Der Maibaum am Gerolzhöfer Marktplatz, den Mitarbeiter des Stadtbauhofs am Freitagmorgen aufgestellt hatten, stand keine 24 Stunden an Ort und Stelle, dann lag er flachgestreckt auf dem Pflaster. In der Nacht auf Samstag, kurz nach Mitternacht, war die Birke einer auswärtigen Kettensäge zum Opfer gefallen. Die Täter hatten den Maibaum noch zur Seite geräumt und waren mit der Spitze des Baums geflüchtet.

Nun ist es so, dass es einem mehr oder weniger ungeschriebenen Brauchtum entspricht, dass unbewachte Maibäume nachts von jungen, oftmals nicht mehr ganz nüchternen Burschen aus Nachbarorten gekappt werden. Doch dieses nicht unumstrittene Brauchtum – andere bezeichnen es auch als groben Unfug – bezieht sich nach landläufiger Meinung nur auf die Nacht zum 1. Mai, die auch mit sogenannte Frei- oder Hexennacht, die mit in anderen Landstrichen mit vielerlei weiteren Streichen verbunden. Ein ebenso ungeschriebenes Gesetz ist es aber auch, den Maibaum erst am Vorabend des Maifeiertags aufzustellen, also am Abend des 30. April – und eben nicht, wie in Gerolzhofen geschehen, bereits am frühen Morgen des Vortags.

Polizei prüft noch strafrechtliche Verfolgung

Die Sache lässt erahnen: Der Fall des gefällten Maibaum in Gerolzhofen birgt eine Menge Zündstoff und den Nährboden für einen gewissen Ärger, der fortwirken dürfte. Aus Sicht der Gerolzhöfer Polizei ist es noch nicht entschieden ist, ob der Vorfall strafrechtliche Konsequenzen haben wird. Denn juristisch betrachtet handelt es sich hierbei um eine Sachbeschädigung. Und eine solche hat die Polizei grundsätzlich zu ahnden, auch unabhängig des Umstands, ob dies seitens der Betroffenen gewünscht wird oder nicht.

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Die Frage, wo die Verantwortlichen zu suchen sind, klärte sich im Lauf des Samstags rasch auf. Auf Facebook, in der Gruppe "Gerolzhöfer fragen Gerolzhöfer", outeten sich die Dingolshäuser Kirchweihburschen nämlich selbst als nächtliche Täter. Sie verbanden dies mit dem Hinweis, die gestohlene Spitze des Gerolzhöfer Maibaums könne "ausgelöst" werden. Garniert war der Post mit einem Foto, das zumindest einen Teil der augenscheinlich an der Aktion beteiligten Kirchweihburschen zeigt.

Aus deren Reihen äußert sich Marc Funk gegenüber dieser Redaktion zum umgesägten Maibaum. Die Idee, die Spitze des Baums mitzunehmen, sei den Beteiligten gekommen, als diese beim Fällen abbrach, berichtet Funk. "Brauchtum ist Brauchtum", rechtfertigt er die nächtliche Aktion in der Nachbarstadt. Dass dies in Gerolzhofen nicht unbedingt genauso gesehen wird, dürfte ihm durchaus bewusst sein, denn er fügt noch hinzu, dass er auf die Revanche im kommenden Jahr gespannt sei.

Gibt es für die Spitze des Maibaums eine Ablöse?

Offiziell wollten sich am Sonntag auf Anfrage dieser Redaktion weder Dingolshausens Bürgermeisterin Nicole Weissenseel-Brendler noch ihr Gerolzhöfer Amtskollege Thorsten Wozniak zum Maibaum-Diebstahl äußern. Allerdings reagierte Wozniak in den sozialen Medien auf die von Dingolshäuser Seite geforderte Ablösung für die Maibaum-Spitze. Diese bezeichnete er auf Facebook als grundsätzlich "begrüßenswert". Doch er bezweifelte im vorliegenden Fall zugleich Sinn und Zweck einer solchen Ablöse, denn schließlich ersetze eine Baumspitze allein kaum den verloren gegangenen Maibaum.

Dass auf dem Gerolzhöfer Marktplatz während des Bürgerfests am Samstagabend zum Start in den Mai dennoch ein stattlicher Maibaum stand, ist den Rügshöfer Kirchweihburschen zu verdanken. Denn diese waren am Samstag spontan bereit, neben der Birke für den eigenen Maibaum eine zweite für Gerolzhofen zu beschaffen. Der vom Gerolzhöfer Bürgermeister spendierte Lohn hierfür: sechs Kästen Bier.

Feuerwehr holt ab kommendem Jahr den Maibaum

Damit den Gerolzhöfern der neue Maibaum nicht nochmals gefällt und gestohlen wird, wurde am Samstag kurzfristig auch eine Maibaum-Wache auf die Beine gestellt. Mitglieder der Gerolzhöfer Feuerwehr erklärten sich bereit, diese zu übernehmen und in der Nacht zum Sonntag auf dem Marktplatz bei einem kleinen Lagerfeuer auszuharren. Die Aktion brachte den gewünschten Erfolg: Der Maibaum stand am Sonntagmorgen noch.

Bekannt wurde am Sonntag übrigens auch, dass sich ab kommendem Jahr das Prozedere des Gerolzhöfer Maibaum-Aufstellens ändern wird: Ab 2023 sollen Freiwillige der Gerolzhöfer Feuerwehr den Maibaum nicht nur holen, sondern diesen am Vorabend des 1. Mai auch aufstellen.