
"Stoppt das Bauernbashing!" Mit diesem Slogan wehrt sich der Bauerverband derzeit gegen das Volksbegehren "Rettet die Bienen". Einer vermeintlich herabsetzenden Kritik an den Landwirten setzt er entgegen, dass jeder zweite Bauer schon viel für die Umwelt tun würde. Dass aber gelebter Artenschutz und wirtschaftlich betriebene Landwirtschaft keine Gegensätze sein müssen, Ökologie und Ökonomie durchaus vereinbar sind, zeigt die Gemeinde Schwebheim, auf deren Gemarkung die Forderungen des Volksbegehrens bereits weitgehend umgesetzt wurden.
Artenvielfalt ging nach der Flurbereinigung zurück
Der fränkischen Realteilung geschuldet, auf zwölf Hektar gab es 35 Teilstücke, begann die Gemeinde 1966 mit einem Flurbereinigungsverfahren. Nach Abschluss des Verfahrens beobachtete der damalige Bürgermeister Fritz Roßteuscher aber einen Rückgang der Artenvielfalt. Die vielen Furchen zwischen den Äckern waren nämlich nicht nur lästige Feldbegrenzungen, sondern auch ökologische Nischen. Roßteuscher ebenso wie sein Nachfolger im Bürgermeisteramt Hans Fischer hatten eine Vision. Die vorhandenen Arten sollten erhalten, bedrohte Arten gerettet werden. Inmitten von Landwirtschaftsflächen sollte die Natur Platz bekommen, um sich vernetzt über die ganze Flur zu entwickeln. Die ästhetisch gestaltete Landschaft sollte ein Naherholungsgebiet werden.

1989 startete die Gemeinde das bayernweite Pilotprojekt "Ökologische Flurbereinigung". Dabei war es beiden Bürgermeistern wichtig die Bauern mit ins Boot zu holen. Sie setzten auf Freiwilligkeit und überzeugten. Entstanden ist eine lebendige Flur mit Hecken, Blütensäumen, Brachstreifen und Streuobstwiesen, naturnah gestalteten Gräben, Bächen, Teichen und Kleingewässern. Dazu kamen zwei Naturschutzgebiete, die "Grettstädter Wiesen" ein Niedermoorrelikt und das "Riedholz", ein kommunales Naturwaldreservat. Diese aber sind für Fischer nicht das Wesentliche, Naturschutz muss sich in der gesamten Flur widerspiegeln, nicht nur im "musealen Bereich", meint er.
Zwischen Gemeinde und Landwirten entstand eine Win-Win-Situation. Christian Hennings, Ökolandwirt in der Gemeinde erzählt: Feuchte Wiesen und Flächen, die wenig nutzbar waren, habe er mit der Gemeinde gegen Ackerland eingetauscht. "Es war ein Geben und Nehmen", erklärt Fischer. So hat die Gemeinde beispielsweise Wasserbecken angelegt, die den Bauern im Sommer zur Beregnung ihrer Felder dienen. Auch der Unkenbach, inzwischen renaturiert, dient der Landwirtschaft als Wasserspender. Dies ist möglich, weil über drei Brunnen Wasser in den Unkenbach eingespeist wird, wenn dessen Wasserspiegel sinkt. Selbst im trockenen Sommer 2018 habe der Bach auf der Schwebheimer Gemarkung Wasser gehabt, erklärt Fischer.

Ganz im Gegensatz zu Ober- und Unterlauf des Baches, wo er ausgetrocknet sei und die Fische kaputt gingen. Auch der Grundwasserspiegel habe jetzt schon wieder seine normales Niveau erreicht. Auf rund der Hälfte der bewirtschafteten Ackerflächen in der Gemeinde werde ökologisch angebaut. Und da sei durchaus Luft nach oben, meint Hennings, denn Deutschland führe noch immer rund 30 Prozent seiner Bioprodukte aus dem Ausland ein.
Das Angebot für Bio muss mit der Nachfrage wachsen
Die im Volksbegehren geforderten 20 Prozent Bioanbau bis 2020 sind für ihn ohnehin ein alter Hut. Das fordere die Politik bereits seit langem. Dies aber könne man den Bauern nicht verordnen, so Fischer, es müsse wachsen, ebenso wie die Nachfrage nach Bioprodukten.
Der Erhalt der Biodiversität gehe nur, wenn alle an einem Strang ziehen, betont Fischer und nennt ein weiteres Beispiel. Die Gemeinde habe zwölf Hektar Wiese einem Bauern anvertraut, mit der Auflage diese ökologisch zu bewirtschaften. Dafür habe sie ihm für 30 000 Kilogramm Milchlieferrechte gekauft. Fischer ist überzeugt, Artenvielfalt geht überall, aber es sei nicht zu schaffen, wenn die Bauern alles allein schultern müssten. Schlimm sind für ihn auch die modernen "Steingärten" oder steriler Rasen, den Roßteuscher immer "das Leichentuch der Gärten" nannte. Zur Artenvielfalt müsse jeder seinen Beitrag leisten, im Supermarkt ebenso wie auf dem Acker, im Garten genauso wie in der Flur. "Wir müssen überall anpacken", sagt Fischer, beim Verkehr, im Verbraucherverhalten und in der Landwirtschaft."

Im Flurbereinigungsgesetz kommt der Begriff einer ökologischen Flurbereinigung nicht vor, so Sachbearbeiterin Dorit Bollmann vom Amt für ländliche Entwicklung in Unterfranken. In dem Maß, wie die Gemeinde Schwebheim und in Folge auch die Nachbargemeinde Gochsheim dies durchgeführt hätten, kenne sie unterfrankenweit keine weiteren Gemeinde mehr .
Bei den ersten Flurbereinigungen ging es ja in erster Linie darum, die Produktionsbedingungen der Landwirte zu optimieren. Seit den 1980er-Jahren aber liege der Fokus mehr auf der Landschaftspflege und der Verbesserung des Naturhaushalts. Das geschehe in vielen kleineren und größeren Einzelverfahren, aus denen sich dann manchmal auch mehr entwickele.
"Letztlich entscheiden die Leute vor Ort, was vom Landschaftspflegekonzept umgesetzt wird", betont Bollmann. Wann man das Ganze dann als ökologisches Verfahren oder gar ökologische Flurbereinigung bezeichne, sei eine Ermessensfrage.
