
Junge Leute und Engagement in einer Gewerkschaft? Passt das noch zusammen in Zeiten, in denen sich zunehmend jeder selbst der Nächste zu sein scheint und Worte wie Solidarität gefühlt Staub angesetzt haben? Doch, es passt, wie sich bei einem Treffen von IG-Metall-Jugendvertretern im IG-Metall-Haus in Schweinfurt zeigt. Dort treffen sich regelmäßig junge Gewerkschafter, häufig selbst noch in der Ausbildung und von ihren jungen Kollegen im jeweiligen Betrieb zu Jugendvertretern gewählt, um sich über die Lage in ihrem Betrieb auszutauschen. Ortsjugend-Ausschusssitzungen sind eine gute Gelegenheit, Probleme anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Jugendvertreter aus der ganzen Region bis hinauf in die Rhön oder die Haßberge kommen dazu in die Räume der IG-Metall in der Manggasse.
Erfahrungsaustausch im Hinblick auf die Situation in den Betrieben
Unter Moderation von IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Daniel Friedrich wird angesprochen, wo es knirscht im Verhältnis zu einem Meister oder Ausbilder, wo locker Abmahnungen ausgesprochen werden und wie die Lage im Betrieb ist. Ausbildung hat sich in den vergangenen Jahren verbessert, betonten vor allem die Jugendvertreter, die den Vergleich haben, weil vielleicht schon die Eltern einen ähnlichen Beruf ausüben oder gar in der gleichen Firma gelernt haben. Und doch gibt es Luft nach oben. Immer noch kennen die jungen Gewerkschafter Beispiele dafür, dass Azubis berufsfremde Arbeiten erledigen müssen oder dass ein Ausbilder sich im Ton vergreift.

Ausbilder, so die einhellige Meinung, müssen heute nicht nur fachlich fit sein, sondern auch pädagogisch geschult. Letzteres deshalb, weil es wichtig sei, Azubis mit mäßigem Lernerfolg oder schlechten Prüfungsergebnissen aufzufangen und neu zu motivieren. Sozialkompetenz seitens der Ausbilder sei mehr denn je gefragt, auch weil die Qualifizierung der Azubi-Bewerber heute sehr unterschiedlich sei. Früher hatten die Betriebe die Auswahl, heute sei es nicht immer leicht, die angebotenen Ausbildungsstellen zu besetzen.
Die "Ausbildungsbürokratie" hat zugenommen
Gleichzeitig sehen auch die jungen Gewerkschafter, dass sich Ausbilder heute, ähnlich wie im Pflegesektor, mit immer mehr "Ausbildungsbürokratie" zu beschäftigen haben, also viel Zeit mit Ausbildungsverwaltung verbringen müssen, was zu Lasten der individuellen Zuwendung gehen könne.

Nicht nur in Zeiten von Konjunktureintrübung, drohender Kurzarbeit oder Stellenstreichungen gilt das Motto "nur gemeinsam sind wir stark". In dieser Einschätzung sind sich die jungen Gewerkschafter einig. Auch wenn es schwieriger sei, angesichts guter Ausbildungsvergütung, Urlaubsgeld und Tarifverträgen, junge Leute dazu zu bewegen, in die Gewerkschaft einzutreten, sei der Organisationsgrad nach wie vor sehr hoch. Manche Großbetriebe hätten regelrecht eine Art IG-Metall-DNA, für die Belegschaft sei es sozusagen selbstverständlich sich zu organisieren, was genauso für die neuen Azubis gelte. "Wenn es hart auf hart kommt", dass wissen auch die jungen Gewerkschafter, dann "ist der Hof voll und die Bänder stehen still".
Bindung an eine Partei spielt ein geringere Rolle als früher
Viel weniger homogen im Vergleich zu früher scheint dagegen die Bindung junger Gewerkschafter an eine Partei zu sein. Einst eher dem linken Lager zugewandt, spielt Parteienbindung spätestens "seit CSU und SPD geheiratet haben und Politiker aller Parteien darauf trainiert sind, konkreten Fragen auszuweichen", wie es eine junge Gewerkschafterin formuliert, bei der Gewerkschaftsjugend keine so große Rolle mehr. Junge Gewerkschaftsarbeit ist heute weniger Klassenkampf, dafür mehr der Versuch, gemeinsame Wege für die bestmögliche Ausbildung zu gehen.

Wie partnerschaftlich heute Ausbildung sein kann, zeigt sich zum Beispiel darin, dass Azubis, die in eine Abteilung versetzt sind, nicht nur von dort eine Beurteilung erhalten, sondern die Abteilung auch selbst benoten und bewerten können. Vieles hat sich verändert und verbessert, es gibt aber auch neue Probleme, denn die Welt hat sich verändert, ist komplexer geworden, die Ausbildung in den Betrieben hat damit nicht immer Schritt halten können, so eine Einschätzung der jungen Gewerkschafter. Es gibt also auch künftig genug zu tun für engagierte Jugendvertreter.
Als DGB-Jugend Mitglied beim Stadtjugendring
Die jungen IG-Metaller sind – wie die Mitglieder sieben weiterer Gewerkschaften – Teil des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Die DGB-Jugend als solche ist Mitglied beim Stadtjugendring Schweinfurt. Die Metaller sind zahlenmäßig und traditionell in Schweinfurt die größte Gruppe, erklärt DGB-Jugendsekretärin Anna-Katrin Kroll. Unter dem Dach des DGB versammeln sich aber auch Ver.di, die IG BCE (Bergbau, Chemie und Energie), die IG NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten), die IG BAU (Bauer,Agrar, Umwelt), die GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft), die Gewerkschaft der Polizei (GDP) und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Mit Daniel Friedrich hat die IG-Metall als größte Einzelgewerkschaft einen eigenen Jugendsekretär, Anna-Katrin Kroll kümmert sich um die anderen jungen Gewerkschaftsmitglieder im DGB.

Und was macht so eine DGB-Jugendsekretärin, wenn sie nicht in ihrem Büro am Zeughaus anzutreffen ist? "Ich bin viel unterwegs in den Berufsschulen und Betrieben", berichtet die junge Frau, die vor Jahren selbst eine Lehre im Einzelhandel absolviert hat und weiß, wo der Schuh drückt. Bei der Berufschul-Tour im Frühling und wie jetzt im Herbst zum Beispiel, betreibt sie viel Basisarbeit im Hinblick auf die Aufklärung über die Möglichkeiten der Mitbestimmung und die Rolle der Gewerkschaften in der Gesellschaft. "Wissen um die eigenen Rechte vermitteln, jungen Leuten sagen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen müssen", ist eines der Ziele. Während in größeren Betrieben das Wissen um die eigenen Rechte gut ausgeprägt sei, gebe es Defizite bei Azubis in kleineren Betrieben, vor allem im Nahrungsmittel- und Gastronomiesektor.
Ziel sind mündige Bürger und eine Gesellschaft mit Zivilcourage
Dabei geht es ihr und ihren ehrenamtlichen Mitstreitern nicht nur darum über Rechte aufzuklären. Junge mündige Bürger, die für ihre eigenen Interessen eintreten, aber auch für die Gemeinschaft und damit für eine couragierte Zivilgesellschaft, sind das Ziel. Ein Ziel, das auch im Hinblick auf das Erstarken der Rechtspopulisten wichtig sei. "Viele Dinge, die Tabu waren, sind es nicht mehr", meint Kroll im Hinblick auf sich zuspitzende Polarisierung und verbale Angriffe nicht nur im Internet. Freiheit, Gleichheit, Solidarität und die Verwirklichung der Menschenrechte. Das alles klingt nach Aufbruch und dennoch nach vergangenen Zeiten. Doch diese Dinge sind keine Selbstläufer, müssen nicht nur verteidigt, sondern immer wieder neu erstritten werden. Werte, für die die im Stadtjugendring organisierte DGB-Jugend nach wie vor einsteht.