
Nicht wildes Durcheinander, nicht Gestrüpp. Auch nicht Geometrie oder Exotik. Der Garten von Klaus Scheder in Lülsfeld wirkt strukturiert, natürlich und lebendig. Der Landschaftsgärtner sieht in den gut 1000 Quadratmetern hinterm elterlichen Anwesen eine Symbiose aus Handwerk und Kunst. Kein Beet sei am Reißbrett entstanden: "Man braucht Kreativität und ein Händchen fürs Kombinieren." Der Mensch darf, ja soll eingreifen, experimentieren. Scheder spricht deswegen nicht von einem Naturgarten, sondern von "Gärtnern mit der Natur".
Brigitte Goss nickt. Sie ist Garten-Kreisfachberaterin im Landratsamt Schweinfurt, schreibt Bücher und gibt Tipps in der Fernsehsendung "MDR Garten". "Ich nenne das einen nach natürlichen Prinzipien angelegten Garten." Und das ist mehr als eine große Rasenfläche mit einer Hecke drumherum. Bei Scheder sehe man die Umsetzung von Gestaltungskriterien wie "Harfe und Pauke" – also Feines mit Großem zu kombinieren, mit unterschiedlichen Strukturen und Höhenstaffelungen. "Das ist die Kunst. Handwerk ist, die richtigen Pflanzen auszuwählen, die an diesem Standort zusammenpassen."
Nektar für die ersten Wildbienen
Die 55-jährige Münnerstadterin erkennt einen umweltgerechten Garten bereits in den letzten Wintertagen, wenn eigentlich noch nichts zu sehen ist. "Aber es ist toll, wenn Krokusse versteckt blühen. An sonnigen Tagen kommen die ersten Bienen und Hummel raus, noch ganz sumsig, auf der Suche nach Nektar. Das ist doch das Schöne, wenn andere Lebewesen auch etwas vom Garten haben." Ein klassischer Naturgarten biete das nicht zwingend, darunter sei eher zu verstehen, ausnahmslos heimische Pflanzen möglichst dezent von Menschenhand arrangiert einzusetzen.

Scheder greift bewusst ein, lehnt nur den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln kategorisch ab. Der 34-jährige Lülsfelder arbeitet für eine Gartengestaltungsfirma in Rimpar und hat 2011 angefangen, seinen Garten systematisch und umweltgerecht anzulegen – und kontinuierlich weiter zu entwickeln. Heute reihen sich zahlreiche Blüh- und Nutzbeete aneinander, durchbrochen von Rasenwegen, Pergolas, Sitzterrassen, Bäumen, Gestaltungselementen wie einem Wagenrad und einzelnen Steinen. Von den Krokussen im März bis zu den Astern oder letzten Rosen im Herbst blüht es das ganze Jahr über irgendwo.
Kräuter oder Farbenvielfalt?
Am Anfang eines jeden Gartens steht die Ratlosigkeit des Eigentümers. Wo anfangen – und mit was? Scheder empfiehlt, sich zu überlegen, wie man seinen Garten nutzen will: "Sind Kinder da, brauche ich Spielfläche? Will ich Gemüse anbauen, als Selbstversorger einsteigen? Oder mich an Farben erfreuen? Dann sollte man sich Schwerpunkte setzen. Alles auf einmal funktioniert nicht." Auch Goss stellt Praxisnutzen an den Anfang: "Man sollte sich Funktionsflächen überlegen: Wo will ich Wäsche aufhängen? Wo kommen die Fahrräder hin? Wo sind die Wege aus der Küche kurz zum Gemüse- oder Kräuterbeet? Wo will ich einen Sitzplatz haben, wo grillen?" Sie nimmt sich dann einen Stuhl und probiert einfach einige Plätze aus. "Auf einem Plan kann ich nicht sehen, wo ich mich wohl fühle."

Gärtnern mit der Natur müsse jedoch, da sind sich beide einig, nicht unbedingt heißen: Blumenwiese statt Rasen. Vor allem Scheder lässt dem Rasen seine Berechtigung, wenngleich eher "als Gestaltungselement in Form von Wegen, auf denen es sich wunderbar weich laufen lässt. Das wirkt lebendiger als Pflaster oder Kies. Nur: Dieser Rasen muss kein englischer sein, lassen wir doch Blumen und Kräuter mitwachsen." Ein Zierrasen erfordere hohen Pflegeaufwand: "Der wird bei uns im Sommer immer braun. Verschwende ich wirklich Trink- oder Regenwasser dafür?"
Goss geht ein Stück weiter, denkt auch beim Bodenbelag an den Nutzen für tierische Mitbewohner. "Lücken im Rasen sind eine schöne Nische für am Boden brütende Wildbienen. Man kann ungepflegten Rasen auch als Habitat, als Lebensraum sehen." Und wer gerne barfuß auf flauschigem Grün läuft, sei mit moosigem Rasen gut bedient – unter dichten Baumkronen das normalste der Welt. "Gehen Sie einmal entspannt über Moos. Es macht Sie ruhiger. In Japan ersetzt Moos oft den Rasen. Es wird bei Trockenheit braun; aber bei Regen schnell wieder grün."

Selbst "Unkraut" habe seinen Wert. Scheder stört sich nicht an Löwenzahn oder Gänseblümchen, nicht an Gundermann oder Schafgarbe. "Wenn diese Kräuter blühen und die Bienen herumfliegen, macht das den Garten lebendig." Ausufernde Rasenflächen sind ihm zu steril – "das ist nichts anderes als die Schotter-Wüsten. Da findet kein Insekt Gefallen daran." Schon gar nicht die Wildbiene. Für sie und Hummeln sei gar ein Steingarten mit lose drapierten Natursteinen und blühenden Gehölzen besser."
Immergrüne sind ökologisch tot
Ein No Go sind für ihn immergrüne Klassiker wie Thuja oder Kirschlorbeer. "Die sind ökologisch tot." Der Landschaftsgärtner empfiehlt für den Anfang als Sichtschutz Blütensträucher wie den Blasenstrauch oder die Strauchkronenwicke – und, je nach Platz, vorgelagert einen Blühstreifen. "Durch artenreiche Bepflanzung bekomme ich auch seltenere Insekten wie die wunderschöne, schwarze Holzbiene in meinen Garten." Idealer Lockstoff: die Glockenblume. Auch Goss hat ihre Favoriten: "Korbblütler, also alles, was aussieht wie eine Margerite. Die sind flach, da kommen die winzigen Wildbienen gut ran. Und für den Herbst unbedingt Astern."

Sie zählt zum Grundgerüst eines umweltgerechten Gartens Steine ("darunter findet sich oft der Steinbeißer, der sich von Schneckeneiern ernährt"), Holzhaufen ("ein Paradies für Käfer") oder Benjeshecken – Totholzhecken, die durch lockere Ablagerungen von dünnerem Gehölzschnitt, durch Samenanflug oder Initialpflanzungen entstehen. Scheder schüttelt den Kopf, wenn er Hobby-Gärtner den Schnitt wegfahren sieht ("Holz darf vergammeln"). Und wer, so Goss, unter einem dichten Nadelbaum im trockenen, sandigen Boden zahlreiche Trichter im Boden entdeckt, solle sich glücklich schätzen: Darin liegen die Larven der Ameisenlöwen, die sich von den hineinfallenden und gern als Schädling eingestuften Ameisen ernähren.
Black-Box-Gardening
Ein Irrtum sei, so Goss, anfängliches Sparen. Werde in der Anschaffung nicht gegeizt, sei das in der Instandhaltung nachhaltig. Mehrjährige Stauden ersparen den jährlichen Kauf von Kübelpflanzen, kleine, wilde Rasenflächen brauchen wenig Dünger und Nachsaat. "Man sollte bei den großen Pflanzen nicht sparen, für den Rest gibt's das sogenannte Black-Box-Gardening." Heißt? "Einsatz von Stauden und Pflanzen, die sich selbst aussäen und standortgerecht ihr eigenes Bild kreieren, zum Teil durch den Garten wandern." Vertraut der Laie lieber einem Fachmann wie Scheder, lägen die Kosten für eine Gartenfläche von 400 bis 600 Quadratmetern bei 10 000 bis 30 000 Euro – alles inklusive. Kleiner ginge immer. "Auch einen Balkon kann ich nahe an der Natur bestücken. Jeder Quadratmeter zählt."
Ein umweltgerechter Garten sei zwar pflegeleichter als ein verkünstelter, ganz ohne "Arbeit" ginge es freilich nicht, sagt Scheder. "Die Menschen sollten Gärtnern nicht als Arbeit oder Stress ansehen, sondern als Ausgleich und Entspannung. Hier kann ich kreativ sein und Ideen umsetzen." Goss erkennt erste Ansätze: "Es wird wieder Trend, Schnittblumen anzubauen und sich mit der Sinnlichkeit des Gartens zu beschäftigen. So, wie wir uns Zeit nehmen fürs Kochen."