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Kommentar: "Nicht verurteilen, sondern im Gespräch bleiben"
Erhard Scholl ist der Autor einer zehnteiligen Serie, die sich mit dem Für und Wider von Austritten aus der katholischen Kirche befasst hat.
Foto: Anand Anders | Erhard Scholl ist der Autor einer zehnteiligen Serie, die sich mit dem Für und Wider von Austritten aus der katholischen Kirche befasst hat.
Erhard Scholl
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:14 Uhr

Für die Serie "Warum ich (nicht) aus der Kirche ausgetreten bin" habe ich zahlreiche Gespräche geführt. Dabei stellte ich fest: Es gibt nicht den "einen Grund", um aus der Kirche auszutreten oder dabei zu bleiben. Jede Entscheidung hat ihre eigene Geschichte, sehr persönliche Motive. Viele Gesprächspartner berichteten darüber, dass sie in ihrer Kindheit eher mit einer "Drohbotschaft" konfrontiert waren, als dass sie ihren Glauben als "Frohbotschaft" erfahren durften. Trotzdem gab es viele gute Erinnerungen, vor allem an die Gemeinschaft, die erfahren wurde.

Die Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, haben ihre guten Gründe. Man sollte diese Gründe ernst nehmen - und daraus lernen. Die Formen, wie sich das Leben in der Gemeinde vollzieht, spricht viele nicht mehr an. Es fehlt ihnen der Bezug zu ihrem aktuellen Leben. "Nahe bei den Menschen sein", gerade auch bei den Menschen, die sich von den traditionellen Formen nicht mehr angesprochen fühlen, ist eine reizvolle Aufgabe.

Es könnte der Kirche zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen, wenn sie die Erkenntnisse der Wissenschaften offensiver als bisher aufnehmen würde. Gleichgeschlechtliche Liebe als Sünde zu bezeichnen, ist wissenschaftlich nicht mehr zu vertreten. Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie könnten helfen, die Zuversicht in das Leben zu stärken, konkrete Hilfen, wie Verzeihen gelingen kann, könnten manche menschliche Not und viel Leid verhindern. Evangelische und katholische Christen sehnen sich danach, gemeinsam ihren Glauben an Jesus zu feiern und aus dieser Feier Kraft für ihren Alltag zu schöpfen. Der Mut zu neuer Gemeinschaft im Glauben wäre ein starkes Signal.

Menschen sehnen sich nach Spiritualität. Die große Nachfrage nach Coaching, Selbstfindungsprogrammen und Meditationsangeboten zeigt dies. Der Kirche gelingt es in den traditionellen Formen aber zu wenig, diese Sehnsüchte aufzugreifen. Durch lebens-, frauen- und liebesfeindliche Aussagen sowie veraltete moralische und patriarchalische Vorstellungen schippert die Institution Kirche genau am Wesentlichen vorbei, mit dem sie Menschen begeistern könnte.

Den Menschen mit seinen Wünschen und Sehnsüchten, auch mit seinen Nöten und seinem Leid in den Mittelpunkt zu stellen, das könnte aus meiner Sicht die zentrale Botschaft des Glaubens überzeugend vermitteln. 

 
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