Volksnah sei er gewesen, "ein Mensch wie du und ich". Hartmut Bräuer erinnert sich noch sehr gut an die Begegnung mit Horst Eckel, im Mai 2004. Es war für Bräuer als damaliger Bürgermeister von Gerolzhofen auch kein alltäglicher Termin gewesen, als sich der einstige Fußball-Weltmeister von 1954 ins Goldene Buch der Stadt eintrug. Die Erinnerung an die Begegnung mit Horst Eckel war beim Altbürgermeister jedenfalls sofort wieder präsent, als er am Wochenende erfuhr, dass das einstige Fußball-Idol, der letzte noch lebende der "Helden von Bern", am Freitag, 4. Dezember,im Alter von 89 Jahren gestorben ist.
Bräuer war, wie er am Montag im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt, "von jungen Jahren an ein Fan von Horst Eckel". Im Jahr 1954, als Horst Eckel als 22-Jähriger, und damit als Jüngster im Team, mit der deutschen Fußballnationalmannschaft im legendären WM-Endspiel Ungarn mit 3:2 besiegte, war der spätere Bürgermeister von Gerolzhofen ein zehnjähriger Bub. Er spielte selbst begeistert Fußball, in Rentweinsdorf (Lkr. Haßberge), wo er damals lebte. Horst Eckel sei ihm seit der WM in der Schweiz als "Wasserträger" für Mannschaftskapitän Fritz Walter in Erinnerung geblieben, berichtet Bräuer.
Spitzname auf dem Platz: "der Windhund"
Horst Eckels Spitzname als Fußballer war nicht umsonst "der Windhund". Als rechter Außenläufer des 1. FC Kaiserslautern (FCK) stopfte er auch im Nationaltrikot im Mittelfeld die Löcher und hielt seinem späteren Trauzeugen Fritz Walter den Rücken frei. Starallüren zeigte Eckel schon damals keine – und erst recht nicht, als er 50 Jahre nach dem völlig unerwarteten WM-Sieg nach Gerolzhofen kam, berichtet Bräuer. "Eckel ist zeitlebens ein einfacher Mensch geblieben", schildert Bräuer seinen Eindruck von Weltmeister Eckels Auftreten zum Eintrag ins Goldene Buch, das derzeit saniert wird und für einen Blick auf den damaligen Eintrag nicht zur Verfügung steht.
Der Altbürgermeister erinnert sich an viele Gäste und Menschen, die dem offiziellen Akt im Alten Rathaus beiwohnten. Es habe aber auch im Anschluss nicht nur eine große Autogramm-Runde mit dem Fußball-Helden Horst Eckel gegeben, sondern auch "herrliche menschliche Begegnungen". Und selbstverständlich, sagt Bräuer heute, hätten sich viele Gespräche an diesem Tag um die WM 1954 gedreht. Für Eckel sei der Besuch in Gerolzhofen damals mehr als nur eine Stippvisite gewesen. Er ist, soweit Bräuer sich erinnert, über Nacht geblieben und erst am folgenden Tag weitergereist.
Wiedersehen mit einstigem Fußballschüler
Am Rande seines Besuchs in Gerolzhofen am 17. Mai 2004 hat Horst Eckel, wie es in einem Zeitungsartikel anlässlich von Eckels 80. Geburtstag im Jahr 2012 zu lesen steht, auch den früheren Gerolzhöfer Fußballer Thomas Wiederer wieder getroffen. Dieser hatte im Jahr 1987 zusammen mit Alexander Kirchner, einem weiteren Nachwuchskicker des FC Gerolzhofen, als zwölfjähriges Fußballtalent an einem Sportcamp bei Frankfurt teilgenommen. Dieses stand unter der Schirmherrschaft von Uwe Seeler und Wolfgang Overath.
Während des einwöchigen Fußballcamps wurden die Jungs von einer ganzen Reihe berühmter deutscher Fußballer betreut. Neben Uwe Seeler und Wolfgang Overrath zählten Franz Beckenbauer, Fritz Walter, Otto Rehagel sowie Paul Breitner dazu – und eben Horst Eckel. Der Weltmeister von 1954 hielt seinerzeit große Stücke auf den Gerolzhöfer Nachwuchsfußballer: "Du hast alle Voraussetzungen für einen guten Fußballer", soll er dem Artikel zufolge zu Thomas Wiederer, der es später tatsächlich bis zum Bayernligaspieler brachte, damals gesagt haben. Er machte den jungen Gerolzhöfer Kicker zum Kapitän der von ihm betreuten Camp-Mannschaft, die dann letztlich auch den Turniersieg holte.
Besuche in der JVA Ebrach
Doch nicht nur Gerolzhofen hat eine Verbindung zu dem jetzt verstorbenen 32-fachen Fußballnationalspieler und WM-Sieger. Horst Eckel war in seiner Funktion als Botschafter des Sports in der von ihm mitgegründeten Sepp-Herberger-Stiftung, die sich der Resozialisierung jugendlicher Straftäter gerade durch den Sport verschrieben hat, auch mehrfach zu Besuch in der Jugendjustizvollzugsanstalt (JVA) in Ebrach. Ein Besuch dort war am 24. Mai 2004, nur zwei Wochen nach seinem Eintrag ins Goldene Buch in Gerolzhofen.
Neben seinem Eintrag ins Goldene Buch des Marktes Ebrach fand Eckel während seines etwa vierstündigen Aufenthalts in Ebrach auch die Zeit, mit Beamten und Gefangenen der JVA Sequenzen aus einer Aufzeichnung des WM-Endspiels von 1954 in Bern anzuschauen und persönlich zu kommentieren. Laut eines Zeitungsartikels über diese Begegnung war Eckel dabei so lebhaft, "dass jeder das Gefühl hatte, mit ihm auf dem Platz zu stehen oder zumindest auf der Tribüne zu sitzen". Horst Eckel sei wieder der enthusiastische 22-Jährige gewesen, als der er mit seinen Mitspielern auf dem Rasen von Bern einen 0:2-Rückstand in einen knappen Sieg verwandelte. Seinem Charisma und seiner Ausstrahlung habe niemand sich entziehen können, heißt es in dem Bericht, "nicht einmal Sportmuffel".
Eckel: "Wir waren anständig"
Der damals 72-jährige Horst Eckel wird weiter mit den Worten zitiert: "Bei uns war das Selbstvertrauen groß. Die letzten sechs Minuten des Endspiels waren die längsten, die ich in meiner Fußball-Laufbahn erlebt habe. Nach dem Schlusspfiff war die Freude groß. Wir gratulierten einander und sind zu den Fans hingelaufen. Aber anständig. Nicht mit nacktem Oberkörper. Trikottausch gab es noch nicht. Hätten wir es gemacht, wären wir wahrscheinlich hier eingeliefert worden."
Und er gab den Zuhörern in der JVA einen persönlichen Ratschlag mit auf deren Lebensweg: "Wenn du etwas erreichst, denk daran, wo du herkommst und bleib mit beiden Beinen auf der Erde. Man muss Entbehrung, Willen, Fairplay und vor allen Dingen Disziplin mitbringen. Ich habe nie getrunken oder geraucht. Besser man tut es nicht."
Beisetzung in seiner Heimatgemeinde
Horst Eckel, der mit dem FCK 1951 und 1953 auch zweimal deutscher Meister wurde, verkörperte als letzter Lebender aus dem WM-Kader von 1954 ein Fußballer-Leben, das mit dem heutiger Fußball-Stars nur schwer vergleichbar ist. So wechselte er auch nur einmal den Verein: Im Jahr 1960 vom FCK zum SV Röchling Völkingen im Saarland. Er wird am 9. Dezember in Bruchmühlbach-Miesau beerdigt, auf dem Friedhof seiner Heimatgemeinde, wo er vor 89 Jahren auch zur Welt kam.
Freundliche Grüße
Lukas Will
Digitales Management