Es ist weit mehr als eine symbolische Geste der Hilfsbereitschaft und Solidarität gewesen, was das Aktionsbündnis "Wir helfen Rech" für die Flutopfer im Ahrtal auf die Beine gestellt hat. Das Mutmacherfest, das die Feuerwehren aus Schwebheim, Gerolzhofen und Unterspiesheim sowie die "Feuerwehrkapelle Altlandkreis Gerolzhofen" in dem knapp 600-Seelen-Ort Rech am vergangenen Samstag organisiert hat, stieß dort auf sehr gute Resonanz – und hinterließ auch bei den Beteiligten aus Unterfranken tiefe Spuren.
Kreisbrandinspektor Alexander Bönig (Unterspiesheim) vom Organisationsteam schildert in einem Bericht eindrucksvoll das Erlebte, beginnend mit dem Treffpunkt der Helfer aus den drei beteiligten Feuerwehren aus dem Landkreis Schweinfurt in Schwebheim, am Samstag, 18. September, um 3 Uhr in der Früh. Mit negativem Corona-Test starteten die Helfer mit sieben Feuerwehrfahrzeugen, voll beladen mit dem Equipment für das Fest am Abend, nach Rheinland-Pfalz. Um 10.20 Uhr, so Bönig, traf die Kolonne in Rech an der Ahr ein, wo diejenigen, die nicht dem Vorauskommando angehörten, das sich eine Woche zuvor bereits ein Bild von der Lage gemacht hat, geschockt über das tatsächliche Ausmaß der Flutschäden im Ahrtal waren.
Behelfsbrücke erweist sich als erste Hürde
Beim Überqueren einer Behelfsbrücke in nördlichen Teil von Rech kam es zu einem ersten Problem, berichtet Bönig: Ein Fahrzeug der Feuerwehr Gerolzhofen hatte zu wenig Bodenfreiheit, um den Knickpunkt der Brücke zu überwinden. Schließlich gelang es dem Fahrzeug, rückwärts, mit untergelegten Schilderfüßen unter den Reifen, die Brücke zu passieren, um in den Südteil von Rech zu gelangen. Die in dem sich gebildeten Stau wartenden Autofahrer zeigten viel Verständnis, schildert Bönig. "Wir haben gelernt zu warten. Wir haben unser Leben, das ist die Hauptsache", zitiert er die Aussagen der Einheimischen.
Die Kreisfrauenbeauftragte und Fachbereichsleiterin Kinderfeuerwehr, Nadine Bechmann (Dittelbrunn), organisierte vor Ort gekonnt das Kinderprogramm, das im Lauf des Tages rege in Anspruch genommen wurde. Ein örtliches Hotel hatte die Feuerwehrfrauen und -männer aufgenommen. "Das hört sich jedoch nur gut an", berichtet Bönig. Denn die Realität sah so aus, dass in einem Seminarraum Feldbetten des Technischen Hilfswerks Gerolzhofen aufgebaut wurden. Mobile Toiletten und Duschcontainer gab's vor dem Hotel, dessen Einrichtung ebenfalls zerstört war. Kurzerhand reparierte Elektriker Horst Reichert (Gerolzhofen) die Treppenhausbeleuchtung des Hotels mit seinem mitgebrachten Werkzeug.
Lotse lenkt führt den Bus nach Rech
Gegen 14.30 Uhr kam dann der Anruf, dass der Bus mit der Feuerwehrkapelle auf der Zielgeraden ist. Bönig fuhr diesem als Lotse mit seinem Auto entgegen, um zu verhindern, dass der Bus sich irgendwo auf den lädierten Straßen im Ahrtal festfährt. An der Behelfsbrücke in Rech war für das schwere Fahrzeug jedoch Schluss. Kurzerhand wurden die Instrumente in ein anderes Fahrzeug umgeladen.
Ab 15.30 Uhr tauchten laut Bönig die ersten Gäste, vor allem junge Familien, auf dem Festplatz auf. Für alle Gäste galt ein Corona-Hygienekonzept. Um 17 Uhr begann die Feuerwehrkapelle zu spielen. An den Grills, im Getränkestand und vor allem an der Hüpfburg hatten die Feuerwehrler aus dem Landkreis Schweinfurt alle Hände voll zu tun. Die Unterfranken hatten 1100 Bratwürste, 600 Steaks, 2000 Brötchen, 1200 Cookies, 45 Kästen Bier, 20 Kästen Radler und 60 Kisten Softdrinks mitgebracht.
Gegen 18 Uhr brach die Kapelle mit Dirigent Daniel Scheller mit Ehrengästen in Marschformation auf, um Jennifer, die amtierende Weinkönigin von Rech, abzuholen. Denn an diesem Abend wurde im Winzerort die neue Weinhoheit Katja samt ihrer Prinzessin Christiane gekrönt. Der Anstieg war zu steil, um komplett durchzuspielen. So spielte die Kapelle jeweils eine Strophe des Frankenlieds, dann wurde eine Strophe gesungen, heißt es in Bönigs Bericht. Mit den Weinhoheiten im Schlepptau ging's zurück zum Festplatz.
Einwohner berichten schreckliche Erlebnisse
Dort waren die unterfränkischen Feuerwehrleute mittlerweile mit etlichen Einheimischen ins Gespräch gekommen. Christian Pretscher (Unterspiesheim) erzählt von einem Gespräch mit einem älteren Herren, der sich an kein so schlimmes Hochwasser an der Ahr erinnern konnte. Von diesem erfuhr er: "Wir werden die Dörfer an der Ahr wieder aufbauen. Aber meinen Bruder hat mir die Flut genommen. Den bringt mir keiner zurück."
Auf dem Festplatz begrüßte Leon Krogull, der Vorsitzende des Kultur- und Verkehrsvereins Rech, die Gäste offiziell und dankte für die Ausrichtung des Festes. Im Gespräch mit dieser Redaktion schildert er einige Tage später, wie gut das Fest von den Einheimischen angenommen wurde. Sie konnten sich – anders als bei den örtlichen Winzerfesten – einfach als Besucher niederlassen und feiern, und mussten sich um nichts kümmern.
"Die Stimmung war ausgelassen. Ich habe nur lächelnde Gesichter gesehen", erinnert sich Krogull an den Abend. In diesem Moment habe niemand an das Hochwasser gedacht – und das sei gut und wichtig gewesen.
Während des Fests flossen Tränen
Doch bereits während der Ansprache von Weinkönigin Jennifer, als diese daran erinnerte, wie die Flut am 14./15. Juli Rech verändert hat, flossen auch wieder Tränen bei den Anwesenden, berichtet Bönig. Tränen, aber auch tosenden Applaus gab's dann auch, als Michael Schubert, Kassier der Feuerwehr Schwebheim, in Anwesenheit des Bürgermeisters von Rech, Dominik Gieler, den Scheck über 28 500 Euro hervorzog. Das Geld stammt aus dem Spendenaufruf, den die drei unterfränkischen Feuerwehren gestartet hatten. Weitere 350 Euro gingen an die Jugendfeuerwehr Rech; diese kamen vor Ort durch Spenden von Einheimischen zusammen, die für die gesponserten Speisen und Getränke, die die Unterfranken mitgebracht hatten, einen Obolus entrichteten.
Gänsehautstimmung kam nochmals auf, als ein etwa achtjähriges Mädchen allen Helfern und Musikern aus dem Landkreis Schweinfurt ein Herz mit der Aufschrift "Rech dankt" überreichte. Da wurden auch bei einigen von diesen die Augen feucht, erinnert sich Bönig. "Die leuchtenden Kinderaugen auf der Hüpfburg und bei Popcorn und Zuckerwatte zu sehen, das war der Mühe Lohn", zitiert Bönig einen sichtlich gerührten Robert Groß aus Schwebheim.
Nach mehreren Zugaben beendete die Kapelle gegen 23.30 Uhr ihr Spiel. Die letzten Gäste verließen laut Bönig gegen 3 Uhr den Festplatz.
Am Sonntag ab 7.30 Uhr bauten die Unterfranken wieder ab und starteten um 11 Uhr Richtung Heimat. Um 17 Uhr erreichten sie Schwebheim.
Spendenkonto besteht bis auf Weiteres fort
Das Spendenkonto des Aktionsbündnisses nimmt weiterhin Geldspenden entgegen. Das Spendenkonto lautet: Feuerwehr Schwebheim, VR-Bank Schweinfurt, DE16 7906 9010 0002 5705 48; Verwendungszweck: "Wir helfen Rech".
Doch ist Geld wirklich die richtige Hilfe für die Betroffenen vor Ort? Krogull hat dazu eine klare Ansage: Die Menschen im Ahrtal seien dankbar für jeden Betrag, der kommt. "Die wenigsten haben eine Vorstellung davon, wie viel Geld wir für den Aufbau noch brauchen." Geld helfe jetzt auch mehr als praktische Hilfe vor Ort, denn die Aufräumarbeiten und das Schutträumen seien soweit fortgeschritten, dass jetzt professionelle Handwerker gefragt seien – und die müssten auch bezahlt werden. Der Vorsitzende des Kultur- und Verkehrsvereins setzt beim Wiederaufbau auch auf die sehr enge Dorfgemeinschaft. Und er hat eine Hoffnung bzw. Bitte: Der für die Region so wichtige Tourismus muss wieder in Gang kommen. So früh als möglich.
Folgende Spender und Sponsoren haben das Aktionsbündnis unterstützt: Autohaus Pfister (Schwebheim), Autohaus Schech (Grettstadt), b4emotion Oliver Hellmuth (Volkach), Backdra-Fashion, Betriebsfeuerwehr Kernkraftwerk (Grafenrheinfeld), Brauerei Düll (Krautheim), Brauerei Göller (Zeil am Main), die E-Center Böhland (Mellrichstadt), Rüttger (Bad Kissingen) und Then (Bad Neustadt), Edeka Frischemarkt Bauer (Münnerstadt), Edeka Logistik (Gochsheim), Erik Walther GmbH & Co. KG, Familie Haupeltshofer (Kolitzheim), FC Bayern Fanclub Schwamer Kracken, Freiwillige Feuerwehr Unterspiesheim, Fresenius Medical Care Deutschland GmbH, Geis Transport & Logistik GmbH, Gemeinde Schwebheim, Getränke Schmeuser (Brünnstadt), Groma Wehner Lebensmittel, Hiestand Deutschland GmbH (Gerolzhofen), Höreder Beck (Schwebheim), Kulinario (Schwebheim), Ludwar Elektrobau GmbH (Gerolzhofen), Markgrafen Getränkevertrieb (Schonungen), Metzgerei Berchthold (Stammheim), Metzgerei Geeb (Schweinfurt-Oberndorf), die Metzgereien Krückel (Stettbach), Lamprecht (Niederwerrn), Mark (Unterspiesheim), Michel (Schwebheim), Mösslein (Volkach), Schmitt (Mönchstockheim), Antoni und Roppelt (beide Gerolzhofen), Mitglieder der Feuerwehr Schwebheim, Näheule4U, Omnibusunternehmen Hümmer (Röthlein), Rewe Götzelmann (Schwebheim), Roth Bier (Schweinfurt), die THW-Ortsverbände Gerolzhofen und Schweinfurt sowie weitere Privatpersonen.