
Der Mann hat etwas gewagt. Nach dem klassischen Medizinstudium in Tübingen beginnt Christian Schmincke Mitte der 1970-er Jahre damit, sich intensiv mit Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) auseinanderzusetzen. Einer seiner Lehrmeister damals: Professor Li Bo Nin von der Sichuan-Akademie für Traditionelle Chinesische Medizin, mit dem er mehrfach zusammengearbeitet hat. Mancher Berufskollege in Deutschland mag da vielleicht gedacht haben: Was ist denn mit dem Schmincke los? Ein Schulmediziner auf Abwegen?
Ganz und gar nicht, wie Dr. Hartmut Schröter beim Festakt zum 75. Geburtstag von Christian Schmincke am Montagvormittag in der Klinik zum Steigerwald an der "Waldesruh" in Gerolzhofen (oberhalb Mutzenroth) verdeutlicht. Schröter - langjähriger Wegbegleiter und Freund des Jubilars - befand, dass Christian Schmincke vielen Menschen, vor allem vielen Patienten, "eine neue Welt aufgetan hat". Denn ihm sei es gelungen, die chinesische Medizin und die chinesische Denkweise mit ihrem ganzheitlichen Ansatz und den individuellen Therapiekonzepten auf die westliche Welt zu übertragen und in einen wissenschaftlichen Dialog zu bringen. "Hier geht's nicht um Esoterik, was man immer unterstellt", sagte Schröter.
Auch von politischer Seite erfährt Schmincke Anerkennung. So sagte etwa die Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU): "Sie können stolz darauf sein, was Sie geleistet haben." Es müsse ein wunderbares Gefühl sein, wenn man weiß, dass man so vielen Menschen geholfen hat. Die TCM betrachte den Menschen ganzheitlich, auch die Psyche, die seelische Befindlichkeit der Patienten werde berücksichtigt. "Ich sage auch: Wir brauchen die Schulmedizin. Aber das haben wir hier ja auch. Das geht hier Hand in Hand", betonte Weisgerber. Und Landtagsabgeordneter Gerhard Eck (CSU) erklärte: "Ich durfte mich auch schon hier behandeln lassen und ich muss sagen: hervorragend." Er habe "allergrößten Respekt" vor Schminckes Lebensleistung.

Fernsehpfarrer Jürgen Fliege zu Gast
Der prominenteste Gast der Geburtstagsfeier war Pfarrer Jürgen Fliege. Der Theologe hatte den Jubilar mehrfach in seine frühere Fernsehsendung "Fliege - Die Talkshow" eingeladen, seitdem verbindet die beiden eine Freundschaft. "Wie ehrt man einen Arzt?", fragte er ins Publikum. Kurze Pause. "Man ehrt ihn wie jeden anderen auch. Er ist keine Sondernummer", sagte Fliege über Schmincke. "Es gibt nur eine Art, einen Menschen zu ehren: Indem man ihm vertraut." Es sei die einzige Art und Weise, sich vor jemandem zu verneigen, indem man sagt: "Ich vertraue dir." Schminckes Ansatz, sich Zeit für die Patienten zu nehmen, sich auf sie einzulassen, wenn sie "ihre Wunden" zeigen, zu lauschen, und das richtige Maß bei der medizinischen Behandlung zu finden, den findet Fliege vertrauenswürdig. "Christian, ich hab dich ziemlich lieb. Sei gut beschützt und: Gott segne dich", sagte er zu seinem Freund.

Medizinisch habe Schmincke konsequent seinen Weg verfolgt, sagte Patrick Kling, der seit 16 Jahren mit der Klinik am Steigerwald verbunden und heute ihr Geschäftsführer ist. Begonnen habe er dort allerdings als Patient, wie er erklärt. Das medizinische, ganzheitliche Konzept habe ihn so überzeugt, dass er Teil dieses Projektes werden wollte, "und das hat geklappt". Heute ist die Klinik "eine nicht mehr wegzudenkende medizinische Institution für die Region" und darüber hinaus.

Berührende Klavier- und Gesangseinlagen des Duos "Café Sehnsucht" (Achim Hofmann und Silvia Kirchhof), fünf Redner und viele warme Worte: So viel Lob und Aufmerksamkeit, das brachte den Jubilar am Ende ein wenig in Verlegenheit. Als Schmincke vor die Gästeschar ans Rednerpult trat, hatte man den Eindruck, er wollte das nun möglichst schnell hinter sich bringen. Schließlich galt es ja noch, das Buffet zu eröffnen, also beließ es Christian Schmincke bei ein paar wenigen Worten. "Hier wird von einem Menschen geredet, der gar nicht hier ist", sagte er. "Ich bin ein einfacher kleiner Wissenschaftler." Klinikgründer, Chefarzt, Pionier, treibende Kraft? Nun ja, er sei "vielleicht der Anlass für die Klinik" gewesen, aber gemacht haben das "viele, viele Helfer. Ich habe unendlich viel Hilfe bekommen", sagte er mit einem Blick in die Runde - auf den Stühlen vor ihm saßen etliche Weggefährten, Freunde, Mitarbeiter und Familienmitglieder.
Nachdem er diesen Menschen gegenüber seine tiefe Dankbarkeit ausgedrückt hatte, fand er sich offenbar fast schon überflüssig da vorne auf der Bühne und wollte flugs das Buffet eröffnen, aber so schnell kam er nicht davon: Alle Gäste erhoben sich von ihren Plätzen und klatschten minutenlang, um das Geburtstagskind und sein Lebenswerk zu würdigen.

