
Die Stadtratssitzung, in der über den Haushalt und den Finanzplan der Stadt abgestimmt wird, dient traditionell auch immer zu einer Standortbestimmung der einzelnen Fraktionen. Den Auftakt der Redebeiträge übernahm allerdings Bürgermeister Thorsten Wozniak.
Man verfolge in den kommenden Jahren einen klaren Plan, so der Bürgermeister. Dazu gehören Investitionen in Neubaugebiete für junge Familien, aber auch Investitionen in Gewerbe- und Industriegebiete. "Und wir sind uns weiterhin unserer Verantwortung gegenüber unserer Geschichte und unseres historischen Erbes bewusst. Wir wollen, dass sich die Menschen bei uns wohlfühlen."
Bekenntnis zum Wohnort
Der Haushalt zeige ein klares Bekenntnis zum attraktiven Wohn- und Familienstandort Gerolzhofen. Sechsstellige Beträge stünden für die Sport-, Vereins- und Kulturförderung zur Verfügung, ebenfalls sechsstellig werde in die Verbesserung der Spielplätze investiert. Daneben werden hohe Summen für Straßen, Kanal- und Wasserleitungen eingesetzt. "Es wird also weiterhin einige Baustellen in der Stadt geben – aber wo Baustellen sind, bewegt sich was."
Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Arnulf Koch, bezweifelte, ob unter der Pandemie-Situation, die eindeutig alle Prozesse verlangsame, überhaupt ein Investitionsprogramm von 13,1 Millionen Euro verbaut werden kann. Gleichzeitig warnte er vor einem weiteren Aufbau von Schulden. Mittelfristig müsse sich der Gesetzgeber äußern, ob es noch gewünscht ist, dass eine Kommune freiwillige Leistungen erbringt. Aktuell seien die freiwilligen Leistungen der Stadt nur durch Schuldenaufnahme zu finanzieren. "Sollen Vereine und Ehrenamt noch unterstützt werden? Soll es noch Büchereien geben? Soll es noch Schwimmbäder geben? Soll es noch Museen geben?"
Hilfe für das Mittelzentrum
Falls ja, dann brauche die Stadt eine gesicherte staatliche Refinanzierung. Deshalb sei es richtig, sich beim Freistaat um Stabilisierungshilfen beziehungsweise Bedarfszuweisungen zu bewerben. Dies sei keine Schande, sondern eine bewusste Förderung des Staates für ein kleines Mittelzentrum wie Gerolzhofen, das viele Einrichtungen wie Bad, VHS oder Bibliothek für die gesamte Region vorhält, ohne dass dafür eine Refinanzierung aus der Region zurückkommt.
Die Pandemie zeige, dass bei der Digitalisierung der Verwaltung noch großer Verbesserungsbedarf vorliege. Dies gelte auch für den Stadtrat, der trotz Corona mangels digitaler Alternativen bei Sitzungen noch immer stundenlang in einem Raum zusammenkommen müsse und dabei seine Gesundheit riskiere. Um Alternativen umsetzen zu können, müsse aber auch der Glasfaserausbau in der Stadt vorangetrieben werden. "Mit einem 50 Jahre alten Kupfer-Netz ist dies nicht darstellbar."
Mehr auf den Unterhalt achten
Für die SPD-Fraktion sprach 2. Bürgermeister Erich Servatius. Im gesamten Stadtgebiet sei bei der Fülle der Aufgaben der Unterhalt zu kurz gekommen, kritisierte er. "Einige unserer Straßen sind wie Gesichter – mit Falten und kleinen Rissen." Man müsse in Zukunft besser auf den Unterhalt achten, dies erhöhe die Lebensdauer der Bauwerke. "Sollte der Unterhalt versagen, sind die Mängel nur mit einem großen finanziellen Aufwand zu beseitigen." Servatius begrüßte es, dass in diesem Jahr der Startschuss zur Sanierung des Marktplatzes und der Spitalstraße erfolgt. Hier sollten Lösungen gefunden werden, die allen zu Gute kommen.
Günter Iff betonte für die Freien Wähler: "Einsparen ist härter als Ausgeben." Es sei in der aktuellen Phase wichtig, die Schulden nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Es gelte, bei allen anstehenden Investitionen sorgfältig abzuwägen. Dies gelte auch für die Gewerbe- und Industriegebiete. Man müsse hier künftig mehr Sorgfalt bei der Vergabe der städtischen Flächen an den Tag legen. "Wir haben Fehler gemacht", gestand Iff.
"Das süße Gift"
Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, attraktive Baugebiete für Familien auszuweisen, möglichst auf Flächen, die sich in städtischem Besitz befinden. "So können wir Steuerzahler binden." Dabei dürfe man die Innenentwicklung aber nicht vergessen. Die geplanten Investitionen in den Straßenbau, in Wasser und Kanal trage seine Fraktion mit. Kritisch sehe man allerdings, im Gegensatz zur CSU, die Stabilisierungshilfen des Staates. Diese seien ein "süßes Gift", so Iff, denn freiwillige Leistungen seien dann, wenn man die Bedarfszuweisung erhalte, nicht mehr erlaubt. Die Stadt gebe das Heft des Handels aus der Hand, und dies sei nicht gut.
Thomas Vizl sagte für Geo-net, 2021 werde durch die Corona-Pandemie ein besonderes Jahr. Wenn die Pandemie aber überwunden sei, warte wieder ein viel größeres Problem: der Klimawandel. Man könne hier vor Ort natürlich den Klimawandel nicht stoppen, aber zumindest dessen Folgen abmildern. Wassermangel und hohe Temperaturen würden neue Konzepte in der Landwirtschaft, bei der Mobilität und der Energiewende erfordern. Einiges habe man lokal schon begonnen, "aber wir müssen noch viel mehr machen".
Versiegelung als Ausnahme
Dazu gehöre es auch, die fortschreitende Flächenversiegelung zu stoppen. "Probleme können nicht auf Dauer durch weitere Versiegelung von landwirtschaftlichen Flächen gelöst werden." Die Versiegelung müsse künftig die Ausnahme sein. Statt dessen gelte es, die Innenstadt und ältere Wohn- und Gewerbegebiete zu entwickeln. "Leider fehlt in Gerolzhofen noch das erforderliche Verständnis für diese einfache Notwendigkeit."
Auch mit der Gesellschaftspolitik befasste sich Vizl. "In Gerolzhofen soll die Welt in Ordnung bleiben." Es sei zu begrüßen, dass im Stadtrat keine Rechtsradikalen vertreten seien. Vizl lobte in diesem Zusammenhang das Engagement von Nachbarschaftshilfe und Asylkreis.