
Solche Kisten haben alle: Kartons, die auf dem Dachboden, im letzten Eck, im dunklen Keller oder im Schuppen stehen, irgendwo dort, wo sie niemanden stören. Deren Inhalt ist meist längst vergessen. Niemand vermisst ihn wirklich.
Auch die Stadt Gerolzhofen hat solche Kisten, genauer gesagt Bananen-Kartons, die langsam zerfallen. Diese Erkenntnis stammt aus der jüngsten Stadtratssitzung. Da ging es weniger um die Kartons an sich, die in einem kleinen städtischen Depot in der Brunnengasse herumstehen, sondern vor allem um deren Inhalt. Denn dabei handelt es sich nicht um ausrangiertes Spielzeug, ungeliebtes Geschirr oder verstaubte Bücher. In den Kartons schlummert ein Teil der archäologischen Funde, die der Gerolzhöfer Hans Koppelt einst gesammelt und aufbewahrt hat.
Die Funde, darunter frühgeschichtliche Scherben, Gefäße und Plastiken, beurteilen Fachleute als größtenteils hochwertig und bedeutsam für die regionale Archäologie. Sie sind auch ein Teil des historischen Gedächtnisses der Stadt und umliegender Gemeinden.
Es kam wie so oft: alle Fragen offen
Dass der jetzige Zustand als Durcheinander von Fundstücken dem Wert der Sammlung nicht angemessen ist, darüber waren sich die Stadtratsmitglieder einig. Doch spätestens, als es darum ging, ob und wie viel deren fachgerechte Aufbewahrung kosten darf, begann der Zwist. Also kam's wie so oft: Keine einzige der vorliegenden Vorgehensweisen fand angesichts der damit verbundenen Kosten eine Mehrheit. Aufgabe nicht gelöst. Wie's weitergeht: unklar.
Helmut Kohl hat als Bundeskanzler im Jahr 1995 im Bundestag folgende Worte gebraucht, um die Verantwortung der Lebenden gegenüber der Geschichte zu beschreiben: "Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten." Dabei hatte der CDU-Politiker und studierte Historiker keine Bananen-Kisten in einer Gerolzhöfer Rumpelkammer im Sinn. Dennoch mag man diesen Spruch dem Stadtrat gerne dick ins Poesiealbum schreiben. Er passt zu so vielen Anlässen.
Furcht vor Verschandelung des Landschaftsbildes
Um eine Zukunftsfrage drehte sich ein weiteres Thema im Stadtrat: die riesige Photovoltaikanlage, die ein Investor zwischen dem Neuen See und dem Mahlholz errichten möchte. Hier dominierte im Gremium die Sorge vor einem die Landschaft verschandelnden Anblick, falls auf 37 Hektar Solarmodule platziert würden.
Interessant ist, dass in der Debatte der Aspekt, dass eine solche Anlage der Stadt auch Steuereinnahmen bringen würde, eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Dies war nicht immer so. Als es vor nicht allzu langer Zeit um den Bau großer Logistik-Hallen an zwei Standorten am nördlichen Stadtrand ging, haben die Aussicht auf Einnahmen fürs Stadtsäckel optische Bedenken noch mehrheitlich übertrumpft.