
"Es gab Sex zwischen dem Angeklagten und der Anzeigeerstatterin bei dem Date am frühen Nachmittag in ihrer Wohnung. Sie saßen zusammen auf dem Sofa, dann kam es zum Geschlechtsverkehr. Das ist Konsens zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten." So beginnt der Staatsanwalt sein Plädoyer vor dem Schweinfurter Schöffengericht – und fährt fort: "Aber war er einvernehmlich?"
Das ist die entscheidende Frage. Sie hat den 24-Jährigen, den sie im Internet kennengelernt und zu sich eingeladen hatte, wegen einer Vergewaltigung angezeigt. Er soll sie wohl mit einer Hand niedergedrückt, in die Lippe gebissen, mit Gewalt entkleidet und gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr ausgeführt haben. Aus erster Quelle kann dies nicht berichtet werden, weil die Öffentlichkeit auf Antrag der Nebenklage während ihrer Vernehmung von der Verhandlung ausgeschlossen war.
Es geht um Freiheit oder Haftzeit
Der Angeklagte dagegen hatte am ersten Verhandlungstag gesagt, sie habe ihn "zuerst geküsst", anschließend hätten sie sich gegenseitig ausgezogen, es sei dann zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen: "Es ist nichts gegen ihren Willen passiert." Danach sei die junge Frau plötzlich "komisch drauf" gewesen und hastig im Badezimmer verschwunden. Als sie ihn gebeten habe, zu gehen, habe er dies getan, so der 24-Jährige.
Welche der beiden Versionen stimmt? Es geht für den Angeklagten um Freiheit oder Haftzeit. Die objektiven Spuren – sehr leichte, auf den gefertigten Bildern kaum sichtbare Verletzungen an Lippe und Hals – stützen laut dem Würzburger Rechtsmediziner weder einen lang ausgeführten Biss im Lippenbereich, noch ein Niederdrücken oder Gewalt beim Sex. Das gäben die Spuren nicht her. Dann ist da eine Chatnachricht mit ihrem Ex-Freund, mit dem die 21-Jährige wohl sehr kurz vor der angeklagten Tat Geschlechtsverkehr hatte. Sie beschreibt darin recht robuste sexuelle Praktiken, die ebenfalls zu den vom Rechtsmediziner geschilderten leichten Verletzungen führen könnten.
Der Staatsanwalt beantragt Freispruch
Wem also soll man glauben? Der Staatsanwalt jedenfalls findet die "Aussage der Anzeigeerstatterin zum Kerngeschehen nicht konsistent", wie der Angeklagte sie entkleidet haben soll. Nach der Beweisaufnahme ist er jedenfalls nicht mehr überzeugt, dass es im Februar letzten Jahres zu einer Vergewaltigung durch den Angeklagten gekommen ist. Er plädiert folglich auf Freispruch.
Ganz anders der Vertreter der Nebenklage: "Sie ist Opfer von etwas geworden, was sie nicht wollte" – diesen Sex mit dem Angeklagten. Bei allen Widersprüchen gebe es ausreichend Anhaltspunkte, von einer wahrheitsgemäßen Aussage seiner Mandantin auszugehen. Er forderte einen Schuldspruch wegen Vergewaltigung.
Die beiden Verteidigerinnen schlossen sich mit zahlreichen Argumenten dem Plädoyer des Staatsanwalts an. Weder passten laut dem Sachverständigen die Verletzungen der Anzeigeerstatterin zu einer Vergewaltigung, noch sei diese, wie von der jungen Frau geschildert, "technisch möglich". Die Anklage werde durch nichts gestützt. Also: "Freispruch, und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse".
Im Zweifel für den Angeklagten
Das Urteil ist dann keine Überraschung mehr. Das Schöffengericht spricht den 24-Jährigen frei. Die vom Angeklagten geschilderte Variante von diesem Date sei die plausiblere, die Aussage der Geschädigten mit erheblichen Widersprüchen versehen. "Einer Variante müssen wir folgen", so der Vorsitzende: "Im Zweifel für den Angeklagten." Gegen das Urteil sind Rechtsmittel der Nebenklägerin möglich.