Was ist ein Stilleben mit Krug und Flaschen wert? Wie verkauft man am besten einen echten Van Severdonck aus dem 19. Jahrhundert? Oder was würde die Reinigung eines Ölbildes mit Tessiner Landschaft aus den 1930-er Jahren kosten? Fragen, die Gemälde-Restaurator Udo Cox beim Bildertag in Hergolshausen beantwortete. Inklusive persönlicher Einblicke, was denn Kunst eigentlich ist.
In den Geschäftsräumen von Peter Oberhofer herrscht ein bisschen "Kunst und Krempel"-Atmosphäre. Im 20-Minuten-Takt kommen Besitzer mit Bildern aller Art, um ihre Schätze beurteilen zu lassen. Den kostenlosen Service organisiert der Schweinfurter Rahmenfertiger und Buchbinder Oberhofer, der vor zwei Jahren nach Hergolshausen zog.
"Woher haben Sie das Bild?", will Experte Udo Cox von der ersten Besucherin wissen, die ihm ein Stilleben auf den Tisch legt. "Ich habe natürlich ein bisschen von der Fernsehsendung abgeguckt", sagt der 76-Jährige und lächelt verschmitzt. Mit seinem weißen Bart und dem grauen, zu einem Zopf gebundenen Haar entspricht der freischaffende Restaurator der landläufigen Vorstellung eines Künstlers.
In 99 Prozent der Fälle ist das "wertvolle Bild" aus Opas Erbe nicht wirklich viel wert
Cox versteht sich als Nachbarschaftshelfer, zumal er in seinem Leben, mit Arbeiten in Museen und Galerien, fast alles gesehen habe. "Ich habe gemerkt, dass die Nachfrage von der Erbengeneration da ist", erzählt er. Oft höre er, man habe ein Bild vom Großvater geerbt, der immer gesagt habe, das sei viel wert. "Zu 99 Prozent hat er nicht recht gehabt."
Das Stilleben hat Inge Hochhaus für wenig Geld selbst gekauft. "Mir hat das Bild einfach gefallen, die Farben und auch der Stil", erzählt sie. Cox ordnet es in die 1960-er Jahre ein, auch mit Blick auf den leinenbeklebten Rahmen.
Die Maltechnik sehe er sich natürlich an, erklärt Cox, auch das Material, hier eine Leinwand, deren Befestigung, und was auf die Rückseite geschrieben sei. Bei diesem Gemälde erkenne er einen Maler, der sich ernsthaft mit der Kunst auseinandergesetzt und sich an den Stil der Impressionisten der 1920er Jahre angelehnt habe.
Was die Signatur eines Bildes über die Qualität aussagen kann
"Aber das Bild ist ein bisschen schwächlich", meint der gebürtige Rheinländer, der in Gerolzhofen wohnt. Der Maler habe sich zwar bemüht, Töpfe und Flaschen zusammenzustellen. "Aber das verschwindet fast im Vorhang und der Sinn der Zusammenstellung ist nicht erkennbar."
Eine Signatur "HAAG" ist auffällig in der Mitte platziert. Der Name sagt Cox nichts. Aber offenbar habe der Maler das Bedürfnis gehabt, sich zu zeigen. "Je schwächer die Bilder, umso stärker die Signatur."
Mit seinem Handy fotografiert Cox das Bild und lässt über die App "Lens" Vergleichbares suchen. Ähnliche Bilder werden für 50 oder 150 Euro angeboten. Das passt zu dem Preis, den die Käuferin einst zahlte. "Mir gefällt es trotzdem", sagt sie und lacht.
Wo verkauft man einen Schatz aus den Niederlanden?
Mit Lupe, Taschenlampe und UV-Licht ist Cox beim nächsten Ölgemälde zugange. "Damit kann man bemerken, ob etwas retuschiert, also nachträglich verändert worden ist", sagt er. Das Bild aus dem 19. Jahrhundert mit den drei Schafen und einem prächtig verzierten Goldrahmen ist für den Restaurator "glaubwürdig". Zumal es auch auf eine rötliche Holztafel gemalt ist, "typisch für die Niederlande oder Belgien, wo einst mit Mahagoni gehandelt wurde".
Den Namen "Frans van Severdonck" auf dem Schild am Rahmen findet Peter Oberhofer via Internet und dazu ähnliche Bilder des Malers. Diese wurden beim Auktionshaus Lempertz schon für 4000 Euro verkauft. "Ich hätte dieses Bild auf 3000 Euro geschätzt, aber die Nachfrage ist offenbar da", meint Cox.
Besitzer Marcus Renner berichtet, dass er das und andere Bilder der verstorbenen Eltern verkaufen wolle. Der Tipp des Restaurators: Nicht zu einem Antiquitätenhändler gehen, wie der Besitzer vorhatte. Vielmehr solle er sich an das Auktionshaus wenden, das schon einmal einen Van Severdonck verkaufte.
Wenn sich ein Gemälde als "Möbelhaus-Zubehör" entpuppt
Ebenfalls aus einem Nachlass bringt ein Ehepaar ein flaches Gemälde, betitelt mit "Abend am Bodensee". Nicht nur der Rahmen erinnert an die 1970-er Jahre. "Das ist Möbelhaus-Zubehör", meint Cox. "Das zähle ich nicht zu Kunst". Und überlegt, wie er freundlich, aber deutlich sagen kann, dass das "08/15"-Stück nichts sei, was man vererben könne. "So etwas findet man oft im Sozialkaufhaus".
Anders verhält es sich mit einem handkolorierten Druck der Stadt Pirna, Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Stockflecken auf dem Papier zu reduzieren, wäre im Verhältnis zum Preis von etwa 50 Euro zu teuer. Aber die mundgeblasene Glasscheibe erlöse gut und gerne 30 Euro. "Fälscher suchen so etwas", sagt Cox grinsend.
Eine Landschaft bei Lugano wird ihm vorgelegt, im Stil der neuen Sachlichkeit der 1920-er Jahre. "Man könnte es reinigen lassen, ich wüsste da jemanden", sagt Cox lachend. Aber finanziell lohne es sich nicht. Denn er brauche mit dem Wattestäbchen mindestens zwei Tage. 800 Euro müsse er dafür verlangen, das Bild selbst bringe vielleicht 250 Euro. "Aber wenn man es selbst aufhängen will, hat man mehr Freude daran".