Islamunterricht an bayerischen Schulen: Ein Thema, das heftig und kontrovers diskutiert wird. Seit mehr als zehn Jahren gibt es ihn, vornehmlich an rund 350 Grund- und Mittelschulen, darunter auch Schweinfurt. Der Modellversuch Islamunterricht, der im Juli dieses Jahres auslaufen sollte, wurde erst im Frühjahr um zwei Jahre verlängert, danach soll er Wahlpflichtfach, also kein Regelfach, werden.
Regelunterricht ist deshalb nicht möglich, weil Muslime in Deutschland keinen Status als Körperschaft des Öffentlichen Rechts und als Religionsgemeinschaft haben, die den Regelunterricht einfordern könnten. Auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft "Elternschmiede" der lokalen Agenda 2030 wurde das Thema in der Schweinfurter Rathausdiele diskutiert. Hamza Özkan ist einer von rund 100 staatlich ausgebildeten Islam-Lehrern in Bayern und er unterrichtet das Fach an einem halben Dutzend Grund- und Hauptschulen in Schweinfurt. Gleichzeitig ist er Vorsitzender des Vereins "Selam Mainfranken". Michél Schnabel, vor acht Jahren zum Islam übergetreten, und Vereinssprecher von "Selam Mainfranken", und Said Topalovic, an der Uni Erlangen-Nürnberg zuständig für die Ausbildung von Islam-Lehrern, waren ebenfalls nach Schweinfurt gekommen, um in das Thema einzusteigen.
Weiteren kulturellen Brüchen entgegenwirken
Bürgermeisterin und Agenda-Sprecherin Sorya Lippert forderte zum Auftakt der Diskussion, am fehlenden gemeinsamen Wertefundament in der Gesellschaft zu arbeiten. Aufbruchstimmung und sich anbahnende Verständigung, wie sie noch vor Jahrzehnten zu spüren waren, seien der Angst vor der Aufteilung der Welt in muslimischen Orient und christlichen Okzident gewichen. Weiteren kulturellen Brüchen entgegenzuwirken, forderte auch Pfarrer Rainer Maria Schießler, der aus München angereist war, um den Abend zu moderieren.
Der Staat sei schon deshalb gefordert, weil man den Religionsunterricht muslimischer Kinder nicht den "Import Imamen" überlassen dürfe. Ein "Glaubenswissensunterricht", der nicht den Glauben der Kinder benotet, sondern sie darin unterweist, was ihren Glauben ausmacht, müsse das Ziel jedes Religionsunterrichts sein, denn "es gibt nichts intimeres als die Liebe und den Glauben", so Schießler.
Hintergrundwissen über die Religion vermitteln
Auch der wissenschaftliche Mitarbeiter des Departments für Islamisch-religiöse Studien mit einem Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik an der Uni Erlangen-Nürnberg, Said Topalovic, vertritt die Meinung, dass Religionsunterricht vornehmlich als Wissens- und nicht als Glaubensvermittlung funktioniert. Die Frage nach Gott, nach der Natur des Menschen und seiner Spiritualität sei Jedem mitgegeben. "Woher komme ich, was passiert mit mir nach dem Tod?" Fragen, die sich alle Menschen stellen. Religionsunterricht sei ein Weg, junge Menschen auf der Suche nach ihrer Spiritualität zu begleiten. Dies sei umso wichtiger, weil vor allem in der digitalen Welt Seiten existieren, die sich zum Ziel gesetzt haben, junge Leute zu radikalisieren. "Wenn Religion mit Nationalismus zusammenkommt wird es gefährlich", so Topalovic.
Islam-Lehrer Hamza Özkan bezeichnete die deutsche Sprache als Schlüssel. "Wenn man die nicht beherrscht, kommt es zu Missverständnissen." Er selbst, als kleines Kind nach Deutschland gekommen, habe auch zum Beispiel immer nach einer "8" Ausschau gehalten, wenn der Lehrer "Achtung" sagte. Kleine Missverständnisse, die zu größeren Irritationen würden, wenn sie nicht aufgeklärt werden. Im Islam-Unterricht würden interkulturell und interreligiös christliche und muslimische Ansichten miteinander verglichen, gehen muslimische Kinder auch einmal in eine Kirche und umgekehrt, begrüßt man sich auch mal mit "Grüß Gott".
Sprache als Schlüssel zum Verständnis
Auch Michél Schnabel untermauerte die Bedeutung der Sprache und des ersten Eindrucks von Muslimen im neuen Land. Er schilderte das Beispiel einer Zwölfjährigen, die in ihrer neuen Klasse auch mit ihrer Religion ernst genommen wurde. Innerhalb von wenigen Monaten habe das Mädchen mit Feuereifer Deutsch gelernt und sei heute auf dem Weg zur Zahnärztin. Andere junge Frauen, denen man die ideale der freien Liebe offeriert habe, seien davon schlichtweg überfordert gewesen, worauf sie sich abwendeten und der Integration verweigerten. Wichtig sei deshalb, die jungen Leute dort abzuholen wo sie stehen. Muslime die hierher kommen, befänden sich häufig in einer Zwickmühle nach dem Motto "Welcher Teil meiner Identität ist in Ordnung, welchen verschweige ich lieber", denn es herrsche große Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden. Ein Problem, das dadurch verschärft werde, dass es im Islam teils konkurrierende Glaubensschulen gebe.
Es brauche viel innere Stärke, den eigenen Weg, die eigene Identität zu finden. Deshalb habe der Islam-Unterricht einen hohen Stellenwert, könne aber nie die Arbeit in der Moschee ersetzen. Radikalisierung entstehe dann, wenn jemand die eigene Kultur nicht mehr richtig verstehe und in der neuen noch nicht angekommen sei. "Dann gehen die ins Internet und landen womöglich auf einer Seite mit radikalen Inhalten." Schnabels Einschätzung: "Wenn jemand sich radikalisiert, sind die Moscheegemeinden die ersten, die sich an den Verfassungsschutz wenden."
Die Gesellschaft hat ein Werteproblem
Frieden unter den Religionen und Generationen - das wünschten sich abschließend alle Diskussionsteilnehmer. Die Gesellschaft kämpfe in erster Linie mit einem Werteproblem, denn Religiosität und Spirtualität würden ganz allgemein nicht ausreichend wertgeschätzt.