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SCHWEINFURT
Grüne Sensation und etwas Hoffnung
Paul Knoblach wird am Wahlabend von den Grünen gefeiert.
Foto: Susanne Wiedemann | Paul Knoblach wird am Wahlabend von den Grünen gefeiert.
Susanne Wiedemann
,  Josef Schäfer
,  Irene Spiegel
,  Nicolas Bettinger
 und  Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:05 Uhr

Feierlaune bei Grünen, Freien und der AfD. Bestürzung und Nachdenklichkeit bei SPD und CSU. Der Sonntag war geprägt von den Eindrücken der noch frischen Wahlergebnisse. Der Montag brachte neue Erkenntnisse. Vor allem die, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Kathi Petersen (SPD) ihr Abgeordnetenmandat verloren hat, während Richard Graupner (AfD) in den Landtag einziehen dürfte.

Grüne sind zweite Kraft nach der CSU

Jubel brandet auf, als Grünen-Direktkandidat Paul Knoblach das Partei-Büro betritt zur Wahlparty. Kein Wunder, denn das Ergebnis der Grünen im Stimmkreis Schweinfurt ist beachtlich: Die Grünen sind zweite Kraft nach der CSU. Bei den Erststimmen kommt Paul Knoblach, der Ökobauer aus Gartstadt, der erst seit Fukushima ein Grüner ist, auf 14,54 Prozent. Bei den Gesamtstimmen sind es 14,01 Prozent. Am Montagabend lag Knoblach sogar auf dem dritten Platz seiner Partei in Unterfranken und hätte damit einen Sitz im Landtag gewonnen. Bis dahin waren nur sechs der zehn unterfränkischen Stimmkreise ausgezählt. Das Ergebnis wird am Dienstag erwartet.

Ein Kommentar zum Wahlergebnis 

Kreisverbandsvorsitzender Stefan Fuchs ist am Sonntagabend aus dem Häuschen. „Wir sind happy, das ist eine Senstation.“ Der Erfolg liegt auch an der Person Paul Knoblach, sind sich die Feiernden im Grünen-Büro einig.

„Du hast ruhig geredet, warst glaubwürdig, authentisch“, über dieses Lob freut sich Knoblach. Es zielt auch auf seinen Auftritt beim Heißen Stuhl des DGB ab, bei dem Knoblach als Erster ran musste und, wie er sagt, schon aufgeregt war. „Ein Mitstreiter hat immer gesagt: Punkt“, erinnert sich Knoblach. Das war Gerhard Eck, CSU, weswegen jemand reinwirft: „Jetzt sagt er Gedankenstrich.“

„Ergebnis ist Gemeinschaftsleistung“

Für Knoblach ist das Ergebnis aber auch eine Gemeinschaftsleistung: „Das war das Verdienst einer großen Gemeinschaft, ich habe mich eingebracht.“ Wie geht's jetzt weiter? Die Frage beschäftigt an diesem Abend. Geschäftsführer und Stadtrat Reginhard von Hirschhausen sieht es als positiv, dass die Grünen jetzt eine Position haben, die Regierung vor sich herzutreiben. „Die Grünen sind für Gespräche offen“, sagt Knoblach gleich nach der Wahl zu den zwei möglichen Koalitions-Szenarien gibt: CSU–Freie oder Schwarz–Grün. Ganz wichtig ist im Eines: „Die Grünen sind sich wie vor der Wahl der ihrer Verantwortung für das Land bewusst.“

Bei der CSU fiel die ansonsten stets sehr beschwingte Wahlparty aus. Nachdenklichkeit herrschte bei den etwa 250 Gästen auf dem Hof des wiedergewählten Direktkandidaten Gerhard Eck in Pusselsheim vor. Einige hatten wohl, gehofft, dass sich die Demoskopen bei der Vorhersage des CSU-Ergebnis geirrt hätten und die 40-Prozent-Grenze nicht fällt. Es kam anders.

Lange Gesichter und klare Worte gegen die Tristesse: In der Schweinfurter SPD versucht niemand das Ergebnis zu beschönigen. Doch woran hat es gelegen?

SPD hat sich halbiert

Am Tag nach der Wahl wird sich der ein oder andere SPD-Politiker wohl immer noch gewünscht haben, endlich aus diesem Albtraum aufzuwachen. Die Partei hat sich in Form ihrer Wähler wortwörtlich halbiert. Direktkandidatin Kathi Petersen wird ihr Landtagsmandat wohl verlieren. Ralf Hofmann, Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion ist sichtlich betroffen. „Optimismus ist aktuell nicht mein vorrangiges Gefühl“, sagt er. Sollte man sich jetzt nicht sammeln, so sehe es für die Partei sehr düster in Zukunft aus. Vor allem an der Kommunikation und Außendarstellung soll es laut Hofmann gelegen haben. „Wir sind untereinander zu nett“, betont er und fordert von seiner Partei, den Verantwortlichen, auch auf Bundesebene, den Spiegel vorhalten zu müssen.

Mehr Emotionalität

SPD-Direktkandidatin Kathi Petersen sieht eine Mitschuld für das schlechte Wahlergebnis in der Bundespolitik. Die Streitigkeiten der großen Koalition hätten die bayerischen Themen überlagert. Als „sehr bedenklich“ schätzt sie den Rechtsruck in der Gesellschaft ein. Dieser sei in vollem Gange, da die von der AfD deklarierten „einfachen Lösungen“ mehr gezogen hätten als differenzierte Argumentationen. „Es gibt aber halt keine einfachen Lösungen“, sagt sie. Deshalb sehe sie in Zukunft den Bedarf, auch in der eigenen Partei mehr Emotionalität nach außen zu transportieren, um die Menschen wieder zu erreichen.

„Seit 28 Jahren nichts geleistet“

Aktuell sei SPD-Chef Hofmann „relativ ratlos“, was die politischen Tendenzen angehe. „In unserem Land gibt es Menschen, die Deutschland destabilisieren wollen“, so Hofmann. Damit zielt er auf das erfolgreiche Abschneiden der AfD ab. Er könne nicht nachvollziehen, wie so viele Menschen ihre Stimme für AfD-Direktkandidat Richard Graupner abgeben konnten. „Wenn jemand gewählt wird, der seit 28 Jahren im Stadtrat sitzt und in der Zeit politisch nichts geleistet hat, dann muss ich das erst mal sacken lassen“.

Auch Kerstin Westphal, Abgeordnete im Europaparlament, blickt besorgt auf die Entwicklungen und fordert von ihrer Partei noch mehr Durchschlagskraft. „Wir müssen viel lauter werden“, sagt sie. Gleichzeitig nimmt sie auch die Medien in die Pflicht. Diese würden der AfD immer wieder eine viel zu große Plattform bieten.

AfD feiert abseits in Niederwerrn

Nichtsdestotrotz lag Richard Graupner am Montag bei Auszählung der Zweitstimmen in der AfD Unterfranken vorne. Dass er in den Landtag einzieht, dürfte sehr wahrscheinlich sein. Abseits vom Trubel in der Stadt, in einer ziemlich unauffälligen Lokalität, dem Gasthaus Stern in Niederwerrn, traf sich Graupner am Sonntag mit seinen Anhängern zur Wahlparty. Es ist ein kleiner Kreis, der sich um die Theke versammelt hat. Richtig feiern will man erst, wenn der Einzug des Spitzenkandidaten ins Maximilianeum sicher ist. Am Sonntagabend ist Graupner da noch zurückhaltend.

Die Stimmung ist gut. Kneipen-Wirtin Simone Seybold serviert Häppchen zum frisch Gezapften. Richard Graupner ist auch hier zurückhaltend, stößt mit einem Radler auf den Wahlerfolg an. Aber stolz ist er schon, hat er doch die zweitmeisten Erststimmen in der Stadt Schweinfurt geholt: „Das freut mich, dass ich so gut abgeschnitten habe.“ Ob er da nicht bei der nächsten OB-Wahl antreten wolle? Der 55-jährige Polizeihauptkommissar lacht und wehrt heftigst ab, er will Landespolitik mitgestalten, weil ihm die Innere Sicherheit des Freistaats besonders am Herzen liegt.

Im Fernseher auf der Theke wird gerade ein Interview mit Patrick Friedl, dem Würzburger Direktkandidaten von Bündnis 90/Grüne, übertragen, der CSU-Mann Oliver Jörg aus dem Rennen geworfen hat. Die Kneipenwirtin winkt ab. Das gute Abschneiden der Grünen ist für sie der einzige Wermutstropfen bei dieser Wahl.

„Ankerzentrum muss weg“

Graupner hält sich mit Kommentaren zurück. Verfolgt interessiert das Interview, zückt immer wieder sein Smartphone, um die aktuellen Wahlergebnisse abzurufen. Bei den Zweitstimmen liegt er auf Platz drei. Das könnte reichen.

Welche Themen aus seinem Stimmkreis will er im Landtag einbringen? Graupner verweist wieder auf sein „Leib- und Magenthema“, die Innere Sicherheit. Die sieht er mit dem Ankerzentrum in der Stadt gefährdet. Grundsätzlich sei man ja für solche Einrichtungen, aber nicht in der Region, sondern in Grenznähe. Deshalb „muss das Ankerzentrum grundsätzlich weg“. Die Kumpels an der Theke nicken zustimmend.

Linke: Enttäuschung und Lob

Die Enttäuschung, entgegen den Umfragen doch nicht im Landtag zu sein, herrschte bei der Wahlparty der Linken vor. Die Diskussionen an den Infoständen seien positiv gewesen, sagte Vorsitzender Sinan Öztürk. Er stellte fest, dass die Partei in der Stadt Schweinfurt zugelegt habe. „Da sind wir stark.“ Dies wertete er als Erfolg. Aber in ländlichen Gegenden sei die Präsenz der Linken noch ausbaufähig. Dieses Thema wolle man nun auch angehen.

Den Kandidaten Robert Striesow und Angelika Strobel bescheinigte er; „einen richtig guten Wahlkampf“ gemacht zu haben. Über ein Thema schwieg er sich aber aus: Graupner und die AfD. Beide nähmen schon jetzt zu viel Raum ein.

Trauer bei der SPD nach dem verheerenden Ergebnis bei der Landtagswahl. Im Landratsamt schauen sich die Ex-Kreisrätin Elisabeth Bieber und Noch-MdL Kathi Petersen die Resultate an.
Foto: Josef Schäfer | Trauer bei der SPD nach dem verheerenden Ergebnis bei der Landtagswahl. Im Landratsamt schauen sich die Ex-Kreisrätin Elisabeth Bieber und Noch-MdL Kathi Petersen die Resultate an.
Am Tag nach der Landtagswahl in Bayern hängen noch immer viele Wahlplakate in Schweinfurt an jeder Ecke. Hier die Direktkandidaten der AFD und der CSU Richard Graupner und Gerhard Eck.
Foto: Nicolas Bettinger | Am Tag nach der Landtagswahl in Bayern hängen noch immer viele Wahlplakate in Schweinfurt an jeder Ecke. Hier die Direktkandidaten der AFD und der CSU Richard Graupner und Gerhard Eck.
 
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