Eigentlich ist es "nur" eine Personalie, in diesem Fall aber eine besondere: Yvonne Riegel-Then wurde als erste weltliche Frau in der über 150-jährigen Geschichte der Kongregation der Würzburger Erlöserschwestern zur Personalchefin für die beiden Krankenhäuser St. Josef in Schweinfurt und Theresienstift in Würzburg ernannt. Ebenso besonders ist der Werdegang der 42-Jährigen aus Stadtlauringen. Sie ist gelernte Krankenschwester, engagierte sich 14 Jahre in der Mitarbeitervertretung und begann mit 40 Jahren noch einmal ein Studium, das ihr die Tür in die Geschäftsleitung öffnete. Jetzt ist sie zuständig für 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Yvonne Riegel-Then: Nein, nie. Das hat sich so ergeben. Ich habe in der Pflege angefangen und nebenbei beim bayerischen Bildungswerk Betreuungsassistenten ausgebildet. Das hat mir gefallen, deshalb bin ich zum damaligen Krankenhausdirektor Martin Stapper und habe gesagt, ich möchte gerne im Lehrberuf arbeiten. Er empfahl mir dann den Studiengang Leadership im Gesundheitswesen, ein Pilotprojekt an der Fachhochschule in Ansbach. Nach dem Abschluss erhielt ich das Angebot als Assistentin der Geschäftsleitung zu arbeiten. Er hat mich immer gefördert und wollte, dass ich meine Fähigkeiten nicht nur in der Pflege einbringe, sondern für alle Mitarbeiter im Hause. Deshalb habe ich dann nochmal mit 40 Jahren ein Personalentwicklungsstudium an der Apollo-Hochschule in Bremen gestartet.
Riegel-Then: Nein. Ich habe das nie so gesehen, dass sich zwei Seiten gegenüberstehen. Wir arbeiten zusammen, nicht gegeneinander. Natürlich gibt es Reibungspunkte und man muss Kompromisse eingehen. Für mich war es aber immer ein gemeinsames Wirken für die Mitarbeiter. Dieses gemeinsame Ziel verfolge ich auch zukünftig.
Riegel-Then: Ja in jedem Fall. Und es ist ein großer Vorteil, dass ich aus der Pflege komme. Ich weiß wie sich eine Krankenschwester in der Nachtschicht fühlt. Wenn sie mit weinenden Augen heimgeht und denkt, hoffentlich habe ich nichts vergessen. Ich habe das selbst erlebt. Ich weiß, was die Pflegekräfte leisten, wenn sie – wie jetzt – mit Isolationskleidern und Schutzmasken kranke Menschen pflegen. Hier ist meine Fürsorge nach Lösungswegen groß, ertragbare Schichtzeiten und Arbeitsbedinungen zu schaffen. Ich habe vollstes Verständnis für die Mitarbeiter, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, was sie leisten.
Riegel-Then: Nein, überhaupt nicht. Dieses Bild vom Personalchef ist längst überholt. Mein Aufgabengebiet ist sehr komplex und spannend, es ist ein Zusammenspiel mit vielen Kolleginnen und Kollegen. Es geht nicht nur um Einstellungen oder Entlassungen, ich muss auch einen Weitblick für mein Personal haben. Das heißt, ich schaue mir den Mitarbeiter an, seine Begabung, sein Potenzial, seine Kompetenzen, um ihn nach seinen Talenten einzusetzen. Dann weiß ich, dass er sich wohlfühlt und für unser Krankenhaus eine Superleistung bringt.
Riegel-Then: Das reizvolle ist, dass ich mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun habe. Und die Pflege ist ja nicht ganz weg. Es gibt viele Schicksale oder kranke Mitarbeiter, die unterstützt oder betrieblich eingegliedert werden müssen. Der Kontakt mit Menschen ist nicht weniger als in der Pflege, es ist halt ein anderer. Ich bin mehr ein Partner. Aber ich muss verlässlich und authentisch sein.
Riegel-Then (lacht): Ich bin kein Typ, der sich hinter Akten versteckt. Ich bin anfassbar und greifbar für unsere Mitarbeiter. Viele, die mich schon als Krankenschwester-Schülerin kannten, haben mich gefragt, muss ich dich jetzt siezen. Nein, das müssen sie natürlich nicht.
Riegel-Then: Ich glaube es ist gerade andersherum. Das Personalwesen ist ein ganz anspruchsvoller Job. Und ich glaube, es wird hier deshalb eher die Frau eingesetzt, weil sie eine anders geartete Kommunikationsstrategie hat. Ich versuche immer, mich auf mein Gegenüber einzulassen. Ich glaube, dass Frauen kommunikativer und kompromissbereiter sind. Und sie sind feinfühliger, aber auch konsequent, wenn Regeln verletzt werden. Gerade in unserem christlichen Haus ist die Wertschätzung von Menschen ganz wichtig. Wenn es da Verfehlungen gibt, sind Frauen konsequent.
Riegel-Then: Ich hatte in der Vergangenheit schon manchmal das Gefühl, dass ich mich beweisen muss. Aber mittlerweile wissen alle, dass ich meine Arbeit ordentlich und gewissenhaft erledige, somit verschafft man sich Respekt. Natürlich muss ich im Kreis meiner männlichen Kollegen meine Frau stehen und manchmal nach den richtigen Worten suchen, um sie von einem anderen Weg als den traditionellen zu überzeugen. Aber das ist ja die Stärke einer Frau. Wir können über den Tellerrand gucken und sind wahre Organisationstalente (lacht). In der Belegschaft übrigens haben sich alle wahnsinnig gefreut über meine Beförderung, weil jetzt oben jemand mitredet, der die Arbeit unten kennt.
Riegel-Then: Ich möchte die Fort- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter forcieren und eine Servicestelle fürs Personal einrichten, die sich vor allem um den Onboarding-Prozess von neuen Mitarbeitern kümmert. Außerdem möchte ich die Zusammenarbeit mit der Kongregation ausbauen und mehr gemeinsame Projekte starten. Klar bin ich auch Führungsperson und unterstütze unsere Leitung in Führungsaufgaben, aber in erster Linie sehe ich mich als Dienstleister für die Mitarbeiter in unserem Haus.
Riegel-Then: Mein Herz hängt da schon dran. Das Grundeigenste, was ich gelernt habe, ist ja, Menschen zu pflegen. Aber gerade dadurch, dass ich das gelernt habe, habe ich so viel mitgenommen für meinen jetzigen Job. Denn wir pflegen ja nicht nur den Körper, sondern auch Geist und Seele. Wenn ich als Personalchefin Mitarbeitern gegenübersitzen, kann ich das einsetzen.
Riegel-Then: Ja, ich genieße unser Zuhause. Wenn ich heimkomme, dann bin ich nur Mutter und Ehefrau. Ich komme aus Stadtlauringen, und als Einzelkind war es mir immer wichtig, in der Nähe meiner Eltern zu bleiben. Wir fühlen uns dort sehr wohl.
Riegel-Then: Natürlich. Wir machen viel Wassersport. Meine Eltern haben Pferde, und wenn es die Zeit erlaubt, reite ich mit meinen Töchtern aus. Ich lese auch wahnsinnig gerne, historische Romane vor allem. Da kann ich abschalten. Und mein Mann und ich reisen gerne, nach Schottland oder England. Da war ich mit 17 Jahren als Au-pair und da ist die Liebe für das Land geblieben. Übrigens habe ich damals in der Familie einer Krankenschwester gearbeitet. Welch' Zufall.
Riegel-Then: Zu allererst sollte man sich nicht entmutigen lassen, immer wieder aufstehen und weitergehen. Aber wichtig ist vor allem, das zu machen, wofür das Herz schlägt. Ich wollte schon als Kind Krankenschwester werden. Und auch wenn ich nicht mehr in der Pflege arbeite, bin ich noch nah dran. Sie ist nach wie vor ein Teil von mir.