Ende August letzten Jahres. Am Samstagnachmittag ist in dem Gewerbebetrieb in einem Dorf im Landkreis Schweinfurt normalerweise niemand – außer dem Chef und der Gebäudereinigung. Diesmal ist der Inhaber terminlich unterwegs. Der große Tresorschlüssel liegt auf einem Schreibtisch, wo ihn Bedienstete der am Samstagvormittag geöffneten Poststation im Foyer deponiert hatten.
Ein 55-jähriger Angestellter des Gebäudereinigungsunternehmens, der dort mit Saubermachen und Putzen beauftragt ist, befindet sich alleine im Gebäude. Er ist für jemanden eingesprungen, der sonst immer dort reinigt – und er scheint sich nicht nur für Flure und Toiletten zu interessieren, sondern auch für Räume, in denen er gar nichts zu suchen hat. Auf einem Schreibtisch entdeckt er den Tresorschlüssel. Er sucht und findet den zugehörigen Safe, öffnet ihn und greift sich 150 von den rund 4000 Euro, die darin verwahrt sind.
Der Diebstahl wird gefilmt
Was der Dieb nicht ahnt: Eine Videokamera hat sein Treiben gefilmt und die Bilder dem Chef live aufs Handy gesendet, der wiederum umgehend die Polizei alarmierte. Die ist noch vor ihm mit drei Streifenwagen vor Ort. Die Polizisten deuten dem Gebäudereiniger durch die Glasscheibentür an, dass er öffnen soll. "Der hat so getan, als sehe er uns nicht, hat sich immer weggedreht oder auf den Boden geschaut", sagt ein Beamter als Zeuge vor dem Amtsgericht Schweinfurt. Dort hat sich der Mann – aus der Strafhaft vorgeführt von der Polizei – wegen Diebstahls zu verantworten.
Was sagt der Angeklagte zu dem Vorwurf? Er gesteht: "Ja, ich habe den Tresor geöffnet und das Geld entnommen." Das legten die Beweise auch so nahe. Die 150 Euro wurden in einem Schubfach der Poststation gefunden, wo der Dieb sie nach dem Anblick des Polizeiaufgebots offenbar loswerden wollte, die Straftat gab's auf Video. Und: Genau diese Summe fehlte im Betriebssafe.
20 Vorstrafen im Register
"Warum?", fragt der Amtsrichter den Angeklagten. "Ich kann's nicht erklären", antwortet dieser, "ein halbes Jahr geht's gut, dann seh' ich, da liegt was, und greife wieder zu." In der Tat hat er seit 40 Jahren schon ziemlich oft "zugegriffen". Für die ersten Diebstähle ab dem Jahr 1983 gab's noch Jugendstrafen. Die Klauereien wechselte sich später ab mit Betrug oder Computerbetrug, verhandelt vor unterschiedlichen Amtsgerichten. Für die letzten sechs Diebstähle sitzt der Angeklagte gerade eine 15-monatige Haftstrafe des Amtsgerichts Bad Kissingen ab.
Nur kurz mal zugegriffen auf Geld, das so verlockend vor ihm lag, hat der 55-Jährige nicht. "Es wundert mich, dass er überhaupt in meinem Büro war", sagt der Betriebschef, "da wird von der Firma gar nicht geputzt." Und: Der Weg von seinem Schreibtisch, auf dem der Tresorschlüssel lag, sei "sehr weit". Deshalb war es für den Staatsanwalt auch keineswegs eine "Spontantat", der Angeklagte habe genügend Zeit zum Überlegen gehabt. Für den gewerbsmäßigen Diebstahls forderte er ein Jahr Haft – ohne Bewährung. Der Verteidiger plädierte lediglich auf "einfachen Diebstahl", an Bewährung glaubte angesichts der Vorstrafen auch er nicht mehr.
Noch acht Monate Haft
Acht Monate wegen Diebstahls verhängte der Amtsrichter. "Vielleicht dachte der Angeklagte, 150 Euro fallen bei einer Summe von 4000 nicht auf." Videotechnik mit Sofortmeldung beim Chef hat ihn überführt. Als er diese Tat beging, sei das Diebstahlsverfahren in Bad Kissingen schon am Laufen gewesen, so der Vorsitzende. Und: "Alles, was jetzt kommt, wird immer zu Haftstrafen führen." Gegen das Urteil kann Berufung oder Revision eingelegt werden.