Der 1. August ist für Herbert Eichelmann kein Tag wie jeder andere: "Da bin ich in die Lehre gekommen, feiere Geburtstag und außerdem ist heute Schweizer Nationalfeiertag", schmunzelt der Fensterbau- und Glasermeister. An diesem Tag im Jahr 2024 beging er sein 87. Wiegenfest und ging zugleich in Rente.
Den dazugehörigen Umtrunk mit Buffett gibt es in der "Scheune" an der Julius-Echter-Straße. 115 Jahre Familienbetrieb werden ebenfalls gewürdigt, mit einem lachenden und weinenden Auge. Schließlich ist nun endgültig Schluss, beim erfahrenen Mittelständler, den man wirklich nicht als Frührentner bezeichnen darf.
Vielleicht lag es am symbolträchtigen Geburtstag, dass sich die Firma Eichelmann insbesondere auf historische Fenster spezialisiert hatte. Anfang August feiert die Schweiz tatsächlich ihr Bundesfest: Nicht den Rütlischwur, der soll am 8. November 1307 geleistet worden sein, sondern die Siegelung des "Bundesbriefs" von 1291. Die Glaserzunft hat den Eidgenossen einiges zu verdanken. Deren prachtvollen Scheiben waren im Mittelalter ein begehrtes Luxusgut.
In der Scheune ging es jedenfalls schweizerisch gediegen und zünftig zu, mit zahlreichen Ehrengästen. Ehefrau Marianne, drei Kinder und neun Enkel zählten zu den Gratulanten. Schon der 85. Geburtstag war an gleicher Stelle gefeiert worden. Damals hatte es einen Zeitungsartikel gegeben, mit Rückblick auf die Firmentradition, die 1909 von Großvater Andreas begründet worden war.
Im Jahr 1951 hat Eichelmann in der Firma seine Lehre begonnen, mit 14 Jahren. "Wenn Joe Biden zurücktritt, kann ich das auch tun", sagt der Fensterbauveteran, der außer der Familie (insbesondere die fleißigen Enkel hinter der Theke) auch noch Vizelandrätin Bettina Bärmann, den zweiten Bürgermeister Stephan Schäflein, Bürgermeisterin a.D. Edeltraud Baumgartl, Michael Bissert als Präsident der Handwerkskammer sowie manch langjährigen Freund und Weggefährten begrüßt.
Sogar eine Firma in Australien gegründet
Vor einer Woche hat Eichelmann noch gearbeitet, vor 14 Tagen noch Beton gesägt, nun ist endgültig Schluss. Der Rentner enthüllt, dass es gar nicht so sehr die Schweiz war, in die es ihn in mehr als 70 Berufsjahren gezogen hat. Australien war der Sehnsuchtsort, 1979 hatte er dort sogar eine Firma gegründet. 75 Dollar genügten zur unbürokratischen Anmeldung. Allerdings war es dann auch ein jäher Dollarsturz, der das zweite Standbein auf dem fünften Kontinent als nicht mehr lukrativ erscheinen ließ.
Günter Hack hält die Laudatio, lange Jahre war er in der regionalen Glaserbranche aktiv. Zwei Weltkriege, Inflation, Währungsreform, Wiederaufbau, all das habe der Familienbetrieb überstanden, lobt Hack. Es gab Großaufträge in Berlin, bei der Sanierung der Straßenbahnhöfe oder des Roten Rathauses. Bei der Bundesgartenschau in der Metropole war Wernecker Know-how ebenso gefragt wie bei Privatmann Günther Jauch.
Auch in der Heimat sorgte Eichelmann für Durchblick, am Kreisaltenheim oder im Landratsamt. Entsprechend zählt die stellvertretende Landrätin Bettina Bärmann zu den Gratulanten, die sich beim "positiven Botschafter des unterfränkischen Handwerks" bedankt. Stephan Schäflein dankt für die Arbeitsplätze, die in der Marktgemeinde geschaffen worden sind.
Das Beste kommt auch hier zum Schluss: Michael Bissert überreicht als Präsident der Handwerkskammer die Ehrenurkunde, in Anerkennung für 115 Jahre Firmengeschichte. Dazu gibt es den Goldenen Meisterbrief mit Nadel. Seinen Meister hatte der Geehrte schon vor mehr als 60 Jahren abgelegt. Abgerundet wird der Ehrungsreigen mit dem "Maßstab der Handwerkskammer", der bislang nur an eine Handvoll prominenter Vorgänger verliehen worden ist: Persönlichkeiten, die für das bayerische Handwerk Maßstäbe gesetzt haben.