, warum es in Schwebheim überhaupt so eine Sonderlösung gibt, muss man zurückblicken ins Jahr 1989, als die dritte ökologische Flurbereinigung begann. Ein Pilotprojekt für ganz Bayern. Die gesamte Flur wurde damals nach ökologischen Gesichtspunkten neu geordnet. Das Riedholz wurde wieder zum Auenwald und zum ersten kommunalen Naturwaldreservat Bayerns. Der Unkenbach wurde auf seiner ganzen Länge renaturiert und bekam einen Pufferstreifen zu den landwirtschaftlichen Flächen.
Im Bereich der Unkenmühle wurden Sohlschwellen eingebaut, um den Sauerstoffeintrag zu verbessern. Die Bauern gaben dafür freiwillig Land ab. Insgesamt hat die Gemeinde 33 Hektar Fläche gekauft. Im Gegenzug erhielten die Bauern die Zusage, den Unkenbach weiter als Wasserreservoir für die Beregnung ihrer Felder nutzen und im Oberlauf zwei Brunnen bauen zu dürfen, um den Bach mit Grundwasser zu befüllen. Heute wird aus vier Brunnen Wasser eingeleitet. Im Sommerhalbjahr wird der Bach dann an verschiedenen Stellen aufgestaut, damit mit Saugpumpen das vorher eingeleitete Wasser entnommen werden kann.

Die Bauern glauben, dass mit diesem Verfahren der Unkenbach eine ökologische Aufwertung erhalten hat. Denn seit er regelmäßig mit Grundwasser befüllt wird, sei er nicht mehr ausgetrocknet, sagt Altbürgermeister Fischer. Im Oberlauf dagegen, außerhalb der Schwebheimer Gemarkung, wo das nicht geschieht, falle das Gewässer in heißen Sommern immer wieder trocken und die Fische verendeten. Auch der Grundwasserspiegel sei nicht nachteilig beeinflusst worden, so Fischer, weil die Brunnen nur aus dem ersten Grundwasserstockwerk Wasser entnehmen und so auch nicht in Konkurrenz zur kommunalen Wasserversorgung treten würden.
Suche nach einem neuen Bewässerungskonzept
Das Wasserwirtschaftsamt bewertet die Lage ganz anders. "Ökologisch bringt das dem Unkenbach gar nichts", sagt Andreas Kirchner, Abteilungsleiter beim Wasserwirtschaftsamt Schweinfurt und zuständig für Stadt und Landkreis Schweinfurt. Sämtliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass dieses Verfahren keine positiven Auswirkungen auf die Biozönose des Baches habe. Im Gegenteil: Durch das Einleiten von kaltem Grundwasser verschlechtere sich die Struktur für Kleinstlebewesen, und durch die Stauhaltung sei die Durchgängigkeit für die Fische nicht mehr gewährleistet.

Und das verstößt gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Sie wurde im Jahr 2000 verabschiedet, mit dem Ziel, einen guten ökologischen und chemischen Zustand aller natürlichen Oberflächengewässer in der EU zu erreichen. "Diese gesetzliche Vorgabe müssen wir beachten", sagt Kirchner. Dass den Kräuterbauern für die Suche nach einem neuen Bewässerungskonzept eine Frist bis 2027 eingeräumt wurde, zeige, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. "Damit lehnen wir uns schon weit aus dem Fenster", pflichtet Michael Hofmann bei, der als zuständiger Bereichsleiter für das Wasserrecht am Landratsamt Schweinfurt in alle Verhandlungen mit den Kräuterbauern eingebunden war.
Kräuterbauern haben Projektstudie in Auftrag gegeben
Aufgabe des Beregnungsvereins ist es nun, bis 2027 eine Lösung für die künftige Bewässerung der Felder zu suchen. Eine Projektstudie, wie man den Unkenbach ersetzen kann, wurde bereits bei einem Ingenieurbüro in Auftrag gegeben. Eine Möglichkeit wäre der Bau von dezentralen Speicherbecken, in die das zur Beregnung geförderte Grundwasser gepumpt wird. Für nicht finanzierbar halten die beiden Vorsitzenden des Beregnungsvereins die Idee, aufbereitetes Abwasser aus der Kläranlage Schweinfurt nach Schwebheim zu leiten. "Allein der Leitungsbau kostet eineinhalb Millionen Euro", winkt Hennings ab. Doch egal, welche Lösung sich letztlich findet, sie wird immer teurer sein als der Status quo. Deshalb hofft Hennings, dass man die Behörden doch noch umstimmen kann und von den gesetzlichen Vorschriften ausgenommen wird.
Fischer verweist auf seine Auszeichnung mit der Bayerischen Staatsmedaille für herausragende Verdienste um die Umwelt, die er 2018 von Glaubers Amtsvorgänger Marcel Huber erhalten hat, und auf den Bayerischen Staatspreis des Landwirtschaftsministeriums, mit dem die Gemeinde Schwebheim für ihre ökologische Flurbereinigung belohnt wurde. "Das soll jetzt alles nichts mehr wert sein?" Fischer will das nicht einsehen und fordert die Politik auf, ihre einmal gemachten Zusagen einzuhalten.
Die Behörden hingegen sehen keinen Spielraum. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie haben mittlerweile alle europäischen Mitgliedsstaaten in das eigene Landesrecht aufgenommen. Sie ist damit Gesetz, "und Gesetze müssen eingehalten werden".
