Der Titel des Programms ist genau das, was am Ende bleibt: Ein großes, ehrliches WOW.
Was für ein Abend, was für Künstler. Eine Weltpremiere, nennt es Dirk Denzer, Veranstalter des Internationalen Varietéfestivals. Noch nie, sagt Denzer, hat er für eins seiner Festivals und explizit eine Show so viele Preisträger verpflichtet. Die Show „Varieté WOW“ selbst basiert wohl auf dem Konzept ihres Hauptdarstellers, Clown Housch ma Housch. Wow, heißt eines seiner Programme, bei dem der Avantgardist der Szene Klammer des Ganzen und gleichzeitig Hauptact ist.
Wer an Clowns denkt, kommt bei Semen Shuster, alias Housch ma Housch, nicht weit. Bei ihm trifft alles zusammen: mitreißende Comedy, flapsige Gags, kleine, poetische Momente. Schwarzer Anzug, gepunktete Riesenkrawatte, das Gesicht weiß geschminkt, die Haare stehen wild zur Seite. So kommt er auf die Bühne, nachdem auf der Leinwand sein gezeichnetes Ich in einem Trickfilm die Türe hinter sich zugezogen hat. Housch ma Housch arbeitet multimedial, mit allen Tricks, doch vor allem zwischenmenschlich. Das Publikum liebt ihn. Die Interaktion ist seine große Stärke, das wird im Lauf des Abends immer deutlicher, wenn er gemeinsam mit zwei Zuschauern und dem kompletten Publikum beatboxend Musik macht, an einem unendlichen Paketband zieht und zerrt, bis eine Melodie erklingt und die ersten begeistert mitsingen: „We will, we will rock you!“
Man will ihn gar nicht gehen lassen, als nach drei Stunden die Künstler stehenden Applaus ernten, und Housch ma Housch doch noch einmal auf die Bühne kommt. Mit einer kleinen Ziehharmonika. Ein letztes, sanftes Lied, dann geht auch er. Schön und schade zugleich.
Preisgekrönt beim Zirkusfestival von Monte Carlo
Der Ukrainer hat beim Internationalen Zirkusfestival von Monte Carlo zweimal Bronze geholt. Und er ist nicht der einzige. Preisgekrönt sind auch Handstandakrobat Anatoliy Zalevskiy, Comedy-Magier Otto Wessely und die Pellegrini Brothers. Preiswürdig, so denkt man am Ende, wären sie alle.
Jongleure lassen die Hosen herunter
Zum Beispiel das Jongleur-Duo Strahlemann und Söhne. Was zuerst nett aussieht, wird zur extravaganten Jonglage-Comedy, wenn die beiden Herren mal eben während des Jonglierens ihre kompletten Anzüge tauschen. Samt Krawatte, samt Schuhen. Comedy pur ist auch Otto Wessely aus Frankreich, der mit seiner Partnerin schon am Tag zuvor begeistert hat. Ein Künstler, der ausgelutschte Varieténummern aufs Korn nimmt, indem er sie völlig überzeichnet und nicht einmal den Versuch unternimmt, die Tricks zu retten.
Top-Comedy trifft Top-Artistik
Top-Comedy trifft Top-Artistik, hat Denzer am Anfang versprochen. Und Wort gehalten. Was das Duo Rose aus den USA am Trapez zeigt, erinnert an einen Tanz, einige Meter über dem Publikum, voller Perfektion, fast zärtlich. Dass es ein Kraftakt ist, vergisst der Zuschauer bei den beiden ebenso wie bei dem Auftritt von Anatoly Zalevsky, der Ästhetik mit Handstandakrobatik verbindet wie kein zweiter. Zalevskys Auftritt ist ein stiller, sanfter. Ein Moment zum Genießen, fasziniert sein.
Auch Mikhail Stepanov geht in diese Richtung bei seinem Act an den Strapaten. An den langen Gurten hebt er sich in die Höhe, ein akrobatischer, poetischer Auftritt zu klassischer Musik, dem er einen zweiten, völlig gegensätzlichen am Cyr Wheel gegenüberstellt. Der riesige Reifen, der Artist, beides scheint zu vermelzen, wirbelt zu Techno-ähnlichen Beats über die Bühne.
Geballte Kraft und Ästhetik findet sich auch bei den Pellegrini Brothers aus Spanien, die Handstandakrobatik zur vier-Männer-Show machen und schier unglaubliche Teamarbeit leisten. „Wahnsinn“, flüstert einer im Publikum. Und hat Recht. Die Artistik, die hier gezeigt wird, verzichtet auf Schischi, auf Glitzerroben und große Gesten, sie besticht durch Perfektion, moderne Choreografie und außergewöhnliche Ideen.
Wie es gelingt, zum Festival in dem kleinen Sennfeld so viele Künstler von Weltklasse zu holen, darüber wundern sich auch die Künstler, sagt Denzer später. Und gibt die Antwort: „Weil wir es wollen!“ Die Region, die Sponsoren, die Macher und vor allem das Publikum. Das macht gerade das Festival zum gefeiertsten bisher. Aktuell, sagt Denzer, liegt die Auslastung bei 120 Prozent. Und noch immer sind Tickets zu haben, unter anderem für die Zusatzvorstellung am 13. Mai.