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Schweinfurt
Kinderarzt verzweifelt gesucht
Wenn man die offiziellen Zahlen der Bedarfsplanung anschaut gibt es eigentlich genug Kinderärzte in der Region. Warum sich die Realität dennoch so ganz anders anfühlt.
Im Moment sind alle gesund, aber was, wenn wieder ein Kinderarzt gebraucht wird oder eine U-Untersuchung fällig wird? Die Familie De Vivo von links Chiara, Elio, Laura, Sylwia und Mario.
Foto: Helmut Glauch | Im Moment sind alle gesund, aber was, wenn wieder ein Kinderarzt gebraucht wird oder eine U-Untersuchung fällig wird? Die Familie De Vivo von links Chiara, Elio, Laura, Sylwia und Mario.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:44 Uhr

Alle Eltern kennen das. Ein Kind kommt von der Schule, wirkt nicht so fit wie sonst, wenige Stunden später kommt der gar nicht gut klingende Husten, der den Kleinen die ganze Nacht nicht schlafen lässt. Am nächsten Tag ist die Erkältung schon auf ihrem Höhepunkt – ab zum Kinderarzt.

Aber was tun, wenn man keinen hat? Einen anrufen und fragen ob man mit seinem Kind kommen kann, schließlich weiß man als besorgte Eltern ja nicht, ob sich aus dem trockenen Husten, der einfach nicht besser werden will, etwas Schlimmeres entwickelt. Sollte man meinen, dass dies der normale Weg sein müsste,  aber manchmal sind die Dinge eben nicht so einfach.   

Klinkenputzen bei den Kinderarztpraxen

Die Schweinfurter Familie De Vivo lebt erst seit einem Jahr in Deutschland. Vater Elio und Mutter  Sylwia, beide in Deutschland berufstätig und regulär krankenversichert, kamen mit ihren drei Kindern Chiara (12), Laura (10) und Mario (8) vor gut einem Jahr aus dem italienischen Neapel nach Deutschland, arbeiten  im Gastronomiegewerbe.  Als der jüngste, der kleine Mario, unlängst mit oben erwähnten Symptomen nach Hause kam, baten die Eltern, die noch nicht so gut deutsch sprechen, Antonio Reale, einen Freund der Familie, sich doch mal umzuhören, wie man als junge Familie in Deutschland zu einem Kinderarzt kommt. "In vier Kinderarztpraxen war ich persönlich, bei einigen weiteren habe ich angerufen", so Reale.  Das Ergebnis war immer ähnlich. "Wir nehmen nur Babies" hieß es, oder man verwies auf die vielen Patienten die man schon habe und man derzeit niemand mehr annehmen könne. Auch der Hausarzt der Eltern lehnte ab, mit dem Hinweis erst Patienten ab 14 Jahren zu behandeln.      

Selbst in umliegenden Städten keine Aufnahmekapazitäten 

Antonio Reale rief sogar Kinderärzte in umliegenden Städten an, zu denen man eine weite Anfahrt hätte in Kauf nehmen müssen, doch das Ergebnis war ähnlich niederschmetternd. "Die haben gefragt, warum wir es denn bei ihnen probieren wo wir doch so  weit weg wohnen, wir sollten es bei Kinderärzten in Schweinfurt versuchen".  Die Krankenkasse erklärte sich, so Antonio Reale, für nicht zuständig bei der Suche nach einem Kinderarzt und die Familie war weiter allein mit dem erkälteten Jungen. Eltern, die ihr Kind leiden sehen, wollen Hilfe, weshalb sie es auch bei der Notaufnahme eines Krankenhauses versuchten, wo sie natürlich auch abgewiesen wurden, schließlich ist ein schwer erkältetes Kind, so schlimm sich der Husten auch anhört, kein Notfall.  

Geholfen wurde ihnen schließlich doch im Leopoldina, da wurde der kleine Mario untersucht und es wurden Medikamente verschrieben. Die weitere Behandlung müsse dann ein Kinderarzt übernehmen.  Aber den hat die Familie immer noch nicht, weil sich schlicht und einfach keine Praxis bereit erklärte, so Antonia Reale, die drei De Vivo Kinder in ihre Patientenkartei aufzunehmen.   

Nur Babies oder erst ab 14 

Die eigentlich einfache Formel "Krankes Kind, Arzt hilft",  scheint nur noch bedingt gültig zu sein. Familie De Vivo fragt sich, warum man seine Krankenkassen-Beiträge bezahlt, wenn man für seine Kinder dann doch keinen Arzt findet, weil sie wahlweise zu jung oder zu alt sind. In Italien sei das viel unbürokratischer gelaufen, da habe ein Anruf bei der Vergabestelle genügt, zwei Tage später habe man einen Kinderarzt in der  Nähe zugewiesen bekommen. In Italien, einem Land, das seine "Bambini" liebt, gebe es auch genügend Kinderärzte.    

Bedarfszahlen bilden die Grundlage für den Versorgungsschlüssel

Die gibt es eigentlich, aber nur eigentlich, auch zur Genüge in der Kreisregion Schweinfurt. Birgit Grain, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) teilt auf Anfrage mit, dass der Versorgungsgrad für den Nachwuchs der Region – zugrunde liegen 15 Kinderarzpraxen – bei 143 Prozent liegt. Rein statistisch dürfte es diese Probleme also nicht geben. Zugrunde gelegt werden 27 000 Kinder und Jugendliche. Das es die Versorgungsengpässe dennoch gibt, die von der kassenärztlichen Vereinigung eingeräumt werden, liegt an der sogenannten Bedarfsplanung, die die Grundlage für den Versorgungsschlüssel bildet."Die Bedarfsplanung wurde 1993 mit dem Ziel eingeführt, die Niederlassung von Vertragsärzten besser zu steuern und damit flächendeckend einen gleichmäßigen Zugang der Bevölkerung zur ambulanten ärztlichen Versorgung sicherzustellen. Während damals noch insbesondere die Sorge vor einem übermäßigen Anstieg der Arztzahlen in bereits sehr gut versorgten Gebieten im Mittelpunkt des Interesses stand, haben sich mittlerweile die Rahmenbedingungen geändert: Heute ist es der zukünftige oder bereits bestehende Ärztemangel, vor allem in ländlichen Regionen, der es notwendig macht, über eine effiziente Verteilung der knappen Ressource Arzt nachzudenken", heißt es von der KVB.

Ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent sind keine Neuzulassungen möglich 

Im Klartext bedeutet dies, das dringend über die Überarbeitung der Bedarfsplanung gesprochen werden muss, denn auch aus anderen Regionen Bayerns wenden sich besorgte Eltern, Politiker und Kinderärzte an die KVB mit dem Hinweis das die kinderärztliche Versorgung vor Ort nicht als ausreichend erlebt wird  – obwohl der statistische Versorgungsgrad bei mindestens 110 Prozent liegt. 110 Prozent das bedeutet "überversorgt" und für Neuzulassungen gesperrt. Die Zahlen wurden aber längst vom wahren Leben abgelöst. Der Anstieg der Zahl der U-Untersuchungen von 6 auf 14 oder der Zahl der Impfungen von 7 auf 16 bis 19 seit 1991 sind darin nicht berücksichtigt. Kinderärzte haben heute deutlich mehr zu tun als noch vor mehr als 25 Jahren. 

Es muss also etwas geschehen. Die KVB würde gerne aktiv werden, kann es aber nicht, denn sie hat keine rechtlichen Handlungsspielräume, um von den gesetzlichen Vorgaben der Bedarfsplanung abzuweichen. Der Ball liegt also bei der Politik.  Der gemeinsame Bundesausschuss habe auch mittlerweile den Auftrag des Gesetzgebers erhalten die Bedarfsplanung zu überprüfen, was von der KVB begrüßt wird. Zuständig für die Vergabe von Vertragsarztsitzen sei nicht, wie oft falsch vermutet, die KVB, sondern vielmehr per Gesetz der jeweilige regionale Zulassungsausschuss, dem in gleicher Zahl Vertreter der Krankenkassen und der Ärzte angehören. 

Bedarf und Bedarfsplanung müssen sich deutlich näher kommen 

Anders formuliert – es kann sich noch hinziehen, bis die Bedarfsplanung dem echten Bedarf wieder näher kommt und ein Trost für eine Familie, die jetzt einen Kinderarzt sucht ist das auch nicht wirklich. Was könnte Familie De Vivo noch tun? Wenn sich tatsächlich kein Kinderarzt findet, so Birgit Grain von der KVB, dann sei es auch möglich einen Hausarzt als Kinderarzt mit ins Boot zu holen. Ob Hausärzte Patienten unter 14 Jahren annehmen sei ihnen freigestellt, sie dürfen das, müssen aber nicht. Grain rät auch noch einmal bei der Krankenkasse vorzusprechen, die in der Regel gerne helfen, wenn ihre Kunden einen Arzt suchen. Auch der Gang ins Internet kann helfen. Unter www.kvb.de können alle Kontaktdaten der Ärzte der Region abgerufen werden.   

Der kleine Mario ist wieder gesund, der Husten fast vergessen. Eine Atempause für Familie De Vivo, vielleicht klappt es ja doch noch bis zur nächsten Erkältungswelle mit einem Kinderarzt. 

 
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  • Hasi98
    Dr. Hoffmann, der Kinderarzt in Niederwerrn nimmt immernoch Kinder auf. Vielleicht mal alle Kinderärzte in SW durchtelefonieren.
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  • clubfan2@gmx.de
    das Gleiche gibt es aber auch bei älteren Menschen.

    die waren 40 Jahre beim gleichen Hausarzt
    der macht jetzt mit 75 seine Praxis zu
    Nachfolger gibts keinen...

    und eine andere Praxis nimmt ihn nicht auf
    weil sie "Voll" sind...

    Ohne Worte was hier abläuft...
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  • kurt-bach@gmx.de
    Wie sieht das bei diesen Ärzten denn mit dem hippokratischen Eid / Genfer Gelöbnis aus?
    Auch wenn es dem Kind jetzt nicht hilft; mit einem Zeugen zum Kinderarzt gehen und bei Ablehnung Anzeige erstatten wegen unterlassener Hilfeleistung (Meineid?).
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  • 50Hertz
    Lieber Mitforist "Kurtbach"….
    ich erlaube mir mal ein paar Bemerkungen zu ihrem post. Danke zwinkern

    1. Den Hippokratischen EID können Sie absehbar vergessen. Die Einstellung
    jüngerer Ärzte aber besonders die der Ärzte welche aus völlig anderen Kulturkreisen
    in das dt.Gesundheits-System einströmen ….Ha,Ha Ich red mal nicht weiter .OK
    2. Immer noch- abgesehen von wirklichen Kleinkindern- wäre, war zumindest ein
    ortsnaher, der Familie und den Umständen vertrauter klassischer Hausarzt das
    non plus Ultra. Der kam bis dato auch Sonntags nachmittags und kannte das Kind.
    Verstehen Sie was ich meine ?
    3. Wenn die Gesellschaft dann gerne den sog.Fach-Arzt = in diesem Fall Kinderarzt
    umfänglicher zur "Verfügung" haben möchte, dann bitte schön honoriert das auch.
    Bzw. es muss Druck erzeugt werden ( KV !) denn die Tatsache , dass Augen, Kinder
    ua.Arzt nur ein Drittel, ein Fünftel eines Orthopäden oder nehmen wir Radiologen ein 10 Zehntel dessen Einkommen erhält scheint mir doch ziemlich ursäc
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