
Was koche ich aus der Ernte? Eine Frage, die sich hin und wieder die Mitglieder der SoLaWi (Solidarische Landwirtschaft) stellen, die auf einem Acker bei Bergrheinfeld Gemüse anbauen. Seit fast zwei Jahren gibt es zweimal in der Woche frisches Gemüse vom Feld. Über das Depot-System der SoLaWi geht es an die Mitglieder.
Vielfalt und Frische – okay, aber manchmal ist Gemüse auch eine Herausforderung, vor allem wenn es jenseits des Geschmacks-Mainstreams ist. Was mache ich mit der Haferwurzel? Wie sorge ich für Abwechslung, wenn es von einem Gemüse mal mehr als für ein Gericht gibt? Solche Geschmacksfragen klären die SoLaWi-Mitglieder untereinander über WhatsApp, soziale Medien oder auch im direkten Gespräch. Auf der SoLaWi-Homepage werden unter dem Motto "Vom Acker auf den Tisch" dann Bilder von Rezeptideen hochgeladen. Gelegentlich werden in SoLaWi-Rundmails Verwertungstipps vor allem für exotische Gemüsesorten angehängt. Daneben gibt es eine Arbeitsgruppe "Anbau und Genuss", die auch mal Einkoch-Abende veranstaltet. Wegen Corona geht das freilich derzeit nicht.
So wurde die Idee geboren, ein Kochbuch zu gestalten, in dem möglichst alles, was bei der SoLaWi so wächst und gedeiht und vielleicht für das nächste Frühjahr geplant ist, unterzubringen. Gedacht war an eine kleine Auflage (maximal 300 Stück), die an Mitglieder und Freunde der SoLaWi verkauft werden sollte. Gesagt getan! Die Mitglieder wurden aufgefordert, Rezepte und Fotos zu senden, um zu zeigen, was man so alles aus Gemüse zaubern kann.

Vorstandsmitglied Erich Morgenstern, ein gelernter Schriftsetzer, hat sich um das Layout gekümmert. Dann widerfuhr dem Projekt das, was man auch dem Gemüse wünscht: es wuchs und wuchs und wurde richtig groß. "Es kamen immer mehr Rezepte", erzählt Erich Morgenstern. Am Ende waren es 99 von mehr als 30 Autorinnen und Autoren. Neue Rezepte vereint mit Schätzen aus der familiären Kochtradition. Nicht minder wuchs die Begeisterung für das Projekt. Rezepte wurden eigens nachgekocht, um gute Fotos von den Gerichten zu haben, Arbeitsschritte wurden dokumentiert. "Der Mail-Account war zwischenzeitlich überlastet", erinnert sich Morgenstern.
Aufnahme in die Bibliothek des Leipziger Ernährungsrates
Die Seitenzahl stieg. Die Idee, das Büchlein mittels Kopien zu verbreiten, wurde schnell verworfen. Mit dem Umfang wuchsen die Voranfragen, und schnell war klar: Es muss gedruckt werden und zwar mit deutlich mehr Exemplaren als ursprünglich geplant. Am Ende war es eine Auflage von 2500 Stück des GenussHandbuchs, wie es schließlich getauft wurde. 104 Seiten, 99 Rezepte quer durch das Gartenjahr und für alle interessant, die sich regional und saisonal ernähren wollen.
Und dann kam das Projekt richtig ins Rollen. Eine Mail an das "Netzwerk Solidarische Landwirtschaft" genügte. Die SoLaWis landauf und landab informierten ihre Mitglieder, und prompt kamen Bestellungen aus ganz Deutschland. Aus München und aus kleinen Dörfern, von Fehmarn und von Kehl am Rhein. Selbst in die Bibliothek des Leipziger Ernährungsrates wird das Genuss-Handbuch aufgenommen. Von anderen SoLaWis kam die Rückmeldung, dass viele schon mit einem ähnlichen Projekt liebäugelten, nur gemacht hat es eben noch keiner. Auch bei den SoLaWi-Mitgliedern kommt das Buch gut an, wird heuer unter manchem Weihnachtsbaum liegen.
Das verlorene 100. Rezept
Aber wieso eigentlich 99 Rezepte? Das Rezept von Vorstandsmitglied Patric Rudtke, es wäre das 100. gewesen, ging verloren: Die Mail kam beim überlasteten Account einfach nicht an. Gemerkt hat er es erst, als er das gedruckte Buch in Händen hielt. Etwas traurig, denn er wollte seinen Töchtern das GenussHandbuch als Weihnachtsgeschenk mit persönlicher Note überreichen. Der Clou: Erich Morgenstern fertigte ein Einlegeblatt an. Eigentlich nur für ihn. Doch die Idee lag nahe: Das Blatt steht nun für jedermann auf der Homepage zum Download zur Verfügung.

Und was gibt es da zu entdecken, was sonst nur selten oder gar nicht in anderen Kochbüchern zu finden ist. Layouter Erich Morgenstern beschloss schon bei der Zusammenstellung der Seiten, dem Fenchel, dem er gekocht nichts abgewinnen kann, in der Pfanne gebraten eine neue Chance zu geben. "Richtig lecker", so Morgenstern, der so doch noch zum Fenchel gefunden hat. Rasa Keller aus Niederwerrn überrascht mit Rhabarber-Hefekuchen, der nicht nur schmeckt, sondern auch toll fotografiert ist. Carina Hein aus Hirschfeld macht Lust auf Radieschensuppe, die die Franzosen schon lange schätzen.

Ursula Schubert aus Schweinfurt, die fleißigste Rezept-Lieferantin, lobt die Zusammenarbeit mit den Gärtnern, die so manchen Tipp parat hatten, als es darum ging zu erfahren, was man vom Gemüse eigentlich alles verwenden kann. "Das Besondere gibt es nicht – alles ist außergewöhnlich", fasst sie die Inhalte des GenussHandbuchs zusammen. Einen Tipp hat sie doch: "Das Rote-Beete-Carpaccio mit Schafskäse und Nüssen ist ein Traum."
Gemeinschaft und gesunde Ernährung
Nicht nur ein Traum, sondern mehr ein Erwachen im Hinblick auf die Ernährung, waren für viele Mitlieder die ersten beiden SoLaWi-Jahre. "Die Mitgliedschaft hat meinen Lebensstil sehr positiv beeinflusst", so Ursula Schubert. "Früher kannte ich nur Spinat aus der Tiefkühltheke", ergänzt sie. Wer seinen Horizont in Sachen Gemüse erweitern möchte: Das GenussHandbuch gibt es direkt bei der SoLaWi in Bergrheinfeld oder kann via solawi-schweinfurt@gmx.de oder auf der Homepage www.solawi-schweinfurt.weebly.com bestellt werden. Auch in einigen Buchhandlungen ist es vorrätig. Ach ja: Noch sind Ernteteile frei und neue Mitglieder willkommen. Nicht nur das Buchprojekt wurde immer größer, auch die SoLaWi ist auf Wachstumskurs.