Kommunikation kann schwierig sein, vor allem wenn man die Sprache seines Gegenübers nicht versteht. Für viele Gehörlose ist das Alltag. Zwar können viele von ihnen Lippen lesen - erschwert wird das allerdings durch die Maskenpflicht auf Grund von Corona. Die Kunsthalle Schweinfurt hat sich nun ein neues Konzept überlegt, um die Kunst auch Menschen mit Hörbehinderung zugänglich zu machen. "Inklusion heißt Museum für alle", erklärt Maria Schabel, wissenschaftliche Volontärin der Kunsthalle Schweinfurt und Leiterin der Inklusionsprojekte. Ab September bietet das Museum deshalb Führungen in Gebärdensprache an.
Inspiriert worden ist das Projekt in Schweinfurt durch die Aktion "Museum Signers", die letztes Jahr vom Gehörlosenverband München und Umland gegründet wurde, erzählt Sabrina Göb. Die 33-jährige Sozialarbeiterin ist selbst gehörlos und bietet in Zukunft die Gebärdenführungen in der Kunsthalle Schweinfurt an. In München, ihrem aktuellen Wohnort, gab es schon immer das Bedürfnis, Kunst Gehörlosen anzubieten und sie ihnen näher zu bringen, berichtet die Frau, die Familie in Gochsheim hat. "In das Projekt bin ich eingestiegen mit dem Hintergedanken, gerne etwas in meiner alten Heimat zu machen."
Deshalb nahm Göb im letzten Jahr an einer Schulung als Gebärdenführer für Museen in der bayerischen Hauptstadt teil. Nachdem sie von der Pop-Art Ausstellung des Künstlers Thomas Baumgärtel in Schweinfurt erfahren hat, trat sie in Kontakt mit Jochen Gräf, dem Vorsitzenden des Gehörlosenvereins Schweinfurt und der Kunsthalle, um dort ihr Führungen anzubieten. Dafür habe sie sich mit allen Informationen rund um Baumgärtel und seine Kunst vorbereitet. Bereits seit mehreren Monaten stünde das Inklusionsprojekt in Schweinfurt schon in den Startlöchern. "Doch dann kam Corona. Das hat natürlich alles auf Eis gelegt, war wie eine Vollbremsung." Umso mehr freue sich Göb, dass sie Kunstliebhabern nun Baumgärtels Ausstellung zugänglich machen kann.
Erste Gebärdenführung am 05. September
Die Premiere der Führungen für Gehörlose startet am 05. September um 11 Uhr mit der Pop-Art Ausstellung von Thomas Baumgärtel, so die Leiterin der Inklusionsprojekte. "Die Führung in Gebärdensprache findet genauso statt wie eine normale Führung auch." Rund eine Stunde dauere sie, je nachdem wie viele Fragen die Teilnehmer stellen würden. "Es ist ganz typisch, dass Gehörlose auch mal mitten ins Wort fallen, Fragen stellen und lebendig die Diskussion gestalten", erklärt Göb. "Das geht so viel besser, denn wenn ein Dolmetscher dabei ist, hat man immer das Gefühl, das geht noch über eine Ecke mehr." Es sei lebendiger, wenn Gehörlose zu Gehörlosen sprechen.
Doch Gebärdensprache ist nicht gleich Gebärdensprache. Ähnlich wie beim gesprochenen Wort gebe es auch bei der Zeichensprache verschiedene Dialekte. "Theoretisch verstehen sich alle Gehörlosen in Deutschland", sagt sie. Aber man erkenne ganz schnell, wer bayerische Gebärdensprache spricht oder einen norddeutschen Dialekt hat.
Gehörlose lesen auch die Mimik
Über 100 Gehörlose aller Altersklassen gibt es laut Schätzungen des Gehörlosenvereins Schweinfurt in Stadt und Landkreis. Je nach Alter der Teilnehmer, so Göb, gibt es bei den Führungen unterschiedliche Herausforderungen. "Früher wurde das Gebärden verboten", erläutert sie. "In der Schule wurde auf die Hände geschlagen, wenn man gebärdet hat." Die Kommunikation über das Fingeralphabet sei mit Senioren viel schwieriger, erklärt sie, da diese das Fingeralphabet oftmals nicht gut lesen können. Für die Wahlmünchnerin sei das allerdings kein Problem: "Da muss ich mich anpassen, aber ich habe auch immer Stift und Block dabei, um Fachausdrücke oder Namen aufzuschreiben."
Wer gehörlos ist und an einer Gebärdenführung teilnehmen möchte, kann die Kunsthalle Schweinfurt kontaktieren. Sowohl private als auch öffentliche Rundgänge fänden zukünftig in Absprache mit Göb statt. Bei Gruppenführungen sei die maximale Teilnehmerzahl momentan auf 15 Personen begrenzt. Allerdings dürfen Gehörlose ohne den Mund-Nasen-Schutz in die Kunsthalle, erklärt Schabel. "Das ist in der Ministerialverordnung so geregelt, da die Mimik und die Mundbewegung zur Gebärdensprache dazu gehört."
In einer früheren Version des Textes sprachen wir von "Taubstummen". Dieser Begriff ist aber diskriminierend, weswegen wir den Text geändert haben und nun korrekt von gehörlosen Menschen schreiben.