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GEROLZHOFEN
Bahnlinie: Der Zug ist abgefahren
Die Stadt- und Gemeinderäte entlang der Trasse wollen quer durch alle Fraktionen die Gleise so schnell wie möglich weg haben
Vor dem Lokführerstreik       -  Halt! Das Signal steht auf Rot. Nahezu alle Gemeinden entlang der Bahnlinie Schweinfurt – Etwashausen haben signalisiert, dass sie die Bahnstrecke in Zukunft nicht mehr brauchen.
Foto: DPA | Halt! Das Signal steht auf Rot. Nahezu alle Gemeinden entlang der Bahnlinie Schweinfurt – Etwashausen haben signalisiert, dass sie die Bahnstrecke in Zukunft nicht mehr brauchen.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 22.07.2016 03:38 Uhr

Während Aktivisten derzeit noch Unterschriften für den Erhalt und die Wiederbelebung der Bahnstrecke Schweinfurt – Gerolzhofen – Etwashausen sammeln, senken immer mehr Stadt- und Gemeinderäte entlang der Bahntrasse den Daumen. Sie wollen die Gleise so schnell wie möglich weg haben und sehen keinen Sinn in einer Reaktivierung des Zugverkehrs. Die Geschichte der Bahnlinie neigt sich offenbar unaufhaltsam ihrem Ende entgegen.

Die Bahnlinie von Gochsheim bis Kitzingen-Etwashausen ist bereits stillgelegt. Den Bescheid dazu hat das Bayerische Innenministerium auf Antrag der Bayerischen Regionaleisenbahn (BRE) erlassen. Die BRE war seit Mai 2005 Pächterin der Strecke gewesen. Anfang 2016 gab die BRE die komplette Strecke an die Deutsche Bahn Netz AG zurück – in einem verwahrlosten Zustand. Die Stilllegung der Strecke erfolgte, obwohl es einen kaufwilligen Investor gibt: Markus Blum, alleiniger Gesellschafter der Projektentwicklerfirma Blumquadrat, die in Etwashausen auf ehemaligen US-Flächen den 73 Hektar großen Technologiepark „Connekt“ aufbaut.

Blum will den alten Bahnanschluss der US-Army nutzen, reaktivieren und auf eigene Kosten Güterverkehr in Richtung Schweinfurt aufs Gleis bringen. Das scheint die Kommunen entlang der Strecke aber nicht zu überzeugen. Ganz im Gegenteil: Mehrere Städte und Gemeinden haben schon bei der Regierung von Mittelfranken die Entwidmung der Strecke innerhalb ihrer Gemarkungsgrenzen beantragt. Dies ergaben Recherchen dieser Redaktion.

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Einer der Vorreiter war die Stadt Prichsenstadt, wo die Bahnlinie an den Stadtteilen Järkendorf, Stadelschwarzach und Prichsenstadt vorbeiführt. Bürgermeister René Schlehr sagt, man habe bereits vor rund zwei Monaten in nichtöffentlicher Sitzung (weil durch den Investor auch private Belange tangiert seien) über das Thema diskutiert. Der Stadtrat habe ihn danach beauftragt, den Antrag auf Entwidmung bei der Regierung von Mittelfranken zu stellen. „Und dies habe ich umgehend getan“, so der Bürgermeister.

Im Marktgemeinderat von Wiesentheid kam kürzlich Markus Blum sogar selbst zu Wort. Er würde die Strecke kaufen und sie mit privatem Geld herrichten, sagte er dem Gremium. Später könnte sie auch für den Personenverkehr genützt werden. Sein Vortrag vermochte die Wiesentheider Räte nicht zu überzeugen. Sie sprachen sich anschließend bei nur einer Gegenstimme gegen den Erhalt der Bahntrasse aus. Allgemeiner Tenor: Wiesentheids Pläne zum Weiterbau der Umgehungsstraße würden durch die Bahngleise erschwert, weil man Brücken über die Trasse bauen müsste. Die Gemeinde werde ihre ablehnende Haltung dem Bayerischen Gemeindetag und der Regierung von Mittelfranken mitteilen, teilt VG-Geschäftsleiter Christian Sturm mit.

Der Markt Großlangheim hat bereits einen Antrag auf Freistellung von Betriebszwecken gestellt. Damit könne der bisherige Bahnbereich für das geplante Kernwegekonzept oder eventuell für einen Radwanderweg genutzt werden. „Wir können das umsetzen, was bisher nicht möglich war“, sagt Bürgermeister Karl Höchner. Der Marktgemeinderat war einstimmig für den Antrag.

Ein ähnliches Bild auch in Kleinlangheim. Auch hier wurde bereits ein Antrag auf Entwidmung einstimmig auf den Weg gebracht. Bürgermeisterin Gerlinde Stier erklärt, für das neue landwirtschaftliche Kernwegenetz soll im Bereich der Bahnlinie zwischen Groß- und Kleinlangheim ein Weg mit einer Breite von 7,50 bis acht Metern samt Entwässerungsgraben entstehen.

Auch die Stadt Kitzingen hat den entsprechenden Antrag auf Entwidmung für die Bahntrasse bei Etwashausen gestellt und die Bezirksregierung von Mittelfranken hat dem Antrag bereits zugestimmt. Allerdings reichte Investor Markus Blum gegen den Bescheid Klage ein, die erst einmal aufschiebende Wirkung hat.

Der Stadtrat Gerolzhofen hat sich ebenfalls für die Entwidmung der Strecke ausgesprochen. Die Stadt wird den Antrag auf Freistellung von Betriebszwecken stellen. Bürgermeister Thorsten Wozniak hatte bereits am 24. Mai per Mail ein ausführliches Schreiben mit zahlreichen Fragen und der Bitte um ein persönliches Gespräch an den Investor Markus Blum geschickt. Bislang habe er aber noch keine Antwort von Blum erhalten, bedauert Wozniak.

Die Verwaltungsgemeinschaft sei derzeit dabei, so VG-Geschäftsleiter Johannes Lang, den Antrag der Stadt auf Entwidmung vorzubereiten. Im Juli noch werde der Antrag zur Post gehen.

• Die Gemeinde Sulzheim habe sich noch nicht mit einer möglichen Entwidmung der Strecke auf ihrer Gemarkung beschäftigt, sagt Bürgermeister Jürgen Schwab auf Anfrage. „Das ist derzeit kein Thema für uns“, teilt er mit.

• Auch beim Gemeinderat von Lülsfeld stand das Thema bislang noch nicht auf der Tagesordnung, teilt der 2. Bürgermeister Lothar Riedel mit.

Ja, der Gemeinderat von Grettstadt habe sich ebenfalls mit der Bahnstrecke beschäftigt sagt Bürgermeister Ewald Vögler. „Wir sind interessiert daran, dass die Strecke keinen Bestand mehr hat.“ Denn die Gemeinde plane im Westen ein neues Baugebiet und da störe die Bahnlinie bloß. Der Grettstädter Gemeinderat habe sich mit überwältigender Mehrheit dafür ausgesprochen, das Bahngelände möglichst zu erwerben.

Auch Sennfeld ist gegen die Bahnlinie. Bürgermeister Emil Heinemann hat bereits bei der „DB Immobilien“ nach den Konditionen für den Kauf des Bahngeländes gefragt, obwohl der Teilabschnitt zwischen Schweinfurt und Gochsheim noch nicht stillgelegt ist. Die Bahnlinie durchschneide die Gemeinde, erklärt Heinemann. Für in Kürze anstehende Entwicklungsplanungen sowie hinsichtlich der Verkehrssicherheit von Fußgängern, Schülern und Kraftfahrern sei es von Vorteil, diese Bahntrasse einer anderen Nutzung zuzuführen, beispielsweise als Radweg.

In Gochsheim ist man ebenfalls gegen die Bahnlinie. In dem Brief an die „DB Immobilien“ habe der Sennfelder Bürgermeister Heinemann auch gleich das Interesse Gochsheims erwähnt, das Bahngelände zu kaufen, berichtet Bürgermeisterin Helga Fleischer. Sie habe dies mit Heinemann vorab so vereinbart. Gochsheim brauche keine Bahnlinie und keinen Bahnhof, betont auch Fleischer. Man könne die Bahn-Fläche stattdessen für die Gemeindeentwicklung neu überplanen.

Dass die Bahnlinie verschwindet, würde die Bürgermeisterin auch noch aus einem anderen Grund begrüßen: Denn im Gemeinderat hat man sich dagegen verwehrt, dass beim Rückbau des Kernkraftwerks Material über den Gochsheimer Bahnhof abtransportiert wird. Und ohne Gleise kein Transport.

 
 
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Kommentare
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  • N. K.
    Die Damen und Herren Kommunalpolitiker sollen sich unbedingt das nachfolgende Dokument aus dem Internet herunterladen und lesen:

    https://www.vcd.org/fileadmin/user_upload/Redaktion/Themen/Gueterverkehr/Lkw-Maut/BUND_VCD-Flyer_Gueterverkehr_klein_1.pdf

    Vielleicht reift doch noch die Erkenntnis, dass es sinnvoller ist, den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen! Bevor ich es vergesse: auch MdL Gerhard Eck als bekennendem Eisenbahngegner sei die Ausarbeitung dringend ans Herz gelegt.

    Für weniger geübte Internetnutzer: die obige Internetadresse "https://www.vcd.org/ ...." markieren, mit Strg-C kopieren und in die entsprechende Zeile des Browsers mit Strg-V einfügen. Es handelt sich um ein so genanntes PDF-Dokument.
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  • N. K.
    wie bei der Sinntalbahn zwischen Jossa und Wildflecken. Der Betreiber der Staudenbahn (dort erfolgreich wiederbelebt!) ist an einer Übernahme interessiert, doch die Bürgermeister der Anrainergemeinden wehren sich mit Händen und Füßen gegen eine Reaktivierung.

    Die im vorliegenden Zeitungsbeitrag aufgeführten Gründe der Rathauschefs zeigen mehr als deutlich, dass man sich mit den Vorzügen eines modernen Schienenverkehrs gar nicht auseinander gesetzt hat. Lieber Lärm und Gestank von dem zum Großteil vierspurig geplanten Ausbau der B 286 mit zunehmendem LKW-Verkehr als "Emissionen" von zwei oder drei Güterzügen am Tag zwischen KTConnect und Schweinfurt - denkt denn hier niemand an unsere Nachfahren?

    Ist es wirklich so erheblich, wenn angeblich Siedlungsgebiete von der seit etlichen Generationen existierenden Bahnlinie "durchschnitten" werden? Kommunen und - allen voran - Planungsbüros sollten eigentlich in der Lage sein, diese Tatsache bei ihren Überlegungen einzubeziehen.
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  • C. H.
    ....wird dann über LkW Verkehr und unatttraktive Standorte für Betriebe gejammert....
    Hier bietet sich eine Chance.....
    Andererseits....Kitzingen Etwashausen.....was wollen Firmen dort? Infrastruktur wie in der Kolonialzeit. Null Interesse seitens der Stadt
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