
Es ist der 22. September 2023, als am Wahlkampfstand der Partei Bündnis 90/Die Grünen in der Spitalstraße in Schweinfurt plötzlich ein Mann auftaucht. Die Politiker beschreiben ihn vor Gericht unterschiedlich: Die einen sagen, er sei aggressiv gewesen, ein anderer sagt, er habe kontrolliert gewirkt. Sie fragen ihn damals, ob sie ihm etwas anbieten können. An sein Gegenangebot wollen sich die Politiker noch gut erinnern: "Eine Kugel in den Kopf."
Es sind der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach und zwei Parteikollegen aus Schweinfurt, die an jenem Freitagnachmittag am Stand stehen. "Ich habe mir Sorgen um meine Sicherheit gemacht", sagt Knoblach nun vor dem Amtsgericht, als er dem Mann, der ihn und die beiden Kommunalpolitiker mit dem Tod bedroht hat, schräg gegenübersitzt. Sie hätten sich bedroht gefühlt, eine Zeit lang kein gutes Gefühl gehabt. Ein Parteikollege sagt, er habe Wahlkampfstände nach dem Vorfall eine Zeit lang gemieden.
"Wir erleben viel aus dem Impuls heraus, dann tauchen die Leute aber nicht wieder auf", betont der Zeuge. Anders als der Angeklagte, der am Folgetag erneut den Stand aufsucht. Das habe es auch für die Polizei so besonders gemacht, sagt ein Beamter vor Gericht. "Wir haben mehrere Bedrohungssachverhalte in unserer Zuständigkeit, aber das war schon herausstechend."
Der Angeklagte kam am Folgetag erneut zum Stand
Als der 65-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt am nächsten Tag erneut zum Stand der Partei kommt, erklärt Knoblach ihm, er werde ihn anzeigen. "Das hat ihm nicht gefallen." Die Politiker verständigen daraufhin eine Polizeistreife, die sich unweit des Standes aufhält, der Mann wird gefasst, es folgt eine Gefährderansprache.
Doch damit ist es im September 2023 nicht getan: Wenige Tage später soll der 65-Jährige am Parteibüro der Grünen aufgetaucht sein. Eine Mitarbeiterin berichtet vor Gericht, der Angeklagte habe ihr sein Leid geklagt und gesagt, er wolle sich entschuldigen. Er habe gewollt, dass die Politiker ihre Anzeige zurückziehen. Als sie ihm kurz darauf telefonisch mitgeteilt habe, dass die Anzeige bestehen bleibe, sei er ausfällig geworden. Aus Angst habe die Zeugin dann das Büro zugesperrt, kurz darauf sei der Mann tatsächlich wiedergekommen und habe an der Tür gerüttelt.

Er habe wissen wollen, wer die Anzeige erstattet hat. Als die Frau ihm die Informationen nicht geben wollte, habe er gerufen: "Den Namen krieg' ich schon noch raus und dann kriegt er einen Schuss in den Kopf." Immer wieder blickt die Zeugin während ihrer Aussage zu dem Angeklagten, richtet irgendwann die Worte direkt an ihn: "Sie müssen an sich arbeiten." Er antwortet: "Ich weiß."
65-Jähriger räumt Vorwürfe vor Gericht ein
Der 65-Jährige, braun gebrannt, Glatze, ist ohne Verteidiger vor Gericht erschienen und zeigt sich reumütig. "Ich möchte mich entschuldigen, es tut mir leid", sagt er gleich zu Beginn des Prozesses. Er habe Stress gehabt, Eheprobleme. Er sei immer schnell "oben, aber genauso schnell auch wieder unten", beteuert er. Es sei eine spontane Aktion gewesen, es komme nicht wieder vor. Der Richter sagt: "Das Problem ist, es ist zweimal vorgekommen."
Im Auto des 65-Jährigen finden Polizeibeamte kurz nach dem Vorfall eine täuschend echt aussehende Schreckschusspistole unter der Fußmatte und einen Baseballschläger auf dem Beifahrersitz. Warum er sowas im Auto hat, will der Richter wissen. "Dekoration", sagt der Angeklagte und nennt es eine "Spinnerei von mir". Der Richter fragt: "Verstehen Sie, dass man darauf kommen kann, der meint das ernst?" Der Angeklagte nickt. Ein Hitzkopf und eine Waffe, sagt der Richter, das passe nicht zusammen. "Ich will mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn Sie die Waffe am Stand dabei gehabt hätten."
Für den Staatsanwalt hat sich die Anklage "im Wesentlichen bestätigt". Er fordert, den 65-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und einer Bewährungsauflage von 700 Euro zu verurteilen. Wegen der Ordnungswidrigkeit, der vorsätzlichen unrichtigen Aufbewahrung einer Schusswaffe, fordert er eine Geldbuße von 250 Euro.
Acht Monate auf Bewährung, 100 Arbeitsstunden und eine Geldbuße
Das Gericht folgt in weiten Teilen der Staatsanwaltschaft und verurteilt den Angeklagten wegen Bedrohung, Beleidigung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Diese wurde zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Zudem muss der Mann 100 Arbeitsstunden ableisten. Wegen der Schusswaffe, die er bereits abgeben musste, muss er eine Geldbuße von 250 Euro zahlen.
"Wir haben es mit einem wirklich massiven Vorfall zu tun", begründet der Richter die Entscheidung. "Jeder Mensch ärgert sich über irgendetwas, das muss man dann herunterschlucken und nicht Kopfschüsse anbieten. Für Ihre privaten Probleme können auch die Grünen nichts."
Das Urteil ist rechtskräftig.