Großes Rätselraten bei der Rhön-Maintal-Gruppe: Wie kommen die coliformen Keime in den Hochbehälter bei Hergolshausen? Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres sind sie dort aufgetaucht. Trotz gründlicher Reinigung, trotz Desinfektion. "Wir wissen die Ursache nicht", gesteht RMG-Geschäftsführer Walter Weinig ganz offen ein. Aber man will ihr auf den Grund gehen. Deshalb wird jetzt im Labor differenziert untersucht, um welche Art von Keimen es sich handelt, um daraus auf deren Herkunft schließen und das Problem beheben zu können.
Coliforme Keime können auch in der Umwelt vorkommen
Landläufig herrscht ja die Meinung vor, coliforme Keime seien Fäkalkeime. Ergo: Wenn "Coliforme" im Trinkwasser gefunden werden, deutet das auf eine Verunreinigung mit Fäkalien von Mensch oder Tier hin. Tatsächlich aber werden unter dem Begriff coliforme Keime verschiedene Bakterien zusammengefasst, die bei Mensch und Tier, aber auch in der Umwelt vorkommen.
Da es nicht möglich ist, das Trinkwasser regelmäßig auf all die verschiedenen Erreger zu untersuchen, wird laut Trinkwasserverordnung deshalb bei den obligatorischen Tests nur nach Bakterien gesucht, die auf eine Verunreinigung mit Fäkalien von Mensch oder Tier hindeuten. Das sind unter anderem Escherichia coli oder Enterokokken.
Im September 2020 hatte man tatsächlich Fäkalkeime in einer der beiden Kammern gefunden. In der gezogenen Laborprobe von 100 Milliliter Wasser befanden sich drei Enterokokken. Das hört sich wenig an, wenn man bedenkt, dass ein kleines Insekt wie eine Mücke eine Verunreinigung von über 100 000 Enterokokken verursachen kann. Die Trinkwasserschutzverordnung schreibt allerdings einen Grenzwert von null koloniebildenden Einheiten pro 100 ml Wasser vor. Im Klartext heißt das: Coliforme Keime dürfen gar nicht nachweisbar sein.
Keine Verkeimungen im Leitungsnetz und im Brunnen
Damals hatte man bei der RMG vermutet, dass die Sanierungsmaßnahmen am Hochbehälter Grund für die Verunreinigung gewesen sein könnten. Das Betonbauwerk mit seinen beiden knapp sechs Meter tiefen und 1000 Kubikmeter fassenden Kammern stammt aus den 1950er-Jahren und war zwischen Juli und September generalüberholt worden. Dabei habe man größte Vorsicht walten lassen, versichert Betriebsleiter Alfred Eusemann. So sei die jeweils Wasser führende Kammer mit Dämmstoff und Folie abgedichtet worden, um zu verhindern, dass während der Bauarbeiten am gegenüberliegenden Becken Staub oder Schmutz eindringen kann.
Und doch muss hier ein Leck gewesen sein, vermutet Geschäftsführer Weinig. Denn im Leitungsnetz gab es keine Verkeimung. Sowohl die Zuleitung zum Hochbehälter als auch die Weiterleitung an die Ortsnetze seien überprüft worden. Auch der Brunnen bei Ettleben, aus dem das Wasser gefördert und dann über fünf Kilometern zum Hochbehälter gepumpt wird, sei sauber. "Die entdeckten Keime stammen damals wie jetzt direkt aus dem Hochbehälter." Weil es in den vergangenen Jahrzehnten laut Weinig "noch nie" eine Verkeimung in diesem Versorgungsgebiet gegeben habe, ist für ihn die offensichtlichste Erklärung, dass die Verunreinigung während der Bauarbeiten erfolgt ist.
Trinkwasser muss wieder gechlort werden
Im Normalfall wird die Edelstahltür ins Herz des Hochbehälters nur bei den Kontrollgängen des Wasserwartes geöffnet. Betriebsleiter Eusemann macht für die Redaktion eine Ausnahme. Der Blick in den frisch sanierten Hochbehälter ist wenig spektakulär: In der Mitte ein langer, schmaler Gang, links und rechts davon die beiden mit Edelstahlplatten abgedeckten Beton-Wasserbecken. Sie sind mit einer Hochglanz-Kunststoff-Harz-Legierung beschichtet. Außen grau, innen swimmingpool-blau. Zum Baden lädt das sieben bis elf Grad kalte Wasser aber nicht ein.
"Wir haben so gutes Wasser, dass wir seit Jahrzehnten auf eine Desinfektion durch Chlor verzichten können", sagt Geschäftsführer Weinig. Genau das aber muss jetzt erfolgen. Das Gesundheitsamt Schweinfurt hatte schon nach Auftreten der ersten Verkeimung im September eine Sicherheitsdesinfektion bis zum Abschluss der Sanierung Ende 2020 angeordnet. Dem Trinkwasser wurde eine Chlorbleichlauge beigefügt, deren Menge ab Anfang Januar schrittweise zurückgefahren worden war. Diese sukzessive Reduzierung bis hin zur vollständigen Einstellung der Chlorzufuhr sollte gewährleisten, dass sich eine natürliche mikrobiologische Schutzschicht innerhalb des Leitungsnetzes wieder vollständig regeneriert, erklärt Betriebsleiter Eusemann.
Es sah auch gut aus, nach Beendigung der Chlorung: Die erste der vom Gesundsheitsamt geforderten drei Wasseruntersuchungen im Abstand von drei Tagen war negativ. Die zweite Wasserprobe jedoch wies wieder coliforme Keime auf. Die Behörde ordnete daraufhin erneut ein sofortiges Abkochgebot an, bis die Chlorung wieder soweit hochgefahren war, dass sich nur noch desinfiziertes Wasser im Kreislauf befand. "Wir haben sogar noch drei Tage länger gewartet, bis wir das Abkochgebot aufgehoben haben", so Weinig.
Mit der Chlorung ist die Gefahr zwar beseitigt, das Problem aber nicht behoben. Eine schnelle Lösung wäre der Einbau einer dauerhaften Chloranlage im Hochbehälter. "Das ist aber nicht unser Anspruch", stellt Geschäftsführer Weinig klar. Er hofft deshalb, dass die Laboruntersuchungen der Keime Aufschluss über die Ursache bringen.