Mädchen und technische Berufe, dieses Thema sollte eigentlich nicht mehr in der Kategorie "zwei Welten begegnen sich" zu finden sein. Es hat sich zwar einiges getan in dieser Hinsicht, dennoch sind Mädchen in technischen Berufen unterrepräsentiert. "Viele junge Frauen haben die Eignung dafür, trauen sich das aber nicht so recht, weil es eben immer noch gendertypische Berufswahlklischees gibt", so die Erfahrung von Erwin Siebert. Er ist MINT-Beauftragter der Bundesagentur für Arbeit bei der Regionaldirektion Bayern, die in Nürnberg ihren Sitz hat.
MINT, das steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik und damit für die Fähigkeiten, die den Zugang zu technischen Berufen erleichtern. Hier setzt das Projekt Girls' Day Akademie für Mädchen der 7. bis 10. Klassen an, das auch in Schweinfurt und zwar am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium durchgeführt wird. Neben der Dr. Karl-Grünewald-Schule in in Bad Königshofen und der Realschule Dettelbach ist das Humboldt eine von drei unterfränkischen Schulen, die an dem Projekt teilnehmen.
Berührungsängste abbauen, Fähigkeiten entdecken
Girl's Day Akaemie, das heißt ein Schuljahr lang vertiefte Berufsorientierung in naturwissenschaftlichen Bereichen begleitet von pädagogischen Betreuern. In Schweinfurt ist zum Beispiel die Wissenswerkstatt eine ideale Adresse um den Mädchen Raum zu bieten ihre technischen Fähigkeiten zu entdecken. Wichtig ist dabei auch, dass die Mädchen unter sich, also keine Jungs dabei sind, so Sabine Sigloch, Girls' Day-Projektbetreuerin am AvH-Gymnasium. Ausprobieren, Experimentieren, Forschen, technische Talente weiterentwickeln ist das erklärte Ziel dieser Akademie für Mädchen.
An diesem Nachmittag ist Wissenswerkstatt-Mitarbeiter Kevin Fischer das einzige männliche Wesen am Arbeitstisch. Eine schicke kleine LED-Lampe, die sich gut auf dem Nachttisch macht, wird heute gemeinsam gebastelt. Dafür müssen nicht nur Grundlagen der Elektrik vermittelt, sondern auch passende Löcher in den Holzwürfel gebohrt werden, auf dem die Lampe später ihren Platz findet.
Fachkräftemangel verschärft sich, wenn die Baby-Boomer in Renten gehen
Bohren, Werkstück schleifen, die Kabel verlöten - nur einige Arbeitsschritte auf dem Weg zum Self-Made-Nachttischlämpchen. Schnell sind Berührungsängste zur großen Standbohrmaschine abgebaut und auch der Lötkolben macht schließlich was er soll - die feinen Elektrokabel am Batteriefach fest. Aber es geht um mehr, als um einen interessanten Nachmittag mit Technik in der Wissenswerkstatt. "Wenn die Baby-Boomer-Generation erst einmal in Rente geht, wird sich der Fachkräftemangel noch deutlich verschärfen", so Erwin Siebert. Deshalb stehen nicht nur die Agentur für Arbeit sowie das bayrische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie fördernd hinter dem Projekt. Bayme (Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro) und Vbm (Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie) sind die Auftraggeber.
Den Nachwuchs in den Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie zu sichern ist das langfristige Ziel der Girls' Day Akademie. Jede Akademie ist ein regionales Kooperationsmodell zwischen einer Schule und einem oder mehreren Unternehmen. Beteiligte Firmen eröffnen sich so die Chance Kontakt zu den Schulen zu knüpfen und technisch interessierte Mädchen ihrer Region kennen zu lernen. MINT-Elternabende und ein Intensivierungsangebot für ehemalige Teilnehmerinnen runden das Konzept ab.
120 zusätzliche Schulstunden
19 Schulen in Bayern nehmen zur Zeit an der Girls' Day Akademie teil. AvH-Schulleiter Klemens Alfen freut sich, dass seine Schule erstmals Teil des Projekts ist. Insgesamt 120 zusätzliche Schulstunden umfasst die Akademie für bis zu 15 Schülerinnen einer Schule. Diese finden freilich nicht alle in der Wissenswerkstatt statt, sondern bestehen zum Beispiel auch aus Besuchen in regionalen Betrieben. In theoretischen und praktischen Einheiten werden technische Inhalte vermittelt und Schlüsselqualifikationen geschult.
Und was sagen die jungen Frauen zu ihren Erfahrungen mit Bohrmaschine & Co? "Toll, das mal kennen zu lernen, aber die Entscheidung was wir später mal machen wollen hat ja noch Zeit", ist von einigen zu hören. Vorstellen können sie es sich aber schon, später mal eine Ingenieurs- oder Elektronikerlaufbahn in Angriff zu nehmen.