Wovon er wenig hat, hat sich Professor Dr. Hubert Seggewiß viel genommen: Zeit für ein Gespräch mit der Redaktion dieser Zeitung. Den Anlass gab der Ruhestand, in den der Chefarzt der Medizinischen Klinik 1 am Leopoldina-Krankenhaus zum Ende des Monats Juni geht.
Das Gespräch drehte sich um das Krankenhaus, das nicht zum reinen Wirtschaftsbetrieb verkümmern dürfe, um Schweinfurt, das den Beinamen „Kulturstadt“ zu Recht trage, um den Musikliebhaber Seggewiß sowie den weit über die nationalen Grenzen bekannten Kardiologen und Arzt der Breiten- wie der Profisportler.
Der sprichwörtliche rote Faden wurde bei der Unterhaltung nicht gesponnen, weshalb im Bericht die Gewichtung der Themen nach der Häufigkeit der Nennung erfolgt. So steht das Leopoldina-Krankenhaus klar an erster Stelle, wobei die Einstufung des Chefarztes fast bis zum Schwärmen und auf der anderen Seite zu bis zu den größten Bedenken reicht.
Patienten von außerhalb würden gar von einer Insel der Glückseligkeit sprechen, doch der allgemeinen Zufriedenheit, die das gesamte Personal von der Reinigungskraft bis zum Arzt geschaffen hätten, drohe Zerstörung, meint Seggewiß, der eine zu stark auf die Bilanzen ausgerichtete Wirtschaftlichkeit befürchtet.
Nicht alle scheinbar nötigen Änderungen seien notwendig, schon gar nicht, wenn an der Rolle der Medizin gekratzt werde, denn diese sei für den Menschen und nicht für den Betriebswirt da.
Mediziner müssen entscheiden
Die medizinische Versorgung sieht der Professor als öffentliche Aufgabe, weshalb das „Leo“ als kommunales Haus grundsätzlich auf solider Basis stehe, weil nicht die Aktionäre, sondern die Patienten zufrieden zu stellen seien. Seggewiß erinnert bei diesem Punkt an die nicht endenden Um- und Anbauten im Haus, die das Personal stets mitgetragen und dabei die Patienten nie vergessen habe.
Voraussagt der Chefarzt dem Haus noch viele Veränderungen, keinesfalls nur durch den Maurer, sondern insbesondere bei den Strukturen. Als ein Beispiel nennt er Patientenzimmer mit drei oder gar vier Betten. Langfristig sei dieser Standard nicht zu halten. Unverrückbar sei dagegen der Grundsatz, dass nur die Mediziner die medizinischen Entscheidungen zu treffen haben.
Patientenseminare eingeführt
Hubert Seggewiß, geboren am 11. Juni 1955 in Bocholt, verheiratet, eine Tochter und ein ebenfalls längst erwachsener Sohn, wohnt im Hochfeld. Die Schule besuchte er in Bocholt; Medizin studierte er in Köln und Münster.
Seine klinische Ausbildung begann 1981 in der Gastroenterologie am Klinikum Minden, Lehrkrankenhaus der Uni Münster und führte ihn nach Bad Oeynhausen an das Städtische Krankenhaus (Medizinische Klinik, Radiologie) und die Kardiologische Klinik am Herz- und Diabeteszentrum NRW, welche der Ruhr-Universität Bochum angegliedert ist. Der Arzt für Innere Medizin (1987) und Kardiologie (1988) habilitierte an der Ruhr-Universität und wurde 1999 zum außerplanmäßigen Professor an der Ruhr-Uni und im Februar 2016 zum Apl. Professor der Uni Würzburg berufen.
An das Leopoldina-Krankenhaus kam Seggewiß im Mai 2000. Der Arzt war und ist Mitglied mehrerer wissenschaftlichen Gesellschaften und ein Arzt direkt am Patienten, der diesen in die Therapie einbezieht. Dazu passt, dass Seggewiß es war, der am Leopoldina die Arzt-Patientenseminare eingeführt hat, eine anfangs belächelte und heute viel kopierte Einrichtung.
Der Mannschaftarzt
Interessiert am Sport war Seggewiß immer, weshalb es nicht wundert, dass er sich in der Medizin um Sportler, insbesondere um junge Sportler mit angeborenem Herzfehler (verdickter Herzmuskel, häufigste Todesursache bei jungen Sportlern) kümmerte. Keinesfalls selbstverständlich ist dagegen, dass er es mit seiner Arbeit zu internationalem Ansehen mit zahlreichen Gastprofessuren und Auszeichnungen brachte, dass Schweinfurt heute auf der Weltkarte der Kardiologie eingetragen ist, dass Patienten aus dem In- wie aus dem Ausland den Weg nach Schweinfurt fanden.
Bereits in Oeynhausen, aber vor allem in Schweinfurt hat Seggewiß Handball- und Fußballmannschaften sowie Bundesligaspieler betreut. Geschätzt ist er als Leistungsdiagnostiker bei Spitzen- wie Breitensportlern und wegen seiner auf die Person abgestimmten Trainingspläne. Seggewiß: „Jeder Sportler sollte sich untersuchen lassen, Leistungssportler sowieso, und jeder über 35.“
Lebenswertes Schweinfurt
Seggewiß hört nicht nur gerne Musik (Jazz) und hat eine „sehr umfangreiche“ Plattensammlung, er fördert auch junge Musiker. Eigentlich wollte er erst in seinem Ruhestand eine eigene Plattenfirma haben, doch eine solche hat er längst. Die Laufbahn als Musikmanager begann am Leopoldina, wo er statt zu einem Sommerfest zu einem – und in der Folgezeit zu mehreren - Konzerten einlud. Unbekannte Musik und Musiker nach Schweinfurt zu holen und zu sehen, dass diese gut angenommen wurden, „tat gut“ und war Antrieb weiter zu machen.
Im Ruhestand bleibt Hubert Seggewiß in Schweinfurt, in einer „lebenswerten“ Stadt, in der man nahezu jede Sportart betreiben könne, in einer „kulturell lebhaften, offenen und sehr anregenden“ Stadt, mit tollen Angeboten im Theater, in der Disharmonie, in den Museen und durch den Kultur- wie auch durch andere Vereine.