Dieser Tage sorgte eine Zeitungsmeldung bei denjenigen für Glücksgefühle, die sich mit Herzblut für die Wiederbelebung der stillgelegten Steigerwaldbahn zwischen Sennfeld und Gerolzhofen einsetzen. Die Meldung hatte man dahingehend interpretieren können, dass der Sennfelder Bürgermeister Oliver Schulze in einer interkommunalen Sitzung der Gemeinderäte aus der Allianz „Schweinfurter Mainbogen“ sich plötzlich für den Fortbestand der Bahnstrecke ausgesprochen habe. Von einer „180-Grad-Wendung“ des Bürgermeisters war im Internet die Rede. Dabei war Schulze doch derjenige gewesen, der im September die Vertreter der Anrainer-Gemeinden entlang der Strecke zu sich nach Sennfeld geladen hatte, um hinsichtlich einer Entwidmung der Strecke – die so genannte „Freistellung von Bahnbetriebszwecken“ – endlich Nägel mit Köpfen zu machen.
Doch die Freude der Eisenbahn-Befürworter war nur von kurzer Dauer. Schnell stellte sich der Zeitungsbericht als zu unpräzise formuliert heraus. „Es ist mitnichten so, dass ich nun für den Erhalt der Strecke bin“, sagt Schulze am Telefon im Gespräch mit dieser Redaktion. Er bleibe bei seiner Meinung, dass die Strecke weg muss.
Komplexes Verfahren
Tatsächlich haben die Anrainergemeinden aus dem Landkreis Schweinfurt inzwischen den nächsten Schritt in dem komplexen Rechtsverfahren getan, um die finale Entwidmung der Bahnstrecke zu erreichen. Die Bürgermeister und die Gemeindeverwaltungen haben die jeweils mit großer Mehrheit gefassten Beschlüsse ihrer Gemeinderäte umgesetzt und Anträge auf Freistellung gestellt. „Wir haben unsere Anträge bei der Regierung von Mittelfranken eingereicht“, teilt der Grettstädter Bürgermeister Ewald Vögler mit.
Der Pressesprecher der Bezirksregierung in Ansbach, Klaus Speckner, bestätigt dies: „Von den Gemeinden Sennfeld, Gochsheim, Grettstadt, Lülsfeld, Frankenwinheim und Sulzheim sind bei der Regierung von Mittelfranken am 26. Oktober 2018 Anträge auf Freistellung von Bahnbetriebszwecken der im jeweiligen Gemeindegebiet liegenden Teile der Bahnstrecke Etwashausen – Gochsheim (DB Strecke 5231) eingegangen.“
Die Regierung von Mittelfranken sei für diese Anträge auch zuständig. Und weiter: „Das Eisenbahnbundesamt, dem die Anträge ebenfalls vorliegen, ist für die Bearbeitung des Antrages der Gemeinde Sennfeld und für einen Teilabschnitt des von dem Antrag der Gemeinde Gochsheim betroffenen Abschnitts zuständig.“ Der Entwidmungsantrag der Stadt Gerolzhofen wird in diesem Zusammenhang von Pressesprecher Speckner nicht erwähnt, weil der Antrag schon früher eingereicht wurde und bereits seit Monaten bei der Regierung vorliegt.
Der Grettstädter Bürgermeister Vögler betont, dass weder er noch sein Gemeinderat Bahngegner seien. Der Bahnhof in Schonungen beispielsweise sei für die dortige Gemeinde und ihre Bürgerinnen und Bürger ein großer Vorteil. Bei der Steigerwaldbahn sei die Sachlage aber eine andere. „Die Linie ist doch seit 20 Jahren bei uns schon geistig weg.“ Grettstadt habe sich in all den Jahren der Nichtnutzung der Trasse stetig weiterentwickelt. „Wir haben alles geplant unter der Voraussicht, dass die Bahn mal wegkommt“, erklärt Vögler. „Denn die Bahnlinie bringt für uns nichts.“
Unterlagen angefordert
Diese Behauptung müssen die Gemeinde Grettstadt und alle anderen Antragsteller nun bei der Regierung von Mittelfranken mit Fakten untermauern. „Die Regierung hat von uns Unterlagen angefordert“, erzählt Vögler im Gespräch mit der Redaktion. Was dies konkret bedeutet, verdeutlicht Regierungssprecher Klaus Speckner: „Soweit noch nicht vorliegend, hat die Regierung die Gemeinden Gochsheim, Grettstadt, Lülsfeld, Frankenwinheim und Sulzheim um die Vorlage verschiedener Unterlagen – wie zum Beispiel Lageplan, Eigentümernachweis, Beschluss des Gemeinderates beziehungsweise des zuständigen Ausschusses über den geplanten Freistellungsantrag mit kurzer Erläuterung über die künftigen Planungen für das Gelände – gebeten.“
Wie berichtet, hat sich auch der Landkreis Schweinfurt des Themas Steigerwaldbahn im Rahmen seiner Nahverkehrsoffensive angenommen. Zum einen hat der Landkreis das vom Förderverein Steigerwald-Express privat in Auftrag gegebene Schliephake-Gutachten überprüfen lassen und zum anderen bei der kobra Nahverkehr GmbH ein eigenes Gutachten zur Steigerwaldbahn in Auftrag gegeben. Wie zu hören war, haben sich beide Gutachter auch schon einmal zum Austausch getroffen. Anfang 2019 will der Landkreis dann das Ergebnis der Untersuchungen vorstellen.
Wer gedacht hatte, die Anrainergemeinden würden angesichts der Aktivitäten des Landkreises ihre Entwidmungsanträge erst einmal nicht einreichen und sie zurückstellen, bis das Landkreis-Gutachten vorliegt, sah sich getäuscht. Die Gemeinden pochen auf ihre Eigenverantwortung. „Es ist Teil der kommunalen Selbstverwaltung“, macht Bürgermeister Vögler klar.
Doch auch bei der Regierung von Mittelfranken wird das Verfahren ungeachtet der Aktivitäten in der Schweinfurter Kreisbehörde unterdessen weiterlaufen. „Die Regierung beabsichtigt, den Verfahren nach Vorlage der fehlenden Unterlagen zeitnah durch Veröffentlichung der Freistellungsanträge im Bundesanzeiger Fortgang zu geben“, teilt Pressesprecher Speckner mit.
Anträge werden veröffentlicht
Dabei sollen die Entwidmungsanträge der Gemeinden aus beiden Landkreisen zusammengeführt werden. Speckner: „Es ist beabsichtigt, die Freistellungsanträge aus Großlangheim, Kleinlangheim, Wiesentheid und Prichsenstadt gemeinsam mit denjenigen der Stadt Gerolzhofen sowie der Gemeinden Gochsheim, Grettstadt Lülsfeld, Frankenwinheim und Sulzheim im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und über die Anträge möglichst gemeinsam zu entscheiden.“
Die Landkreise Schweinfurt und Kitzingen haben dann binnen sechs Monaten Gelegenheit, zu den Freistellungsanträgen Stellung zu nehmen. Dies gelte insbesondere für das Landratsamt Schweinfurt und sein in Auftrag gegebenes Gutachten. „Sollten entscheidungserhebliche Unterlagen (...) im Januar 2019 vorgelegt werden, wird deren Inhalt bei der Entscheidung über die Freistellungsanträge berücksichtigt werden.“
Paragraph 23 Allgemeines Eisenbahngesetz: „Freistellung von Bahnbetriebszwecken“
(1) Die zuständige Planfeststellungsbehörde stellt für Grundstücke, die Betriebsanlage einer Eisenbahn sind oder auf dem sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befinden, auf Antrag des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, des Eigentümers des Grundstücks oder der Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, die Freistellung von den Bahnbetriebszwecken fest, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist.
(2) Vor der Entscheidung nach Absatz 1 hat die Planfeststellungsbehörde Eisenbahnverkehrsunternehmen, (...) die zuständigen Träger der Landesplanung und Regionalplanung, die betroffenen Gemeinden sowie Eisenbahninfrastrukturunternehmen, soweit deren Eisenbahninfrastruktur an die vom Antrag betroffene Eisenbahninfrastruktur anschließt, durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger zur Stellungnahme aufzufordern. Die Frist zur Abgabe der Stellungnahme soll sechs Monate nicht überschreiten.
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