Frauen können schneller pflücken. Deshalb arbeiten hauptsächlich weibliche Saisonkräfte in den Erntezellen der Champignonzuchtanlage bei Eßleben. Eine gute Pflückerin bringt es auf 25 Kilogramm in der Stunde. Bei einem 10-Stunden-Tag sind das 250 Kilogramm Champignons oder 625 handelsübliche 400-Gramm-Verkaufsschalen, die eine Pflückerin am Tag befüllt. 15 bis 20 Tonnen werden insgesamt täglich geerntet.
Vor acht Jahren hat sich die norddeutsche Wesjohann GbR am Ortsrand von Eßleben niedergelassen und auf einer Fläche von vier Hektar eine moderne Zuchtanlage gebaut. Der Firmenslogan "Pilzland aus gutem Grund" heißt in Eßleben "Pilzland auf gutem Grund", sagt die örtliche Biolandwirtin Gertraud Göb. Denn die Zuchtanlage steht auf bestem Ackerboden, obwohl die Pilze gar keine Scholle brauchen. Sie wachsen auf Hochbeeten in Zucht- und Erntezellen, die mit selbst produziertem Substrat befüllt werden.
Jeden Tag karren sieben bis acht Lastwagen das mit der Pilzbrut geimpfte Gemisch aus Stroh, Hühnermist und Wasser aus der Firmenzentrale im niedersächsischen Rechterfeld heran. Über Förderbänder wird es auf die Kulturbeete in den Anzuchträumen ausgebracht und mit einer schwarzen Torfschicht abgedeckt. Sie dient als Wasserspeicher.
Kühl und feucht ist es hier. Nur 18 bis 19 Grad zeigt das Thermometer an. "Das Klima ist entscheidend", sagt Züchter Areg Poghosyan. Es muss konstant diese Temperatur sein, damit der Pilz wachsen kann.
Biogasanlage liefert die Energie
Die Energie kommt von der benachbarten Biogasanlage, deren Abwärme in Kälte umgewandelt wird. "Das funktioniert wie eine umgekehrte Heizung", erklärt Steffen Graf, der technische Betriebsleiter. Die kalte Luft wird durch große Rohre in die Zellen geblasen. Ein Computer regelt kontinuierlich die Temperatur.
Schon nach einer Woche sieht man, wie sich weiße Fäden flechtenartig durch den Boden ziehen. Es sind die Zellen der Pilze. In drei Wochen wird dieses Geflecht Fruchtkörper gebildet haben und als Champignon im Supermarktregal liegen.
Millionen von Champignons wachsen in den Beeten heran. Nach neun bis zehn Tagen sind schon kleine weiße Pünktchen zu erkennen. Das feuchte Substrat ist übersät mit vielen winzigen Fruchtkörpern. Wenn man genau hinschaut, kann man Mini-Champignonköpfe erkennen. Nach 14 Tagen sind sie ausgewachsen und kurz davor, gepflückt zu werden.
In einem Tag verdoppelt der Champignon sein Gewicht
Doch zuvor ziehen sie nochmal um, in die Erntezellen auf der gegenüberliegenden Seite der Produktionshalle. Dort bleiben sie weitere zwei Wochen, in denen kontinuierlich geerntet wird. Je nach Kundenwunsch kleine, mittlere oder große Pilze. Der Champignon wächst schnell. "In nur einem Tag verdoppelt er sein Gewicht", erklärt Züchter Areg Poghosyan.
Geerntet werden die Champignons in zwei Wellen. Jede dauert drei Tage. Die Champignons werden vorsichtig per Hand abgedreht, die Füße sauber abgeschnitten und direkt in die Verkaufsschalen gelegt. Eine Waage zeigt an, wann die Packung ausreichend befüllt ist. So werden die Pilze nicht unnötig angefasst oder bewegt. "Champignons sind sehr empfindlich", erklärt der Züchter.
Aktuell testet das Unternehmen den Einsatz von Robotern. Bis zur Hälfte der Arbeitskräfte könnten dann eingespart werden.
Nach der ersten Erntewelle bekommt das Substrat einige Tage Pause. Danach beginnt die zweite Wachstumswelle, so dass vier bis fünf Wochen nach dem Befüllen der Kulturbeete alle Champignons abgeerntet sind.
Bis zu zehn Stunden arbeiten die Pflückerinnen am Tag
Für die Ernte eines gesamten Raumes mit sechs 80 Meter langen Beeten benötigen die Frauen etwa sechs Tage. Bis zu zehn Stunden arbeiten sie am Tag, auch am Wochenende. Die Pflückerinnen bleiben in der Regel drei Monate im Betrieb und kehren dann in ihre Heimat zurück oder reisen in andere EU-Länder weiter, um sich dort als Erntehelferinnen zu verdingen. Viele kommen danach wieder. "Wir sind wie eine Art Familie", meint stellvertretender Betriebsleiter Areg Poghosyan.
Das Unternehmen hat für die Saisonkräfte, das ist das Gros der insgesamt 140 Beschäftigten in der Produktion und 50 an der Verpackungslinie, Wohnungen und Häuser im Umfeld des Betriebs angemietet. Mehrere Dolmetscher sind beschäftigt, um bei Alltagsproblemen oder Arztbesuchen sprachlich zu helfen.
Auch Menschen in der Region bietet die Wesjohann GbR Arbeitsplätze, vor allem in der Verwaltung, Werkstatt und Verarbeitung. Gesucht werden regelmäßig Fachkräfte für die Wartung der technischen Anlagen. Dazu gehört auch eine Wasseraufbereitungsanlage. 85 Prozent des zur Reinigung benötigten Wassers kann so wiederverwendet werden. Nur zum Bewässern der Kulturen fließt weiterhin frisches Wasser aus der Leitung. Das liefert die Rhön-Maintal-Gruppe.
"Wir arbeiten sehr nachhaltig", betont Steffen Graf. Auch das verbrauchte Substrat kann wiederverwertet werden. Es wandert nach der Ernte als Kompost auf umliegende Äcker oder in private Gärten. "Das ist ein prima Dünger", lobt Biolandwirtin Getraud Göb diesen sogenannten Champost.
Dass die in Norddeutschland beheimatete Wesjohann GbR sich in Eßleben angesiedelt hat, liegt an der guten Infrastruktur mit Biogasanlage und Anschlüssen zur den Autobahnen A7 und A71 in unmittelbarer Nachbarschaft. Eßleben sei ein idealer Standort, um den Süden Deutschlands mit Pilzen aus Franken zu versorgen, sagt Areg Poghosyan.
Bevor die geerntete Ware auf die Reise geht, durchläuft sie erst noch den Schnellkühltunnel. Von dort geht es auf die Verpackungslinie, danach in die Qualitätskontrolle und schließlich in Kühltransportern zu den Supermärkten. Menschen aus der Region können direkt vor Ort einkaufen. Von Montag bis Freitag ist Barverkauf von 8 bis 12 Uhr.